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Circus Roncalli - Salto Vitale - Tour 2015
www.roncalli.de ; 125 Showfotos

Mainz, 4. Oktober 2015: Seit etwas über einem Jahr ist Circus Roncalli – Salto Vitale jetzt auf Tournee. Nach wie vor gastiert das renommierte Unternehmen so in Städten, in denen das Erstgeschäft noch nicht gespielt hat. Dafür haben sich die DEAG Deutsche Entertainment AG und Roncalli in einer Kooperation zusammengeschlossen. Während in der ersten Jahreshälfte Stationen in den neuen Bundesländern auf dem Tourplan standen, gastiert Roncalli II jetzt im Süden der Republik. Was die Optik angeht, nehmen sich beide Einheiten nicht viel. Sie bestechen durch ein herausgeputztes, nostalgisches Ambiente.

Das gilt für die Außenansicht ebenso wie für das Interieur. Insgesamt ist Salto Vitale aber eher auf ein schnelles Reisen auf der Straße ausgerichtet. Die Anzahl an nostalgischen Wagen ist deutlich geringer. Im Vorzelt erwartet uns eine Restauration im historischen Stil, im Chapiteau ein prächtiger, rot-goldener Artisteneingang. Und natürlich begrüßen uns beim Einlass Artisten mit Konfetti und Bonbons sowie Mitglieder des Orchesters mit Musik. Allerdings war das Empfangskomitee bei unserem Besuch nicht so stark besetzt wie gewohnt. Auch das Angebot in der Restauration wurde reduziert.


Finale

Im Programm erwartet uns ein wunderbar abgestimmtes „Best of“ aus vielen Roncalli-Tourneen. Es ist ein freudiges Wiedersehen mit langjährigen Lieblings-Nummern. Hinzu kommen „Bonus Tracks“. Sprich Darbietungen, die hier noch nicht zu sehen waren. Das Konzept der mit jedem Spielort wechselnden „Special Guests“ wurde aufgegeben. Das Programm bleibt jetzt in einer festen Besetzung. Das hat sicherlich seine Vorteile. So kann die Show noch flüssiger ablaufen, die Regie kann eine ideale Dramaturgie kreieren. Was wunderbar gelungen ist. Insbesondere die originellen Zwischenspiele sorgen für das gewisse Etwas, für das Roncalli so bekannt ist. Das Lichtdesign ist wirklich ausschweifend und schafft einen wahren Rausch an Farben. Die Atmosphäre im Chapiteau während der Vorstellung ist großartig, wenngleich sie nicht ganz die Perfektion des Erstgeschäfts erreicht. Hervorragend gefallen hat uns das große Orchester über der Gardine. Die Musiker aus dem Team von Georg Pommer spielen wunderbare Musik zum Geschehen in der Manege und sorgen für einen grandiosen Klang.


Gabor Vosteen, Les Rossyann, Sergej Maslennikov

Die bei Roncalli so wichtigen Clowns bilden den Roten Faden. Mit Yann Rossi erleben wir einen Weißclown, der hinsichtlich Eleganz aber auch ausgestrahlter Autorität heute Seinesgleichen sucht. Erinnerungen an den unvergessenen Francesco Caroli werden wach. Auf dem Saxophon spielend begrüßt er das Publikum, mit der Concertina verabschiedet er es. Gemeinsam mit Bruder Hector und dessen Sohn Pierre sehen wir ihn in Zwischenspielen sowie mit dem großen Musikal-Entree. Sergej Maslennikov ist der spitzbübische Spaßmacher, der für die größten Lacher sorgt. Im Gegensatz zum Tourstart hat er jetzt auch neue, hinreißende Stücke dabei. Herausgreifen möchte ich die Szene, bei der er einen riesigen Turm aus Bananenkartons durch den Zuschauereingang hereinbringt. Unter der Last schier zusammengebrochen, landet er letztendlich in der Manege, wo er den Anblick der Ballettdamen im Bananen-Röckchen genießen darf. Josephine Baker lässt grüßen. Hinzu gesellt sich Gabor Vosteen. Er trägt einen kurzen Rock aus Blockflöten. Dieses mutige Outfit passt natürlich perfekt zu seinen beiden eigentlichen Nummern. In der ersten erweist er sich als Blockflötenvirtuose, der bis zu fünf dieser Instrumente gleichzeitig spielt. Zur Not auch mit der Nase. In der zweiten holt er sich zwei Gäste aus dem Publikum als Hilfsmusiker.


Gabor Vosteen und Ballett

Diese Bananen-Szene ist eines jener Bilder, die das gewisse Etwas ausmachen. Den Roncalli-Effekt. Die von den Akteuren selbst entwickelte Idee ist köstlich und wird klasse umgesetzt. Das Orchester spielt den Banana Boat Song, das Lichtdesign taucht die Szenerie in ein warmes Gelb. Alle Akteure tragen originelle Kostüme, und das Ballett tanzt hinreißend. Das Quartett ist auch am Ende des ersten Teils aktiv, wenn die fidele Küchenbrigade – angeführt von Sergej Maslennikov – die Pause „einläutet“. Ein großes, prächtiges Bild gibt natürlich das Finale, welches der bekannten Roncalli-Dramaturgie folgt. Die Artisten erscheinen mit Luftballons, aus der Kuppel regnet es glitzernde Schnipsel. Zum Feuerwerk und der Musik von „Auf der schönen blauen Donau“ tanzen die Artisten mit Zuschauern Wiener Walzer. Es gibt Zugaben.


