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Cirque Starlight - Tour 2016
www.cirquestarlight.ch ; 107 Showfotos

Delémont, 19. März 2016: Der Cirque Starlight geht in dieser Saison – glücklicherweise – den Weg des Vorjahres weiter. Klar, das Unternehmen der Familie Jocelyne und Heinrich Gasser bietet nach wie vor „Cirque Nouveau“ statt Traditionscircus auf Sägemehl. Aber wie bereits 2015 wird auf allzu viel Düsternis und Melancholie verzichtet. Stattdessen erstrahlt die Bühne in hellen Farben. Es gibt geradezu mitreißende Originalkompositionen zu hören, und die Spielszenen sind nicht allzu lang gezogen. Auch im artistischen Bereich vermag diese äußerst gelungene Produktion zu überzeugen.

„La Rencontre“ („Das Treffen“) ist der Titel der neuen Show. Sie entführt in einen geheimnisvollen Salon, in dem sich scheinbar zufällig ein buntes Völkchen trifft. Die Herren und Damen kennen einander anfangs nicht, doch im Laufe des Stücks bilden sich mehrere frisch verliebte Paare heraus. In Szene gesetzt wurde das Stück, wie schon die beiden Vorgängerproduktionen „Octavius“ und „Vue d’ailleurs“, von dem Argentinier Emiliano Sanchez Alessi. Ihm zur Seite stand wieder ein siebenköpfiges Kreativteam in den Bereichen Kostümkreation, Komposition, Bühnenbild und Lichtdesign. Einmal mehr verblüfft der enorme Aufwand, mit dem die Starlight-Produktionen geschaffen werden. Acht Wochen Probenphase für eine knapp viermonatige Saison sprechen für sich. Gespielt wird fast ausschließlich im französischsprachigen Teil der Schweiz. Die Stationen im Tessin, wo Italienisch gesprochen wird, fallen in diesem Jahr erstmals weg, dafür kamen zwei Tournee-Orte im deutschsprachigen Teil des Wallis hinzu.


Petter Linsky, Jean-Philippe Labbe und Mathieu Cloutier, Eloi Lefebure und Camille Rock, Davaajargal Davaadorj 

Zunächst erkunden drei Damen in hübschen Kleidchen den Salon, der als aufwendiges Bühnenbild gestaltet wurde. Mit gewinnenden Lächeln präsentiert die junge Mongolin Davaajargal Davaadorj ihr Können in einer klassischen Hula Hoop-Nummer zu fröhlichen Klängen. Drei junge Männer gesellen sich hinzu und wollen den Damen imponieren. Und das tun Petter Linsky (Schweden) sowie Jean-Philippe Labbe und Mathieu Cloutier (beide Kanada) mit Salti, Schrauben und Platzwechseln auf der Koreanischen Wippe. Das Publikum klatscht begeistert mit, und es verwundert ein wenig, dass diese starke Darbietung so früh im Programm platziert wurde. Die Clowns Eloi Lefebure und seine Partnerin Camille Rock haben ihr Handwerk in Frankreich gelernt und überzeugen mit neuen Sketchen, die an der klassischen Clownerie angelehnt sind. Auch ihre Kleidung und Schminke erinnern daran. Als Sidestory zur eigentlichen Handlung dreht sich bei ihnen alles um Schuhe. So werden die verschiedensten Schuhmodelle beispielsweise zum Telefonieren oder Tennisspielen genutzt. Eloi empfindet den Duft der Schuhe zudem als betörend, wodurch sich weitere witzige Szenen rund um die gegenseitige Zuneigung der beiden Clowns ergeben. In ihrem gewagtesten Auftritt versucht Camille ihren Partner mit ihrem Äußeren zu verführen, doch Eloi konzentriert sich solange auf seine Zeitung, bis die attraktive Camille nur noch in Unterwäsche im Zeitungslook dasteht.


Mathieu Cloutier, Deogratius God Listen, Raphael Daudi, Patrick Kelvin und Abdalla Hemed, Emmaline Piatt Shaker
 

Die Schwungseilnummer von Emmaline Piatt Shaker (Großbritannien) gehört zu den stärksten Darbietungen im Programm. Hoch unter dem Zeltdach lässt die Artistin ihr Requisit weit ausschwingen. Pirouetten, Abfaller und blitzschnelle Überschläge lassen das Publikum auf den bestens besetzten Rängen jubeln. Am Boden bleibt dagegen Mathieu Cloutier bei seinen Runden im Cyrrad. Heftig beklatscht werden die vier Tansanier Deogratius God Listen, Raphael Daudi, Patrick Kelvin und Abdalla Hemed für ihren Auftritt am doppelten chinesischen Mast. Der Kopfstand auf der Mastspitze gehört ebenso zum Repertoire des Auftritts wie beispielsweise der Sprung von Mast zu Mast. Rasant und stark – und wohl etwas stärker als die folgende zweite Hälfte – ist dieser erste Programmteil, in dem eine Ensembleszene zur Pause überleitet.


Myriam Lessard, Petter Linsky, Davaajargal Davaadorj

Bei seiner Suche nach einer Tanzpartnerin scheitert Komiker Eloi Lefebure bei den Damen im Ensemble. Also holt er zu Beginn der zweiten Programmhälfte eine Zuschauerin auf die Bühne. Von Schmachtsong bis Ententanz wird getanzt, bis die eifersüchtige Camille Rock dem Treiben mit einem lauten Schrei ein Ende setzt. Der „Spiegel“, vor dem sich die vier Artistinnen im Starlight-Ensemble zum Schminken drängen, ist eigentlich ein Luftring. Sogar an diesem Requisit sehen wir hier eine temporeiche Arbeit, zu der unter anderem Genickhang und der Fußhang an einem Fuß gehören. Dargeboten wird sie von Myriam Lessard (Kanada). Geradezu klassisch – diese Beschreibung trifft sowohl für die Stuhlbalancen von Petter Linsky als auch für die Tücherkür von Davaajargal Davaadorj zu. Dabei gefällt die Artistin mit Eleganz und Beweglichkeit.


Mathieu Cloutier und Myriam Lessard, Ensemble, Deogratius God Listen, Raphael Daudi, Patrick Kelvin und Abdalla Hemed 

Und auch die Duo-Rollschuhnummer von Mathieu Cloutier und Myriam Lessard erfüllt beim Trickrepertoire alle Erwartungen an dieses Genre, bis hin zum Genickhangwirbel. Allerdings hatten wir den Eindruck, dass es noch rasantere Vertreter im Rollschuh-Fach gibt. Für einen überzeugenden Abschluss des Programms sorgt das Quartett aus Tansania – der Kopfstand auf dem ausgestreckten Arm des Partners, der wiederum auf den Oberschenkeln eines Obermannes steht, ist nur eines der Ausrufezeichen im Repertoire der Truppe. Am Ende der Show haben sich in dem Salon auf der Starlight-Bühne nun vier Paare gefunden, zuletzt das Clownsduo Eloi und Camille. Mit einem Kuss fallen sie sich in die Arme, beklatscht von Ensemble und Publikum.

Mit gerade einmal zwei Stunden Spieldauer inklusive Pause ist dieses rasant-amüsante Programm mit vielen guten und sehr guten Nummern bestimmt nicht übertrieben lang. Umso bedauerlicher ist es, dass das Finale so extrem kurz ausfällt. Das Ensemble hat die Bühne schon verlassen und sich zum Spalier im Vorzelt aufgestellt, da klatscht das Publikum im Chapiteau noch begeistert weiter. Gerne hätte man die Akteurinnen und Akteure nochmals auf der Bühne gefeiert. Immerhin bietet sich nun im Vorzelt die Möglichkeit zum „Rencontre“ mit allen Künstlern – was ja auch ein schöner Abschied ist.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber