Dafür wurde ein zweiter Circus Roncalli
geschaffen. Zelt und Einrichtung waren bei dem Unternehmen zwar
mehrfach vorhanden, aber doch wurden beispielsweise ein
wunderschöner Restaurations- und ein ebensolcher Bürowagen
eigens gebaut. Und so weht an diesem Premierenabend viel
Roncalli-Flair über die Heilbronner Theresienwiese, auch wenn
der Glanz des Originals natürlich unerreicht bleibt.
Familie Saabel und Ballett,
Yves Nicols, Bluma mit Ensemble
Für die Saison 2016 – die nur eine halbe
ist und eben im Juni endet – wurde das Programm noch einmal
deutlich verändert. Neu im Ensemble ist beispielsweise Sängerin
Jessica Sperlich alias Bluma, die mit „Gipsy Music, Balkanbeats,
Klezmer und modernem Pop“, wie es das Programmheft treffend
beschreibt, durchs Programm begleitet. „Auf und davon, zu einer
Liaison“, singt sie im Charivari. Da lassen wir uns doch gerne
bitten. Zumal Weißclown Yann Rossi zur Begrüßung mit
unvergleichlicher Grandezza dazu auffordert, wieder Kind und
Clown zu werden. Sofort gefangen nimmt uns dann die wunderbar
gestaltete Hohe Schule der Familie Saabel. Zunächst reiten
Mutter Tiziana und ihre Töchter Kelly und Alexandra auf drei
weißen, dann Tiziana und Kelly auf zwei schwarzen Pferden. Unter
Mitwirkung der vier Ballettgirls und zu Riverdance-Klängen wird
die Nummer zum großen Schaubild. Zum Abschluss stehen sieben
hübsche Damen unter dem roten Vorhang. Ein richtiger
Roncalli-Klassiker ist dann die Reprise mit dem Rechen, bei der
die Manege nach der Pferdenummer wieder geglättet wird. Hier
agieren Hector Rossi, Sergey Maslennikov und Betriebsleiter
Marco Biasini gemeinsam in der Manege. Yves Nicols und seine
charmante Partnerin Ambra konnten wir in Deutschland schon bei
Barum, Charles Knie und zuletzt im Weltweihnachtscircus erleben.
Auch im Roten Roncalli-Ring verfehlen Yves Jonglagen mit großen
Bällen, Keulen, Bumerangs und Sombreros ihre Wirkung nicht. Das
Publikum geht begeistert mit.
Kelly Saabel, Les Rossyann, Gabor
Vosteen
Gabor Vosteen war für uns schon bei der
„Salto Vitale“-Premiere vor zwei Jahren eine echte Entdeckung.
Nach wie vor ist seine Flöten-Comedy wohl einmalig und herrlich
komisch. Auf bis zu fünf Blockflöten gleichzeitig spielt er in
seinem ersten Auftritt mit Mund und Nase. Gerne sähen wir ihn im
nächsten Jahr im Hauptgeschäft des Circus Roncalli. Auch die
zweite Tiernummer im Programm wird von Familie Saabel
präsentiert. Und diese zeichnet sich ebenso durch die wunderbare
Gestaltung aus. Gemeint sind die Schlittenhunde, die in einer
richtigen Winterlandschaft präsentiert werden, Postamente in
Iglu-Form inklusive. Ebenso stilvoll ist das Musikal-Entree der
Rossyann. Hier verbinden sich großes musikalisches Können und
feiner Humor zum Schmunzeln.
Victor Minasov, Andrey Ivakhnenko,
Jimmy Saylon
Heiter geht es weiter bei Victor Minasovs
Auftritt im Ballon. Nach einer weiteren Reprise von Sergey
Maslennikov folgt dann die zweite rein artistische Nummer der
ersten Programmhälfte. Sie ist zugleich die Pausennummer. Andrey
Ivakhnenkos Arbeit auf dem Schlappseil ist dabei genauso
leistungsstark wie auch Geschmacksache. Für letzteres sorgen
insbesondere das rote Stachelkostüm und die außergewöhnliche
Musik. Starker Applaus ist ihm dennoch sicher. Insgesamt bleibt
der Eindruck, dass die erste Hälfte eine artistische Nummer mehr
und eine komische Nummer weniger gut vertragen hätte.
Uneingeschränkt Spaß macht dagegen der zweite Programmteil, auch
wenn hier eine weitere Tiernummer natürlich wünschenswert wäre. Für
den Auftakt sorgt Jimmy Saylon gemeinsam seiner Lebensgefährtin
Alexandra Saabel, deren Schwester Kelly und den Ballettgirls. Seine große
Illusionsschau feierte bei „Salto Vitale“ Manegenpremiere.
Außergewöhnlich ist diese Darbietung vor allem dank der von
Alexandra Saabel mit allergrößtem Aufwand perfekt gestalteten
Requisiten und Kostüme im nostalgischen Stil. Zusammen mit Licht
und Musik wird die Nummer zum Gesamtkunstwerk und opulenten
Bilderrausch.
Curatola Brothers, Alexandra und Kelly Saabel, Konstantin
Mouraviev
Während die Illusionsnummer neu kreiert
wurde, sind die beiden folgenden Darbietungen Roncalli-Klassiker.
Gemeint sind die heitere Rhönradfahrt von Konstantin Mouraviev
sowie die Partnerakrobatik der Curatola Brothers im feinen
Zwirn. Hand-auf-Hand- und Wurfelemente wechseln sich dabei ab.
Der Höhepunkt ist erreicht, wenn Emmanuel Curatola eine halbe
Pirouette mit Salto schlägt – gesprungen von und gelandet auf
den Händen seines Bruders Giuseppe. Bei seinem zweiten Auftritt
dirigiert Gabor Vosteen drei Mitspieler aus dem Publikum beim
Flötenspiel. Einer der „Freiwilligen“ gehört zu einem ganzen
Team junger Sportler, die zur Premiere geladen wurden. Und so
sorgt jede seiner Regungen für allergrößte Heiterkeit bei seinen
Vereinskameraden. Damit ist ausgelassene Stimmung im ganzen
Chapiteau garantiert. Diese herrscht auch, wenn Vosteen und das
Roncalli-Ballett wenig später ihren kecken Tanz in Flöten- bzw.
Bananenröckchen zeigen. Dazwischen sorgen Alexandra und Kelly
Saabel mit ihren Handständen für einen ruhigeren Moment im
Programm.
Duo Minasov,
Finale, Ambra und Yves Nicols
Nochmal
einen Roncalli-Klassiker gibt es bei den Kostümillusionen von
Elena und Victor Minasov. Sie gehören zweifellos zu den
rasantesten Vertretern ihres Faches. Vollkommen neu gestaltet
haben Ambra und Yves Nicols ihre Tüchernummer. „Golden Time“ ist
nun das Motto. Das Paar arbeitet dabei von einem sich drehenden,
beleuchteten Podest. Die Aufmachung als Goldmenschen weckt
ebenso Erinnerungen an frühere Roncalli-Jahre. Viele Tricks sind
aus der bisherigen Darbietung bekannt; andere wurden neu
einstudiert – beispielsweise, wenn sich Ambra mit den Händen im
Nacken von Yves hält, sich dann fallen lässt und mit den Achseln
an seinen Füßen fängt. Riesenjubel, begeisterte Pfiffe und
minutenlanger, rhythmischer Beifall sind der verdiente Lohn für
diese Darbietung. Sie geht direkt über ins ausgiebig zelebrierte
Finale, das mit Standing Ovations endet. |