Beim
Blick auf die Banner in der Front, spätestens aber beim Betreten des
Vorzelts, wird dem Besucher klar, dass der Abend kein entspannter Spaß
für die ganze Familie wird. Denn zunächst geht es in kleinen Gruppen
durch einen Gruselparcours. Die meisten der Erschrecker, die dort
Furcht erregend maskiert ihr Unwesen treiben, kommen aus der jeweiligen
Gastspielstadt. Offensichtlich gibt es hier genug Freiwillige, die Spaß
an dieser Form der Freizeitbeschäftigung haben. Nach dem Einlass ist es
mit den kleinen „Überfällen“ nicht vorbei. Im Chapiteau geht es weiter,
was ich persönlich ziemlich nervig finde. Entspannung gibt es so
nämlich nicht. Aber vielleicht will genau das die Zielgruppe auch
nicht.
Nosferatu
(Giovanni Biasini), Marlen Kaiser, Zdenek Orton
Während
der Show konzentriert sich das Geschehen dann aber auf die Rundbühne.
Die aktuelle Produktion „Inquisition – Die Folterkammer“ wird 2017 zum
letzten Mal gezeigt. Dabei überzeugt der zweite Teil deutlich stärker
als der erste. Das hängt vor allen Dingen damit zusammen, dass im Laufe
der Saison drei Darbietungen ersetzt werden mussten. Der Klischnigger
und der Jongleur schieden vorzeitig aus, das Todesrad muss derzeit
verletzungsbedingt pausieren. Beim Opening werden verschiedene
Horror-Szenen dargestellt. Leider ist das ansonsten überzeugend
eingesetzte Licht hier etwas dunkel. Dazu gibt es einen eigens
komponierten Song. Unser Zeremonienmeister ist Nosferatu (Giovanni Biasini), der als
finstere Gestalt diese dunkle Welt regiert. Er findet all die
artistischen Darbietungen recht langweilig. So auch die Akrobatik am
Schwungseil von Marlen Kaiser. Diese wird von mehreren Mönchen aus
einem Bett befreit und gen Kuppel geschickt. Mit blutverschmiertem Mund
zeigt Kaiser ihre Tricks am ruhenden und schwingenden Seil. Eine
Einlage des Balletts leitet den Auftritt von Zdenek Orton ein. Seine
dunkle Jacke ist mit Leuchtdioden besetzt, welche für einen
interessanten Effekt sorgen. Ortons Disziplin ist die Jonglage mit
Diabolos. In immer wieder neuen Formationen lässt der diese auf einer
Schnur tanzen und durch die Luft fliegen. Sogar im Zuschauerraum agiert
er. Ebenso auf einem erhöhten Plateau in der Mitte der Bühne. Darauf
zeigt kurz darauf auch Flash ihre Künste vor den Augen von Nosferatu.
Die Schlangenfrau versteht es gekonnt, ihren Körper zu verbiegen.
Allerdings würde man sich dabei ein wenig mehr Ausstrahlung wünschen. Was
soll's, Nosferatu wäre so oder so von ihren Künsten wenig angetan.
Maleficus (Milano Kaiser)
Weiter
geht es mit dem ersten von zwei Auftritten des Clowns Maleficus. Dafür
muss der von Milano Kaiser verkörperte Spaßmacher erstmal von den Toten
erweckt werden. Äußerlich stellt er die abgebrannte Version eines
Clowns dar. Sein prolliges Auftreten passt dazu. Das Publikum
bezeichnet er gerne mal als „Assis“. Mit dem „Freiwilligen aus dem
Publikum“ hatte zumindest ich nur Mitleid. Er muss sich mit blonder
Perücke auf allen Vieren an der Leine über die Bühne bewegen. Maleficus
treibt mit einer Gerte an. Da ist das Messerbrett fast schon ein
Vergnügen. Im zweiten Einsatz vom professionell spielenden Milano
Kaiser wird dem gleichen Zuschauer der Prozess gemacht, er am Ende
mittels Guillotine „einen Kopf kürzer gemacht“. Auch dazu gibt es derbe
Sprüche. Mag sein, dass so etwas in die Show passt. Mag sein, dass
Gäste einer solchen Produktion mit derartigen Aktionen rechnen müssen.
Für mich sind derartige Auftritte mit (zahlenden) Zuschauern
schlichtweg nicht akzeptabel.
Mago Denis und Pretty Pistol, René Sperlich, Sonny Quaiser und Virgilia Riedesel
Natürlich
gehören richtige Freaks in eine Horror-Show. Hier sind es Mago Denis
und Pretty Pistol, die sich Nägel durch die Zunge und in die Nase
bohren. Wobei damit nur zwei ihrer Spezialitäten genannt sind. Dabei
sind die beiden noch vergleichsweise sympathische Vertreter ihres
Genres. Trotz gruseliger Aufmachung. Da ist auch das Bearbeiten eines
Nasenlochs mit einer Bohrmaschine einigermaßen erträglich. Damit ihre
Tricks besser zur Geltung kommen, nehmen sie sich dabei gegenseitig mit
einer Kamera auf. Die Bilder werden auf eine Leinwand am
Artisteneingang projiziert. Durch den verletzungsbedingten Ausfall der
Todesrad-Darbietung von Maik und Siegfried Sperlich, gehört die
Pausennummer aktuell Maiks Bruder René. Unterstützt von den Damen des
Balletts zeigt er Stuhlbalancen auf einer hohen Plattform. Immer mehr
gläserne Stühle balanciert er aufeinander, um am Ende auf der Spitze
des wackeligen Turms Handstände zu zeigen. Als Clou ruht der unterste
Stuhl auf vier Sektflaschen. Nach einer Einlage mit einem elektrischen
Stuhl geht es in die Pause. Hier besteht die Gelegenheit, sich für Teil
zwei zu stärken. Das gastronomische Angebot ist sehr ansprechend, die
Dekoration im Vorzelt aufwendig. An den Strapaten fliegen zu Beginn des zweiten
Programmteils Sonny Quaiser
und Virgilia Riedesel durch die Luft. Es ist eine durchdachte Kür, bei
der beide Akteure abwechselnd den tragenden Part übernehmen. Noch
einmal erleben wir René Sperlich. Für mich der stimmungsvollste
Auftritt der Show. Seine Equilibristik zeigt er auf einem
Scheiterhaufen, der von Mönchen mit Fackeln entzündet wird. Die
Handstände sind variantenreich, kraftvoll. Der Klötzchentrick gehört
ebenso zum Repertoire wie der Einarmer auf einer langen
Stange.
Alexia Casselly, Johnny Cognetti, Gino Kaslowsky
Alexia
Casselly gibt das blonde Kind mit Teddybär und blutigem Gesicht. Am
Luftring beweist sie große Gelenkigkeit. Eigentlich eine wunderschöne
Kür, wobei sich dieses Adjektiv im Zirkus des Horrors natürlich
verbietet. Ich habe ihren artistisch anspruchsvollen
Auftritt dennoch genossen. Gleiches gilt für die Akrobatik am Roue Cyr
von Johnny Cognetti. Er präsentiert eine fließende Choreographie, wie
man sie von diesem Requisit kennt. Dank des diabolischen Outfits, der
Lichteffekte und des Kunstnebels wird daraus ein teuflisches Vergnügen.
Groß aufgemacht ist die Schlussnummer. Das Ballett und Typen in
Lederklamotten beherrschen das Geschehen auf der Bühne. Auf Motorrädern
fahren sie herein. Im Mittelpunkt steht eine Feuershow, in der Gino
Kaselowsky Flammen schluckt und riesige Feuersäulen unter die Kuppel
spuckt. Eine stimmungsvoll-düstere Atmosphäre wird erzeugt. Für den
größten Kick sorgen die beiden Freefighter, die mit ihren
Geländemaschinen spektakuläre Sprünge von einer Rampe zu einem Plateau
vor dem Artisteneingang wagen. Nach diesem Thriller geht es weiter mit
dem Finale, in dem sich alle Mitwirkenden vom Publikum verabschieden.
Dank der ausfahrbaren Plattform in der Bühnenmitte gibt es ein
„attraktives“ Schlussbild mit Nosferatu und seinen Girls. |