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Zirkus des Horrors - Tour 2017
www.zirkusdeshorrors.de ; 80 Showfotos

Frankfurt am Main, 14. Oktober 2017: 2013 in Essen gestartet, ist der Zirkus des Horrors nach wie vor erfolgreich unterwegs. Die Familie von Joachim und Rosemarie Sperlich scheint ein funktionierendes Konzept gefunden zu haben. Nachdem sie viele Jahre mit ihrem Unternehmen Romanza traditionellen Circus gespielt haben und danach eine wichtige Stütze des Zirkus Charles Knie waren, reisen sie nun mit einer Gruselshow. Auch hier gibt es Artistik und Clownerie sowie weitere Showelemente. Gespielt wird im rot-gelben Chapiteau, welches die Sperlichs zudem für ihre Karlsruher Weihnachtscircus nutzen.

Beim Blick auf die Banner in der Front, spätestens aber beim Betreten des Vorzelts, wird dem Besucher klar, dass der Abend kein entspannter Spaß für die ganze Familie wird. Denn zunächst geht es in kleinen Gruppen durch einen Gruselparcours. Die meisten der Erschrecker, die dort Furcht erregend maskiert ihr Unwesen treiben, kommen aus der jeweiligen Gastspielstadt. Offensichtlich gibt es hier genug Freiwillige, die Spaß an dieser Form der Freizeitbeschäftigung haben. Nach dem Einlass ist es mit den kleinen „Überfällen“ nicht vorbei. Im Chapiteau geht es weiter, was ich persönlich ziemlich nervig finde. Entspannung gibt es so nämlich nicht. Aber vielleicht will genau das die Zielgruppe auch nicht.


Nosferatu (Giovanni Biasini), Marlen Kaiser, Zdenek Orton

Während der Show konzentriert sich das Geschehen dann aber auf die Rundbühne. Die aktuelle Produktion „Inquisition – Die Folterkammer“ wird 2017 zum letzten Mal gezeigt. Dabei überzeugt der zweite Teil deutlich stärker als der erste. Das hängt vor allen Dingen damit zusammen, dass im Laufe der Saison drei Darbietungen ersetzt werden mussten. Der Klischnigger und der Jongleur schieden vorzeitig aus, das Todesrad muss derzeit verletzungsbedingt pausieren. Beim Opening werden verschiedene Horror-Szenen dargestellt. Leider ist das ansonsten überzeugend eingesetzte Licht hier etwas dunkel. Dazu gibt es einen eigens komponierten Song. Unser Zeremonienmeister ist Nosferatu (Giovanni Biasini), der als finstere Gestalt diese dunkle Welt regiert. Er findet all die artistischen Darbietungen recht langweilig. So auch die Akrobatik am Schwungseil von Marlen Kaiser. Diese wird von mehreren Mönchen aus einem Bett befreit und gen Kuppel geschickt. Mit blutverschmiertem Mund zeigt Kaiser ihre Tricks am ruhenden und schwingenden Seil. Eine Einlage des Balletts leitet den Auftritt von Zdenek Orton ein. Seine dunkle Jacke ist mit Leuchtdioden besetzt, welche für einen interessanten Effekt sorgen. Ortons Disziplin ist die Jonglage mit Diabolos. In immer wieder neuen Formationen lässt der diese auf einer Schnur tanzen und durch die Luft fliegen. Sogar im Zuschauerraum agiert er. Ebenso auf einem erhöhten Plateau in der Mitte der Bühne. Darauf zeigt kurz darauf auch Flash ihre Künste vor den Augen von Nosferatu. Die Schlangenfrau versteht es gekonnt, ihren Körper zu verbiegen. Allerdings würde man sich dabei ein wenig mehr Ausstrahlung wünschen. Was soll's, Nosferatu wäre so oder so von ihren Künsten wenig angetan.


Maleficus (Milano Kaiser)

Weiter geht es mit dem ersten von zwei Auftritten des Clowns Maleficus. Dafür muss der von Milano Kaiser verkörperte Spaßmacher erstmal von den Toten erweckt werden. Äußerlich stellt er die abgebrannte Version eines Clowns dar. Sein prolliges Auftreten passt dazu. Das Publikum bezeichnet er gerne mal als „Assis“. Mit dem „Freiwilligen aus dem Publikum“ hatte zumindest ich nur Mitleid. Er muss sich mit blonder Perücke auf allen Vieren an der Leine über die Bühne bewegen. Maleficus treibt mit einer Gerte an. Da ist das Messerbrett fast schon ein Vergnügen. Im zweiten Einsatz vom professionell spielenden Milano Kaiser wird dem gleichen Zuschauer der Prozess gemacht, er am Ende mittels Guillotine „einen Kopf kürzer gemacht“. Auch dazu gibt es derbe Sprüche. Mag sein, dass so etwas in die Show passt. Mag sein, dass Gäste einer solchen Produktion mit derartigen Aktionen rechnen müssen. Für mich sind derartige Auftritte mit (zahlenden) Zuschauern schlichtweg nicht akzeptabel.


Mago Denis und Pretty Pistol, René Sperlich, Sonny Quaiser und Virgilia Riedesel

Natürlich gehören richtige Freaks in eine Horror-Show. Hier sind es Mago Denis und Pretty Pistol, die sich Nägel durch die Zunge und in die Nase bohren. Wobei damit nur zwei ihrer Spezialitäten genannt sind. Dabei sind die beiden noch vergleichsweise sympathische Vertreter ihres Genres. Trotz gruseliger Aufmachung. Da ist auch das Bearbeiten eines Nasenlochs mit einer Bohrmaschine einigermaßen erträglich. Damit ihre Tricks besser zur Geltung kommen, nehmen sie sich dabei gegenseitig mit einer Kamera auf. Die Bilder werden auf eine Leinwand am Artisteneingang projiziert. Durch den verletzungsbedingten Ausfall der Todesrad-Darbietung von Maik und Siegfried Sperlich, gehört die Pausennummer aktuell Maiks Bruder René. Unterstützt von den Damen des Balletts zeigt er Stuhlbalancen auf einer hohen Plattform. Immer mehr gläserne Stühle balanciert er aufeinander, um am Ende auf der Spitze des wackeligen Turms Handstände zu zeigen. Als Clou ruht der unterste Stuhl auf vier Sektflaschen. Nach einer Einlage mit einem elektrischen Stuhl geht es in die Pause. Hier besteht die Gelegenheit, sich für Teil zwei zu stärken. Das gastronomische Angebot ist sehr ansprechend, die Dekoration im Vorzelt aufwendig. An den Strapaten fliegen zu Beginn des zweiten Programmteils Sonny Quaiser und Virgilia Riedesel durch die Luft. Es ist eine durchdachte Kür, bei der beide Akteure abwechselnd den tragenden Part übernehmen. Noch einmal erleben wir René Sperlich. Für mich der stimmungsvollste Auftritt der Show. Seine Equilibristik zeigt er auf einem Scheiterhaufen, der von Mönchen mit Fackeln entzündet wird. Die Handstände sind variantenreich, kraftvoll. Der Klötzchentrick gehört ebenso zum Repertoire wie der Einarmer auf einer langen Stange.


Alexia Casselly, Johnny Cognetti, Gino Kaslowsky

Alexia Casselly gibt das blonde Kind mit Teddybär und blutigem Gesicht. Am Luftring beweist sie große Gelenkigkeit. Eigentlich eine wunderschöne Kür, wobei sich dieses Adjektiv im Zirkus des Horrors natürlich verbietet. Ich habe ihren artistisch anspruchsvollen Auftritt dennoch genossen. Gleiches gilt für die Akrobatik am Roue Cyr von Johnny Cognetti. Er präsentiert eine fließende Choreographie, wie man sie von diesem Requisit kennt. Dank des diabolischen Outfits, der Lichteffekte und des Kunstnebels wird daraus ein teuflisches Vergnügen. Groß aufgemacht ist die Schlussnummer. Das Ballett und Typen in Lederklamotten beherrschen das Geschehen auf der Bühne. Auf Motorrädern fahren sie herein. Im Mittelpunkt steht eine Feuershow, in der Gino Kaselowsky Flammen schluckt und riesige Feuersäulen unter die Kuppel spuckt. Eine stimmungsvoll-düstere Atmosphäre wird erzeugt. Für den größten Kick sorgen die beiden Freefighter, die mit ihren Geländemaschinen spektakuläre Sprünge von einer Rampe zu einem Plateau vor dem Artisteneingang wagen. Nach diesem Thriller geht es weiter mit dem Finale, in dem sich alle Mitwirkenden vom Publikum verabschieden. Dank der ausfahrbaren Plattform in der Bühnenmitte gibt es ein „attraktives“ Schlussbild mit Nosferatu und seinen Girls.

Die begeisterten Reaktionen am Ende dieses Abends zeigen, dass dieser Zirkus des Horrors seine Fans gefunden hat. Ebenso der Saisonverlauf, mit dem die Macher insgesamt zufrieden sind. 2018 geht es weiter mit der neuen Show „Asylum“ und einem neuen Chapiteau.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch