So
gut wie alle sind neu für die hiesige Circusszene. Die Höhner bleiben
bei den Veränderungen nicht außen vor. Die Kölsche Band hat sich auf
zwei Positionen verjüngt. Micki Schläger und Wolf Simon sind auf Peter
Werner und Janus Fröhlich gefolgt. Es gibt also eine Menge zu entdecken
für die Besucher in Trier und Düren, wo das Programm in diesem Jahr
gezeigt wurde.
Zuschauereingang
Diese
Änderungen legen es natürlich nah, der Show ein neues Motto zu geben.
Dieses lautet jetzt „Funambola – Capriolen des Lebens!“. Dabei geht es
um die Erkenntnis, dass das Leben ein Drahtseilakt ist. Es geht um die
großen und kleinen Gegensätze, die unser Leben im Gleichgewicht halten,
so die Macher. Die Geschichte wird wiederum in erster Linie über die
Moderationen von Höhner-Frontmann Henning Krautmacher transportiert.
Regie hat Thomas Bruchhäuser geführt, für die Produktionsleitung ist
Thomas Merz verantwortlich. Wie gewohnt, sorgen Merz und Team auch
wieder dafür, dass bei den Vorstellungen alles reibungslos läuft – vom
Einlass bis zum Finale.
Jose Henry Caycedo, Oktay Novruzov, Novruzov Brothers
Funambola,
das heißt übersetzt Seiltanz oder Seiltänzerin. Folgerichtig beginnen
beide Programmteile mit Artistik auf dem Seil. Nachdem sich in einem
ausgelassenen Opening alle Mitwirkenden mit ersten Proben ihrer Kunst
vorgestellt haben, bewegt sich Jose Henry Caycedo
traumwandlerisch sicher auf dem Sprungseil. Die angeklebten Ohren, die
außergewöhnliche Schminke und die ausgefranste Hose lassen ihn wie ein
Fabelwesen erscheinen. So erleben wir ihn später in weiteren kleinen
Auftritten. Auf dem Seil glänzt der an der Fratellini-Academy
ausgebildete Kolumbianer vor allen Dingen mit atemberaubenden Sprüngen.
So etwa dem Rückwärtssalto. Nach der Pause begegnet uns Oktay Novruzov
als komischer Dirigent. Er übernimmt kurzerhand die musikalische
Leitung der Höhner, welche nun klassische Weisen spielen dürfen. Dabei
zieht es ihn auf das Schlappseil. Oktay sorgt damit für Heiterkeit,
beweist aber gleichzeitig einen ungeheuren Gleichgewichtssinn. Unter
anderem zeigt er einen Handstand auf dem Seil. Im ersten Teil erleben
wir ihn gemeinsam mit Bruder Telman. Formvollendet gekleidet in
Nadelstreifen und weißem Hemd zeigen sie Partner-Akrobatik mit einem
Augenzwinkern. Originell ist nicht nur der Auftrittsstil ihrer
eigentlichen Nummer, sondern zudem die Einleitung dazu. Gemeinsam mit
zwei Höhner-Sängern und weiteren Artisten tanzen sie als „Men in Blue“
zu einem Song über Handwerker. Passenderweise tragen sie dazu
Blaumänner. Die Choreografie ist überaus gelungen, erfrischend und
macht einfach Spaß.
Davide Zongoli, Potapov Group, Duo Unity
Als
„Man in Black“ produziert sich Davide Zongoli. Der junge Italiener ist
wirklich ein Bild von einem Mann. Insbesondere die Damen mit Publikum
dürften es rundum begrüßen, dass er seine Jacke nach wenigen
Augenblicken auszieht. Seine Disziplin ist die Artistik am Pole. Die
Besonderheit dabei ist, dass er seinen Masten an einem Seil aufhängt
und so daran hauptsächlich Luftakrobatik zeigt. In
unterschiedlichen Posen und mit verschiedenen Körperteilen gehalten,
erleben wir so neuartige Bilder. Diese bieten ebenfalls die Quick
Change-Illusionen der Potapov Group, hat doch der männliche Part Sergey
kein Problem damit, plötzlich in Frauenkleidern in der Manege zu
stehen. Ebenfalls innovativ ist, dass der Auftritt mit Gattin Mila ein
wirklich komplettes Aus- und wieder Ankleiden beinhaltet. Denn an einer
Stelle ihrer lebendigen und amüsanten Performance steht Sergey nur in
Windeln da. Wobei er seinen muskulösen Körper präsentiert, den wir
unter anderem im Winter 2009/10 im Pariser Cirque d'Hiver bewundern
konnten. Denn Sergey ist Chef des Equilibristik-Trios Aphelion. Auch
sonst lässt ihr Quick Change-Auftritt keine Wünsche offen. Sofort
verliebt habe ich mich in die Kür am Wheel Cyr des Duo Unity.
Wunderbare Artistik, blendend aussehende Akteure, eine fließende Kür –
zudem scheinen Lea und Francis frisch verleibt zu sein. So innig wie
die beiden miteinander flirten und sich ihre gegenseitige Zuneigung
zeigen, kann es gar nicht anders sein. Ihr Auftritt ist ein einziger
Rausch, ein nicht enden wollender Traum. Ich habe ihr inniges Spiel in
jedem Fall von der ersten bis zur letzten Sekunde genossen. Nicht
unterschätzt werden hinsichtlich der Gesamtwirkung darf hier wieder die
hinreißende musikalische Begleitung durch die Höhner.
Sol de Cuba, Potapov Group
Pure
Lebensfreude strahlen die kubanischen Artisten aus. Sie tragen die
Sonne nicht nur im Herzen, sondern auch im Namen. Sol de Cuba nennen
sich die neun Absolventen der Artistenschule von Havanna. Voller
Schwung erleben wir sie vor der Pause als Seilspringer. Sogar in der
Formation einer Sechs-Personen-Pyramide springen sie noch locker über
das rotierende Seil. Soviel Energie ist ansteckend. Da verwundert es
nicht, wenn sich Höhner-Mitglied Jens Streifling unter die Artisten
mischt und ein paar Runden mitspringt. Bei ihrer Akrobatik an der
Russischen Schaukel bleiben Sol de Cuba dann aber unter sich. Für die
gewagten Sprungkombinationen braucht es einfach Profis. Salti und
Schrauben werden auf einer dicken Matte gelandet. Oder aber auf einem
Sessel am oberen Ende einer Perchestange. Mit einer zweiten Darbietung ist
ebenfalls die Potapov Group vertreten. Statt wie bei den Quick
Change-Illusionen mit ihrem Ehemann arbeitet Mila an den Tüchern
gemeinsam mit beider Sohn Maxim. Sie präsentieren gemeinsam eine
wunderbare Kür in Weiß, die träumen lässt. Beide machen dabei eine
hervorragende Figur. Akrobatisch glänzt vor allen Dingen Maxim, der
seine Mutter nicht nur auf den Armen trägt.
Jordan McKnight, Crazy Flight, Bert & Fred
Das
US-amerikanische Girlie verkörpert Jordan McKnight. Kein Wunder, dass
die attraktive Blondine die Männer anzieht. Die Höhner jedenfalls
begleiten sie singend direkt hinter ihrem Tisch. Darauf verbiegt sie
ihren Körper so, wie es nur eine exzellente Kontorsionistin kann. Als
solche verdreht die in Las Vegas lebende McKnight eben nicht nur ihre
eigenen Gliedmaßen, sondern auch den Herren die Köpfe. Verschmitzt
lächelnd und sehr extrovertiert weiß sie ihre Kunst gewinnend zu
verkaufen. Choreographische Strenge kennzeichnet hingegen die
Performance von Crazy Flight. Das Quartett aus der Ukraine verknüpft
bekanntermaßen Equilibristik und Handvoltigen. Der Obermann und
Flieger trägt ein weißes Kostüm, die drei anderen Artisten graue. Dazu
singen die Höhner ein Lied über Zivilcourage. Nach vielen Jahren mit
Jigalov wird die Sparte Komik jetzt durch Bert und Fred vertreten. Fred
– die Kurzform von Frederique – hat das Sagen, Bert hat zu parieren.
Sie spielt gerne mit seinem Leben, und er fügt sich seinem Schicksal. So
lässt er es über sich ergehen, wenn ein Messer aus der Kuppel fällt, um
zwischen seinen Beinen aufzutreffen. Oder wenn Fred ihn von einem
Trapez aus mit kleinen Pfeilen bewirft. Fairerweise muss man dazusagen,
dass er dabei eine Dartscheibe auf dem Kopf tragen „darf“. Beide
spielen ihre Rollen herrlich, so dass ihre Intermezzi wirklich
wahnsinnig witzig sind. Akrobatisch hat das an der Akademie in Tilburg
ausgebildete Duo ebenfalls Einiges zu bieten, wie die beiden am
Washingtontrapez beweisen. Dort schaffen sie es sogar,
zusammenzuarbeiten.
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