CHPITEAU.DE

Circus Probst - Tour 2016
www.circus-probst.de ; 95 Showfotos

Wolfsburg, 18. Juni 2016: Die Zeiten für Circusse sind wahrlich nicht leicht, zumindest für solche, die eine komplette Sommersaison spielen. Wo andere reduzieren oder gar nicht mehr reisen, bildet der Circus Probst eine rühmliche Ausnahme. Reinhard und Brigitte Probst gehen mit ihrem Unternehmen nicht nur auf eine volle Tournee, sondern haben zudem noch aufgestockt. Zum administrativen Team ist Mathijs te Kiefte hinzugekommen. Der langjährige Mitarbeiter des niederländischen Circus Herman Renz ist jetzt Produktionsleiter bei Probst. Die Homepage hat ein neues Design erhalten.

Passend dazu gibt es ein zeitgemäß aufgemachtes und ausführliches Programmheft. Dankenswerterweise wurde auch das Programm aufgewertet. Nachdem man im vergangenen Jahr ausschließlich auf hauseigene Dressuren setzte, sind 2016 gleich drei engagierte Tiernummern zu erleben. Darunter sogar eine gemischte Raubtiergruppe. Die artistischen Darbietungen sind – abgesehen von der zur Jahresmitte 2015 ausgeschiedenen Flugtrapez-Formation – weitgehend identisch mit denen des Vorjahrs. Für den Humor sorgt in bewährter Weise die Familie Stoliarov.


Haupteingang

Ein nicht unwesentlicher Kostenfaktor ist das Orchester. Sechs Musiker sitzen über dem Artisteneingang und sind jeden Cent wert. Sie spielen ein breites Repertoire. Die passgenauen Arrangements sorgen aber immer für einen circustypischen Sound. Die Show läuft sehr flott ab und trägt zurecht den Titel „Leidenschaft“. Denn alle Mitwirkenden sind mit Herzblut bei der Sache. Nicht zuletzt die Familie Probst lebt Circus. In der Manege ist die Direktionsfamilie in diesem Jahr durch Reinhard und Tochter Stephanie vertreten.


Marcel Krämer, Kevin Probst

Der Titel „Music“ von John Miles bildet die Klammer dieser Produktion, erklingt er doch zu Beginn und beim Finale. Reinhard Probst lässt es sich nicht nehmen, sein Publikum persönlich zu begrüßen. Und dann geht es gleich in den Wilden Westen. Dorthin entführt uns Marcel Krämer. Auf einem gescheckten Pferd kommt er im Cowboy-Outfit in die Manege geritten, die amerikanische Fahne in der Hand. Auf dem Rücken des Pferdes zeigt er Lassospiele, die er sogleich auf dem Sägemehl fortsetzt. Hinzu gesellen sich sechs Esel. Die Maultiere lenkt er zunächst nur mit Stimme und Körpersprache. Erst gegen Ende der Vorführung dirigiert er sie mit einer Peitsche. Von besonderem Vertrauen zeugt der Trick, bei der er alle Tiere abliegen lässt und dann mit einer Pistole in die Luft schießt. Krämers Tiere bleiben entspannt am Boden. Direkt im Anschluss erleben wir Marcel Krämer mit einer in einem Circus selten zu sehenden Tierart. Zwei eindrucksvolle Bisons betreten im Kunstnebel die Manege. Sie arbeiten ein durchaus vielfältiges Repertoire und begeistern natürlich schon durch ihre massive Erscheinung. Dass sie friedliebende Tiere sind, beweisen sie bei der Fütterung mit Karotten durch Zuschauer aus der Loge. Das Orchester spielt zu beiden Darbietungen Westernmelodien, die aber weit gefächert sind und somit unterschiedliche Stimmungen verbreiten. Musikalisch nach Osteuropa geht es bei der Ziegen- und Ponyrevue von Kevin und Tünde Probst. Natürlich sind die Kostüme passend dazu gewählt. Die sechs Ziegen beweisen sich im Klettern und Springen. Die beiden Ponys sind einer Schaukelpartie nicht abgeneigt. Ihre abwechslungsreichen Tricks zeigen sie mit viel Spaß. Selbstverständlich ist ein Leckerli zur Belohnung jederzeit willkommen.


Tom Dieck junior

Reinhard Probst und sein Exotenzug gehören einfach zu diesem Circus. Ich kann mich in den letzten zehn Jahren an keine Vorstellung bei Probst ohne diesen Programmpunkt erinnern. Die Tiere haben in der ganzen Zeit natürlich gewechselt. Das Bild mit Kaltblütern, Kamelen und Rindern ist aber immer geblieben. Auch 2016 erleben wir es wieder. Hinzu kommen Lamas und zwei Zebras, die vor allen Dingen ihre Sprungkünste demonstrieren. Dazu trägt der Direktor ein schickes neues Kostüm, in dem er direkt danach zudem die bekannte Ansage zur Tierschau macht. Stephanie Probst beschränkt sich in diesem Jahr auf die Präsentation ihrer großen Freiheit aus Dromedaren, Friesen, weißen Arabern und Dartmoorponys. Neue Tricks sind hinzugekommen. Es ist eine abwechslungsreiche Dressurkreation. Mal sehen wir Laufarbeit mit allen Tieren, mal Steiger einzelner Pferde, während die anderen mit den Vorderhufen auf einem Podest in der Manegenmitte warten. Eine ganz besondere Attraktion ist natürlich die gemischte Raubtiergruppe von Tom Dieck junior mit vier Tigern, zwei Ligern und zwei weißen Mähnenlöwen. Den Hauptanteil an dieser flotten und elegant präsentierten Darbietung haben die Tiger. Sie erleben wir bei Roll overs, dem Lauf auf den Hinterbeinen sowie dem Balancieren auf einem großen Rad. Schön, dass wir eine solch große Raubtiernummer aktuell in Deutschland erleben dürfen. Allzu viele davon gibt es hierzulande nicht mehr.


Tünde, Ren Yanan, Zhao Lingyu

Noch während der Zentralkäfig abgebaut wird, beginnt Tünde mit ihrer Kür an den Tüchern. Zu ruhiger Musik lenkt sie die Blicke der Zuschauer Richtung Kuppel. Es ist ein schön anzusehender Auftritt mit bekannten Tricks dieses Genres. Aus dem Vorjahresprogramm übernommen wurden drei Artisten aus China. Sie sind auch jetzt wieder ein echter Gewinn. Allen voran Schlappseil-Artist Ren Yanan, welcher völlig zurecht direkt vor dem Finale arbeitet. Der junge Mann beherrscht alles, was dieses Genre hergibt. Beispielhaft seien das Balancieren auf einer Leiter, die Fahrt kopfüber auf einem Einrad und der einarmige Handstand genannt. Wirkte er vergangene Saison noch recht zurückhaltend, zeigt er jetzt mehr Selbstbewusstsein. Verbundenen mit seiner freundlichen Art hat sich so seine Manegenpräsenz deutlich erhöht. Bravo. He Yuan lässt die Schälchen fliegen. Mit den Füßen kickt sie sie in die Luft, um sie auf dem Kopf zu fangen. Dabei hält sie sich auf einem Einrad im Gleichgewicht. Zunächst auf dem Boden, am Ende sogar auf einer großen Kugel. Komplettiert wird das fernöstliche Trio durch Zhao Lingyu. Als Schlangenfrau verbiegt sie anmutig ihren Körper in unglaubliche Positionen. Ungeheuer an Wirkung gewinnt ihre Nummer durch die Einbeziehung von mehrarmigen Leuchtern, auf denen Kerzen brennen. Am Ende balanciert sie sechs davon auf Händen, Füßen, dem Kopf und mit dem Mund. Einfach ein wunderschönes Bild.


Utnier Aquino, Stoliarov Family

Den Rang eines Hausartisten hat inzwischen Utnier Aquino inne. Ihn können wir seit vielen Jahren in den Programmen des Circus Probst erleben. Im ersten Teil sehen wir den vielseitigen Artisten aus Kuba am Schwungseil. Es wirkt locker und leicht, wenn er an seiner „Wolkenschaukel“ durch die Kuppel fliegt. Spätestens als er kopfüber in einer Schlaufe hängt, halten die Zuschauer aber den Atem an. Nach der Pause verzückt er insbesondere das weibliche Publikum mit Akrobatik am Pole. Beim Erklimmen des Masten lässt er ordentlich die Muskeln spielen. Bei den folgenden Tricks beweist er Kraft und eine beneidenswerte Körperbeherrschung. Auf der am Ende noch nach oben verlängerten Stange zeigt der Sonnyboy gar einen freihändigen Kopfstand. Mit der Stoliarov Family ist die Sparte Humor bestens besetzt. Vladimir, Irada und Sohn Denis überzeugen mit wirklich witzigen Ideen, einer hinreißenden Mimik und viel Spielfreude. Vater und Sohn spielen die lebende Marionette, geben Schwanensee mit quakenden Fröschen und lassen mit einem Zuschauer Hula Hoop-Reifen kreisen. Ihre Paradenummer aber ist die verpatzte Kür am Trapez. Zu den von Denis gespielten Saxophonklängen betritt Irada als elegante Artistin die Szenerie. Nach einem gelungenen Start hängt sie wenig später an der Longe. Ihre beiden Partner machen sich heldenhaft auf, sie zu retten. Damit nimmt das Chaos seinen Lauf. Bei den folgenden urkomischen Szenen bekommt eine Strickleier eine wichtige Rolle. Es ist ein herrlicher Spaß, der ohne das artistische Können der Akteure so nicht möglich wäre. Den ebenfalls im Programmheft angekündigten Segiu Mosanu als komischen Trampolin-Akrobaten Jim Bim erleben wir an diesem Nachmittag nicht.

Mit „Leidenschaft“ gibt die Familie von Reinhard und Brigitte Probst ein klares Bekenntnis zur Zukunft des Circus ab. Statt sich zurückzuziehen, gehen Probsts in die Offensive und verstärken ihr Programm sogar noch. Künstlerisch überzeugt die aktuelle Show auf ganzer Linie. Dies dank wunderbarer Artisten, hervorragender Clowns und einem wirklich einzigartigen Tierprogramm. Das Orchester und die stimmige Regie sind weitere Pluspunkte. Drücken wir dem Circus Probst ganz fest beide Daumen, dass die Tournee auch wirtschaftlich ein Erfolg wird.


________________________________________________________________________
Text und Fotos: Stefan Gierisch