Tiziana Vulcanelli, Familie Saabel, Jimmy Saylon

Ein neues Schaubild hat die Familie Saabel mit ihren Pferden kreiert. Diente bislang Spanien als Thema, ist es jetzt Riverdance. Tiziana (Vulcanelli) und und ihre Töchter Alexandra sowie Kelly (Saabel) reiten zunächst auf weißen Arabern, dann auf Friesen Elemente der Hohen Schule. Tiziana startet mit einer Einzelfreiheit im Nebel. Das Ballett steigert die Wirkung enorm. Bei ihren Tänzen setzen die Akteurinnen Tücher verschiedener Größen ein. Die treibende Musik, edle Kostüme und die herrliche Beleuchtung machen den Genuss perfekt. In dieser Form bekannt ist die Präsentation der Hundenummer. Hier entführen uns die Saabels in eine Eislandschaft. Komplett neu wiederum sind die Großillusionen von Jimmy Saylon. Unter dem Titel „Time Machine“ geht es zurück ins viktorianische Zeitalter. Die aufwendigen Zaubereien bekommen so einen ganz besonderen Charme. Gleich zu Beginn kommt der Magier auf einem nostalgischen Fahrrad in die mit Nebelschwaden gefüllte Manege. Alles wirkt sehr geheimnisvoll. Immer wieder lässt der Zauberer seine zahlreichen Assistentinnen und sich selbst in Kisten verschwinden. Zwischendurch ist Platz für kleine Kabinettstückchen wie den Schneesturm aus weißen Papierschnipseln. Da Jimmy Saylon mit Alexandra Saabel liiert ist, hat sie die zugehörigen fantastischen Kostüme kreiert. Auch die Garderobe bei den Tiernummern wurde von ihr erdacht. Gemeinsam mit Schwester Kelly erleben wir Alexandra Saabel in einer Duo-Equilibristik. Dabei machen die beiden jungen Damen nicht nur eine glänzende Figur, sondern überzeugen mit artistischem Können und wiederum tollem Verkauf.


Duo Minasov, Andrej Ivakhnenko, Andrey Romanovski

Bleiben die Roncalli-Klassiker. Das Duo Minasov bildet die Schlussnummer. Ihre Quick Change-Kostümillusionen sind in Sachen Geschwindigkeit kaum zu übertreffen. Dazu kommt der lebhafte, tänzerische Verkauf dieses sympathischen Ehepaars. Victor zeigt außerdem seine Künste mit sowie in einem riesigen weißen Luftballon. Die letzte Darbietung vor der Pause gehört Andrej Ivakhnenko. Seine Kunststücke auf dem Schlappseil sind vom Feinsten, sein Auftrittsstil als roter Stachelmann zu „Panda-Gesängen“ polarisiert nach wie vor. Andrey Romanovski machte vor elf Jahren das erste Mal hierzulande von sich reden. Damals war der hochgewachsene junge Mann mit dem gelenkigen Körper Teilnehmer beim European Youth Circus auf der anderen Rheinseite in Wiesbaden. Origineller Höhepunkt seiner Klischnigg-Nummer ist die Rutschpartie durch ein langes Ofenrohr.  Flotte Sprünge von zwei Schleuderbrettern mit einem Augenzwinkern präsentiert, dafür steht das Trio Csaszar aus Ungarn. Am Ende ist man überrascht, welche Mitglieder des Trios alle durch die Luft fliegen. Last not least bringen Giuseppe und Emanuel Curatola italienisches Temperament unter das Roncalli-Chapiteau. Ihre kraftvolle Hand-auf-Hand-Arbeit ist immer wieder sehenswert. Verletzungsbedingt nicht dabei sind aktuell die Sorellas. Zudem steht Konstantin Mouraviev mit seiner originellen Kür am Rhönrad quasi in den Startlöchern, um das Programm zu verstärken.

Circus Roncalli – Salto Vitale überzeugt vor allem durch seine wunderbaren Artisten und die originellen Zwischenspiele. Das fantastische Orchester sowie das wunderbare Lichtdesign sorgen für einen traumhaften Gesamteindruck. Die bis ins letzte ausgefeilte Perfektion des Erstgeschäfts wird nicht ganz erreicht. Aber das ist nicht weiter tragisch. Denn Salto Vitale macht allergrößten Spaß - und glücklich. Hoffen wir, dass wir Salto Vitale noch lange genießen dürfen. Hier ist eine kreative Truppe am Start, die mit herrlichen Ideen begeistert.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch