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Circus Carelli - Tour 2015
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Tauberbischofsheim, 2. Mai 2015: Viel ist geschehen, seitdem der Circus Barelli vor vier Jahren  seinen Betrieb eingestellt hat. Die Familie Spindler hatte den Circus zu einem der größten in Deutschland gemacht. Ein Engagement der Spindlers im Landauer Weihnachtscircus im Winter 2013/14 führte letztlich zu einer überraschenden Kooperation: Seit der Saison 2014 zeichnet der Direktor des Weihnachtscircus, Jakel Bossert, für seinen eigenen Tourneebetrieb verantwortlich, der größtenteils mit dem Material und den Darbietungen der Familie Spindler bestritten wird.

Im Jahr 2014 noch als „Das Große Circus-Festival“ tituliert, wird seit dieser Saison als „Circus Carelli“ gereist. Nach dem Start in Pirmasens, wo der Veranstaltungsservice von Carelli-Chef Bossert seinen Sitz hat, war die nächste Station Kaiserslautern. Dann folgte nach einem gewaltigen 200-Kilometer-Sprung die Kreisstadt Tauberbischofsheim im Norden Baden-Württembergs, ehe es mit einem noch größeren Satz nach Straubing in Bayern ging.


Chapiteau, Zugmaschinen

In Tauberbischofsheim spielte Carelli auf einem privaten Wiesengelände, das hier seit vielen Jahren regelmäßig als Circusplatz genutzt wird. Die Sattelauflieger präsentieren sich fast ausnahmslos neu lackiert und mit „Carelli“-Schriftzug versehen. Auch die Zugmaschinen tragen nun diesen Namen über dem jeweiligen Führerhaus. Ein Wagen in der Front erinnert mit einem großformatigen Foto und einer Widmung der Familie an die im November 2014 viel zu früh verstorbene Circusdirektorin Rolina Spindler-Barelli. Gespielt wird in einem klassischen Sturmstangen-Chapiteau in Rot, Weiß und Blau mit passendem Vorzelt. Der Prunk des legendären „Barelli-Palastes“ bleibt natürlich weit entfernt. Doch auch hier wird sichtlich alles unternommen, um ein möglichst gepflegtes Ambiente zu bieten. Unter anderem mit ansprechend gestalteter Restauration, Verbindungstunnel zwischen Vorzelt und Chapiteau, Lichterketten und geschmackvollem Artisteneingang in blauem Samt.


John Henry und Franz Spindler

Clown Timmy Barelli eröffnet die Vorstellung mit seinem Glockenspiel, ehe John Henry Spindler das hochverehrte Publikum begrüßt. Eine schwungvolle Freiheitsdressur mit vier Kamelen lässt gleich Stimmung unterm Carelli-Chapiteau aufkommen. Franz Spindler führt diese vor. Seine Schwester Ramona ist anschließend in einer klassischen Vertikalseilnummer zu erleben. In vollem Tempo lässt sie sich ausdrehen. John Hendry Spindler bringt den Friesenhengst Zorro in die Manege. Schulschritte ohne Zaumzeug und Zügel, Steiger und das Durchdrücken des Kopfes zwischen den Vorderbeinen lassen das Publikum staunen.


