Vor der elften Saison unter der Leitung
von Sascha Melnjak wurde noch einmal kräftig investiert. Das
2008 in Betrieb genommene Chapiteau und das Vorzelt habe jeweils
eine neue Plane erhalten. Diese wurde in den gewohnten Farben in
rot und weiß gefertigt, nun aber in einem moderneren
Spiraldesign. Auch der Artisteneingang hat ein Facelift
erhalten. Die neue „Charles Knie“-Leuchtschrift über der roten
Gardine kann dank LED-Technik in vielen Farben erstrahlen und
sticht deutlicher hervor. Auch Licht und Ton wurden auf den
neuesten Stand gebracht.
Exoten, Cesar Pindo
Nach dem tragischen, viel zu frühen Tod
von Clown Charly Carletto alias Carlos de Jesus Peres kurz vor
Saisonbeginn hat Henry Ayala den komischen Part im Programm
übernommen. Gemeinsam mit dem Sprechstallmeister eröffnet er die
Show. Und das ist in dieser Vorstellung vorübergehend Ionut
Calin, eigentlich Abendregisseur. Denn Neuzugang Gino Huppertz
ist nicht nur Moderator, sondern auch Zeltmeister. Und als
solcher beim Vorkommando in der nächsten Gastspielstadt
unterwegs. Auch das ist Circus. Zu einem Markenzeichen des
Hauses ist über die Jahre der große Exotenzug geworden. Und dies
nicht nur wegen der artenreichen Besetzung mit jeweils fünf
Kamelen und Lamas, vier Zebras, einem halben Dutzend exotischer
Rinder und einem Guanako. Vielmehr ist die Präsentation der
Nummer immer schöner und aufwendiger geworden. Fünf Ballettdamen
in aufwendigsten Federschmuck-Kostümen sowie drei weitere
Figuranten sorgen für ein fantasievolles Bild der fröhlichen
Seite Afrikas. Sängerin Elena, in diesem Jahr neu im Ensemble,
sorgt für zusätzlichen Glanz. Sie leitet über zum Auftritt von
Extrem-Klischnigger Cesar Pindo. Zunächst sorgen seine
Verrenkungen noch für hörbares Amüsement, dann zunehmend auch
für ungläubiges Raunen und manches Schaudern. Denn Cesar Pindo
faltet seinen Körper so kompakt zusammen, dass er in eine kleine
Kiste passt. Darin verharrt er lange Sekunden. Unter
rhythmischem Applaus verlässt er die Behausung.
Jochen Träger
alias Krenzola jun., Ballettgirl, Karim Messoudi
Für Entspannung ist bei den folgenden
Auftritten gesorgt. Zunächst zeigen die Messoudis gut gelaunt
ihre Partnerjonglage. Es ist immer wieder faszinierend, wie die
Brüder Soffien und Karim ihrem Vater Said mit den geworfenen
Jonglierkeulen Hut, Sonnenbrille und Zigarette vom Kopf
fegen. In einer ersten Reprise bindet Henry Ayala ein Kind
aus dem Publikum in eine Hutjonglage ein. Neu im Programm ist in
dieser Saison Jochen Träger alias Krenzola jun. mit seinen
artenreichen Tierdarbietungen. Bei der ersten kommentiert er das
Geschehen auf launige Weise per Mikrofon. Hier werden zwei
Gruppen weiße und schwarze Laufenten unter anderem „separiert“
und wieder durchgemischt. Ziegenbock Wolfgang, acht Schweine und
weitere Enten komplettieren dieses Tier-Potpourri, das vom
Publikum vergnügt aufgenommen wird. Wiederum mit einer Tiernummer geht es weiter. Marek Jamas Pferdedressur ist als
himmlisch schönes Showbild gestaltet. Eingeleitet wird es von
den vier Ballettdamen als verführerische Engel mit offenen
Haaren. Sängerin Elena begleitet ihren sinnlichen Tanz
mit "Do what you want" von Lady Gaga gesanglich. Marek Jama führt zunächst ein geflügeltes Pferd zu
Schulschritten in die Manege, lässt seinen Sechserzug Friesen
sowie später sechs Mini-Ponys folgen und beschließt die
Darbietung mit steigenden Ponys und einem Araber.
Flying Wulber, Gino Huppertz,
Victoriya
In seinem ersten größeren Auftritt holt
Henry Ayala einige Zuschauer zum Glockenspiel in die Manege. Ein
Herr erhält für seinen Einsatz einen Orden, eine Dame ein Herz,
und das aufmerksame Publikum geht voll mit. Vor der Pausennummer
ist Gino Huppertz zurück im Roten Ring und übernimmt die
Moderation für den Rest des Abends. Er ist ein charmanter und
eloquenter Begleiter. So ist es sehr erfreulich, dass die Show
nach drei Jahren Unterbrechung wieder einen Moderator bekommen
hat. Dies sorgt für eine zusätzliche persönliche Note.
Inzwischen geradezu traditionell – in der achten Saison in Folge
– gibt es bei Charles Knie ein klassisches Flugtrapez. Bei den
Flying Wulber sorgt eine Dame in einem rotierenden Gestell für
einen zusätzlichen optischen Effekt. Besonderheiten sind zudem
schwierige Tricks wie der Doppelsalto rückwärts mit Schraube
sowie der „Dreifache“ mit Doppelpirouette direkt im Anschluss.
Stimmungsvoll geht es in der zweiten Programmhälfte weiter.
Marek Jama kleidet seine Hohe Schule zu Pferd in ein
bezauberndes Bild mit den Ballettdamen. Solistin Victoriya und
das Pferd mit seinem Reiter tanzen gemeinsam im Sägemehl.
Wulbers, Krenzola
jun., Henry Ayala
Nochmals setzt Henry Ayala auf
Publikumsbeteiligung. Auch beim „Striptease“ macht der Herr aus
den Logen gut mit, sehr zum Vergnügen des Publikums. In seinem
zweiten Auftritt stellt Jochen Träger eine ganze Arche vor.
Fuchs und Gans, Hund und Katz‘, Tauben und Kakadu, ein großer
Puter und weitere Arten sorgen für ein manegenfüllendes Bild.
Eingeleitet wird es vom Ballett zum Thema Wiener Walzer.
Freilich eine sympathische Nummer mit einem sympathischen
Tierlehrer. Und doch denken wir auch wehmütig an die Jahre bis
2015 zurück, in denen Raubtiere und/oder Elefanten fester
Bestandteil aller Charles-Knie-Produktionen von Sascha Melnjak
waren. Bleibt zu hoffen, dass sie bald wieder in diese Manege
zurückkehren. Für Heiterkeit und Tempo sorgen die Wulbers in
ihrer Zweitnummer auf dem Trampolin, und schließlich hat Henry
seinen ganz großen Auftritt in der viel belachten
Restaurant-Szene. Während er diese beim Heilbronner
Weihnachtscircus noch mit seiner Schwester spielte, mimt nun
seine Lebensgefährtin Tatiana Kundyk den anspruchsvollen Gast.
Dass zum Abschluss mit Spaghetti ins Publikum geworfen wird,
müsste für meinen Geschmack nicht sein.
Mesoudis, Elena,
Duo Medini
Eine Umbesetzung gibt es auch beim
Rollschuh-Duo Medini. Evanguely Alves aus Portugal übernimmt
vertretungsweise den Part von Vanessa Medini, während deren
Bruder Emanuel weiterhin die „tragende“ Rolle hat. Auch in
dieser Variante bietet die Nummer eine schöne Mischung aus
starken Tricks, rasantem Ablauf und Unterhaltungswert, wenn ein
Gast aus dem Publikum seine Runden mit den Artisten dreht. Meine
Lieblingsszene unter den durchweg schönen Ballettbildern ist die
letzte, die stylische Modenschau zum Madonna-Hit „Vogue“. Mit
den Kostümkreationen in schwarz-weiß wird der perfekte Rahmen
geschaffen für den Auftritt der Messoudi Brothers in ihren
weißen Anzügen. Mit ihrem hervorragenden Können reißen die drei
Brüder Karim, Soffien und Yassin mit Vater Said bei Handständen
und anspruchvollster Partnerakrobatik auch das Wertheimer
Publikum zu Begeisterungsstürmen hin. |