Passend
dazu gibt es ein zeitgemäß aufgemachtes und ausführliches Programmheft.
Dankenswerterweise wurde auch das Programm aufgewertet. Nachdem man im
vergangenen Jahr ausschließlich auf hauseigene Dressuren setzte, sind
2016 gleich drei engagierte Tiernummern zu erleben. Darunter sogar eine
gemischte Raubtiergruppe. Die artistischen Darbietungen sind –
abgesehen von der zur Jahresmitte 2015 ausgeschiedenen
Flugtrapez-Formation – weitgehend identisch mit denen des Vorjahrs. Für
den Humor sorgt in bewährter Weise die Familie Stoliarov.
Haupteingang
Ein
nicht unwesentlicher Kostenfaktor ist das Orchester. Sechs Musiker
sitzen über dem Artisteneingang und sind jeden Cent wert. Sie spielen
ein breites Repertoire. Die passgenauen Arrangements sorgen aber immer
für einen circustypischen Sound. Die Show läuft sehr flott ab und trägt
zurecht den Titel „Leidenschaft“. Denn alle Mitwirkenden sind mit
Herzblut bei der Sache. Nicht zuletzt die Familie Probst lebt Circus.
In der Manege ist die Direktionsfamilie in diesem Jahr durch Reinhard
und Tochter Stephanie vertreten.
Marcel Krämer, Kevin Probst
Der
Titel „Music“ von John Miles bildet die Klammer dieser Produktion,
erklingt er doch zu Beginn und beim Finale. Reinhard Probst lässt es
sich nicht nehmen, sein Publikum persönlich zu begrüßen. Und dann geht
es gleich in den Wilden Westen. Dorthin entführt uns Marcel Krämer. Auf
einem gescheckten Pferd kommt er im Cowboy-Outfit in die Manege
geritten, die amerikanische Fahne in der Hand. Auf dem Rücken des
Pferdes zeigt er Lassospiele, die er sogleich auf dem Sägemehl
fortsetzt. Hinzu gesellen sich sechs Esel. Die Maultiere lenkt er
zunächst nur mit Stimme und Körpersprache. Erst gegen Ende der
Vorführung dirigiert er sie mit einer Peitsche. Von besonderem
Vertrauen zeugt der Trick, bei der er alle Tiere abliegen lässt und
dann mit einer Pistole in die Luft schießt. Krämers Tiere bleiben
entspannt am Boden. Direkt im Anschluss erleben wir Marcel Krämer mit
einer in einem Circus selten zu sehenden Tierart. Zwei eindrucksvolle
Bisons betreten im Kunstnebel die Manege. Sie arbeiten ein durchaus
vielfältiges Repertoire und begeistern natürlich schon durch ihre
massive Erscheinung. Dass sie friedliebende Tiere sind, beweisen sie bei
der Fütterung mit Karotten durch Zuschauer aus der Loge. Das Orchester
spielt zu beiden Darbietungen Westernmelodien, die aber weit gefächert
sind und somit unterschiedliche Stimmungen verbreiten. Musikalisch nach
Osteuropa geht es bei der Ziegen- und Ponyrevue von Kevin und Tünde
Probst. Natürlich sind die Kostüme passend dazu gewählt. Die sechs
Ziegen beweisen sich im Klettern und Springen. Die beiden Ponys sind
einer Schaukelpartie nicht abgeneigt. Ihre abwechslungsreichen Tricks
zeigen sie mit viel Spaß. Selbstverständlich ist ein Leckerli zur
Belohnung jederzeit willkommen.
Tom Dieck junior
Reinhard
Probst und sein Exotenzug gehören einfach zu diesem Circus. Ich kann
mich in den letzten zehn Jahren an keine Vorstellung bei Probst ohne
diesen Programmpunkt erinnern. Die Tiere haben in der ganzen Zeit
natürlich gewechselt. Das Bild mit Kaltblütern, Kamelen und Rindern ist
aber immer geblieben. Auch 2016 erleben wir es wieder. Hinzu kommen
Lamas und zwei Zebras, die vor allen Dingen ihre Sprungkünste
demonstrieren. Dazu trägt der Direktor ein schickes neues Kostüm, in
dem er direkt danach zudem die bekannte Ansage zur Tierschau macht.
Stephanie Probst beschränkt sich in diesem Jahr auf die Präsentation
ihrer großen Freiheit aus Dromedaren, Friesen, weißen Arabern und
Dartmoorponys. Neue Tricks sind hinzugekommen. Es ist eine abwechslungsreiche Dressurkreation. Mal sehen wir Laufarbeit mit allen
Tieren, mal Steiger einzelner Pferde, während die anderen mit den
Vorderhufen auf einem Podest in der Manegenmitte warten. Eine ganz
besondere Attraktion ist natürlich die gemischte Raubtiergruppe
von Tom Dieck junior mit vier Tigern, zwei Ligern und zwei weißen
Mähnenlöwen. Den Hauptanteil an dieser flotten und elegant
präsentierten Darbietung haben die Tiger. Sie erleben wir bei Roll
overs, dem Lauf auf den Hinterbeinen sowie dem Balancieren auf einem
großen Rad. Schön, dass wir eine solch große Raubtiernummer aktuell in
Deutschland erleben dürfen. Allzu viele davon gibt es hierzulande nicht
mehr.
Tünde, Ren Yanan, Zhao Lingyu
Noch
während der Zentralkäfig abgebaut wird, beginnt Tünde mit ihrer
Kür an den Tüchern. Zu ruhiger Musik lenkt sie die Blicke der Zuschauer
Richtung Kuppel. Es ist ein schön anzusehender Auftritt mit bekannten
Tricks dieses Genres. Aus dem Vorjahresprogramm übernommen wurden drei
Artisten aus China. Sie sind auch jetzt wieder ein echter Gewinn. Allen
voran Schlappseil-Artist Ren Yanan, welcher völlig zurecht direkt vor
dem Finale arbeitet. Der junge Mann beherrscht alles, was dieses Genre
hergibt. Beispielhaft seien das Balancieren auf einer Leiter, die Fahrt
kopfüber auf einem Einrad und der einarmige Handstand genannt. Wirkte
er vergangene Saison noch recht zurückhaltend, zeigt er jetzt mehr
Selbstbewusstsein. Verbundenen mit seiner freundlichen Art hat sich so
seine Manegenpräsenz deutlich erhöht. Bravo. He Yuan lässt die
Schälchen fliegen. Mit den Füßen kickt sie sie in die Luft, um sie auf
dem Kopf zu fangen. Dabei hält sie sich auf einem Einrad im
Gleichgewicht. Zunächst auf dem Boden, am Ende sogar auf einer großen
Kugel. Komplettiert wird das fernöstliche Trio durch Zhao Lingyu. Als
Schlangenfrau verbiegt sie anmutig ihren Körper in unglaubliche
Positionen. Ungeheuer an Wirkung gewinnt ihre Nummer durch die
Einbeziehung von mehrarmigen Leuchtern, auf denen Kerzen brennen. Am
Ende balanciert sie sechs davon auf Händen, Füßen, dem Kopf und mit dem
Mund. Einfach ein wunderschönes Bild.
Utnier Aquino, Stoliarov Family
Den
Rang eines Hausartisten hat inzwischen Utnier Aquino inne. Ihn können
wir seit vielen Jahren in den Programmen des Circus Probst erleben. Im
ersten Teil sehen wir den vielseitigen Artisten aus Kuba am
Schwungseil. Es wirkt locker und leicht, wenn er an seiner
„Wolkenschaukel“ durch die Kuppel fliegt. Spätestens als er kopfüber in
einer Schlaufe hängt, halten die Zuschauer aber den Atem an. Nach der
Pause verzückt er insbesondere das weibliche Publikum mit Akrobatik am
Pole. Beim Erklimmen des Masten lässt er ordentlich die Muskeln
spielen. Bei den folgenden Tricks beweist er Kraft und eine
beneidenswerte Körperbeherrschung. Auf der am Ende noch nach oben
verlängerten Stange zeigt der Sonnyboy gar einen freihändigen
Kopfstand. Mit der Stoliarov Family ist die Sparte Humor bestens
besetzt. Vladimir, Irada und Sohn Denis überzeugen mit wirklich
witzigen Ideen, einer hinreißenden Mimik und viel Spielfreude. Vater
und Sohn spielen die lebende Marionette, geben Schwanensee mit
quakenden Fröschen und lassen mit einem Zuschauer Hula Hoop-Reifen
kreisen. Ihre Paradenummer aber ist die verpatzte Kür am Trapez. Zu den
von Denis gespielten Saxophonklängen betritt Irada als elegante
Artistin die Szenerie. Nach einem gelungenen Start hängt sie wenig
später an der Longe. Ihre beiden Partner machen sich heldenhaft auf,
sie zu retten. Damit nimmt das Chaos seinen Lauf. Bei den folgenden
urkomischen Szenen bekommt eine Strickleier eine wichtige Rolle. Es ist
ein herrlicher Spaß, der ohne das artistische Können der Akteure so
nicht möglich wäre. Den ebenfalls im Programmheft angekündigten Segiu
Mosanu als komischen Trampolin-Akrobaten Jim Bim erleben wir an diesem
Nachmittag nicht.
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