Ashley, Francesco jun., Timmy Barelli 

Ein Orchester gibt es zwar aktuell nicht, doch Orgelspieler und Schlagzeuger akzentuieren die Musik vom Band. Zudem ist die Auswahl mit vielen fetzigen und mitreißenden Stücken überaus gelungen, so dass die musikalische Begleitung – wie es stets auch im Circus Barelli war – einen ganz wichtigen Teil zur gelungenen Vorstellung beiträgt. Und so klatscht das Publikum auf den sehr gut besetzten Rängen begeistert mit, wenn John Henry Spindlers Enkeltochter Ashley die Hula Hoop-Reifen zu „Danza Kuduro“ kreisen lässt. Und nicht zuletzt ist es auch ganz erstaunlich, mit welcher Verve sich die Zehnjährige dem Publikum präsentiert. Danach gehört die Manege dem „Superhund Balu“ und seinem Vorführer Franz Spindler. Für den Fall, dass es hier mit dem Reifenspringen mal nicht klappen sollte, wird gleich anschließend die „Zweitbesetzung“ vorgestellt: Der kleine Francesco bugsiert Plüschhund „Balu II“ durch einen Metallreif. Mit der „Eintrittskarte“ – im bewährten Zusammenspiel mit Vater und Bruder – und seiner viel beklatschten Regenschirm-Jonglage zeigt Clown Timmy Barelli in der ersten Programmhälfte zwei echte Klassiker seines Repertoires. Gemeinsam mit dem etwas störrischen Esel Manolito sorgt er auch für die Pausennummer. Das Tier trinkt aus der Flasche und richtet sich auf, indem es die Vorderbeine auf Timmys Schultern legt. Nicht fehlen darf natürlich die Mutter aller Tierschauansagen. John Henry Spindler hat nichts von seinem Rhetoriktalent verloren und fordert nicht nur zum Tierschaubesuch auf. Vielmehr machte er deutlich, dass jeder Zuschauer dazu beitragen kann, dass es weiter Circus in Deutschland gibt. „Gehen Sie in jeden Circus, und wenn er noch so klein ist“, lautet sein Appell.


Dmitry Azarov, Timmy Barelli, Salima Folco 

Nach der unterhaltsamen ersten Hälfte folgt ein deutlich stärkerer zweiter Teil. Eröffnet wird dieser mit der eleganten Handstandartistik von Dmitry Azarov. Im vergangenen Winter war er noch bei „Dinner for Fun“ zu sehen. Timmy Barelli begeistert – gemeinsam mit seinem Bruder Franz als seriösem Part – wieder einmal mit seiner Version von „Musizieren ist hier verboten“. Nachdem er Trompete und Saxofon abgeben muss und ihm letztlich keine Instrumente mehr zur Verfügung stehen, singt er einfach ein gekonntes „O Sole Mio“. Natürlich dürfen auch zahlreiche Wortspiele und sonstige Gags nicht fehlen. Neu für uns war Timmys Feuershow. Mit irrem Lachen zündet er immer größere werdende Feuerwerkskracher in seiner Hand. Nicht ohne Appell an die Kinder: „Nicht zu Hause nachmachen – nur in der Schule!“. Nicht nachmachen sollten die Kids wohl auch den zweiten Teil der Nummer. Hier zieht sich Timmy einen Gummihandschuh über den Kopf und bläst ihn bis zum Platzen auf. Formidabel ist die doppelte Hohe Schule, die gemeinsam und im Wechsel von den beiden Schwägerinnen Salima Folco und Ramona Spindler zu spanischer Musik geritten wird.


Franz Spindler, Kevin Stipka 

Mit zwei echten Highlights geht das Programm seinem Höhepunkt entgegen. Franz Spindler präsentiert eine exzellente Freiheitsdressur mit sechs weißen Arabern, vielen anspruchsvollen Lauffiguren und abwechslungsreichen Steigern. Der jugendliche Kevin Stipka lässt einen Tennisschläger auf zwei Devilsticks tanzen und begeistert mit der Jonglage von bis zu fünf Tennisschlägern. Seine frische, jugendliche Ausstrahlung und hohe Manegenpräsenz machen die Darbietung vollends zum Vergnügen. Darauf folgt das ausgiebig zelebrierte Finale.

Noch immer verstehen die Spindlers es vortrefflich, ihr Publikum zu begeistern und mitzureißen. Dies gelingt hier, nunmehr unter der Direktion von Jakel Bossert, auch ohne „Barelli-Palast“, Orchester und großes Ensemble. Vielmehr sind es Können, Spielfreude und hinter rauem Charme verborgene Leidenschaft, die für tolle Stimmung unterm Chapiteau sorgen – und einige Tauberbischofsheimer im Stehen applaudieren lassen.

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Text und Fotos: Markus Moll