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Cirkus Jo-Joo - Tour 2014
www.narodnicirkus.cz ; 97 Showfotos

Brno, 11. Oktober 2014: Ein buntes Pop-Märchen unterm Circuszelt hat der Cirkus Jo-Joo mit seiner Produktion „Alice im Circus“ geschaffen. „Alice im Wunderland“, eines der beliebtesten und am häufigsten verfilmten Kinderbücher aller Zeiten, liefert die Vorlage. Herausgekommen ist eine ideenreich und aufwendig in Szene gesetzte, bilderpralle Schau voller Saft und Kraft. Wir besuchten den „První Český Národní Cirkus“ – den „Ersten Tschechischen National-Circus“ – am letzten Wochenende eines mehrwöchigen und äußerst erfolgreichen Gastspiels in Brno, der zweitgrößten Stadt Tschechiens.

Das Zelt füllt sich in der besuchten Vorstellung bis auf den sprichwörtlichen letzten Platz. Drei Reihen gepolsterte Logenstühle und dahinter sieben Reihen einfache Holzbänke umschließen die Manege. Links und rechts des Kassen- und Fassadenwagens in Form eines Tigerkopfes ist eine Art Kirmes mit mehreren Fahrgeschäften aufgebaut. Besonders nach der Vorstellung finden die Karussells regen Zulauf. Im Vorzelt sind neben dem Restaurationswagen noch diverse weitere Verkaufsstände aufgebaut; Fotos aus der Show sowie Tische mit Decken, Lämpchen und gepolsterten Bänke laden hier zum Verweilen ein.


Front mit "Kirmes", Jaromír Joo 

Wie in der Romanvorlage beginnt auch die Circusshow damit, dass „Alice“ (Marela Joo jun.) von ihrer Schwester aus einem Buch vorgelesen bekommt und dann ein weißes Kaninchen entdeckt. Diesem folgt sie ins „Wunderland“, das sich nun in der Manege entfaltet. Auch die "Grinsekatze" darf nicht fehlen. Das bunte Charivari geht gleich in eine der beiden Raubtiernummern des Programms über. Und diese ist eine ganz besondere Rarität. An der Longe – ohne Zentralkäfig – werden von Direktor Jaromír Joo und einem Assistenten zwei Pumas vorgeführt. Der Direktor, hier in Gestalt des Herzkönigs, legt sich einen der Pumas über die Schultern und lässt sich dann vom zweiten Tier überspringen. Spektakulärer Abschluss der Nummer ist der Sprung eines Pumas über sechs am Boden kniende Ensemblemitglieder.


Ba und Daniel Joo, Patrik Joo, Khaliuka Narankhuu 

Als „Rocker“ präsentieren sich die Jo-Joo-Junioren Ba und Daniel an den Strapaten. Sie gelangten in der tschechischen Variante der Supertalent-Show bis ins Halbfinale. Einzel- und Partnertricks, Genickhang und Zahnhang gehören zum Repertoire. Jaromir jr., eigentlich der Dritte im Bunde, muss wegen einer Knieverletzung pausieren. Zurück zur Alice-Handlung geht es mit Juniorchef Patrik Joo. Als „Hutmacher“ dirigiert er sechs Ponys – alle Hütchen tragend – sicher und routiniert durch vielfältige Lauffiguren. Ein wippendes Pony und ein Steiger bilden den Abschluss. Als „schwarzer Schwan“ arbeitet die asiatische Kontorsionistin Khaliuka Narankhuu. In Passagen auf einem Arm und schließlich dem Mundstand gipfelt ihre Kunst. Vier Figurantinnen als „weiße Schwäne“ umringen sie.


Ba Joo,  Jaromír Joo, Josef Kaŝĉák

Nach einem Auftritt von Jindrich Joo als „Human Slinky“ wird der erste Programmteil mit einer großen Orientalshow – mit Riesenschlangen, Feuerspucken und Tänzerinnen - beschlossen. Dann geht es in die erste von zwei Pausen, die große Teile des Publikums für einen Zoobesuch nutzen. Die Attraktion in der Tierschau: Direktor Jaromír Joo sprüht sich Sahne ins Gesicht, die einer seiner Tiger ihm von den Wangen leckt. Das zweite Drittel der Show beginnt in der besuchten Vorstellung mit einer echten Premiere: Der jugendliche Ba Joo tritt erstmals mit einer neu einstudierten Darbietung auf der Slackline auf. Der Sprung über eine Reitgerte und eine Feuerbarriere sowie der Rückwärtssalto, bei dem er vor dem Absprung einen Reifen hochwirft und nach dem Salto wieder fängt, gehören bereits jetzt zum Repertoire. Mit dieser Darbietung wäre der ehrgeizige junge Artist, wie Jongleuse Kelly Joo im Jahr 2008, ein interessanter Kandidat für den nächsten European Youth Circus in Wiesbaden 2016. Das Publikum geht hier begeistert mit, und so steigert sich die Stimmung immer weiter.

 
Marcela Joo jun. uns Robert Mukensnabel, Petr Smaha, Dana Joo 

Richtig gut kommt auch die Quickchange-Nummer von Marcela Joo jun. und ihrem Verlobten Robert Mukensnabel an. Viele Jahre lang war das tschechische Jonglage-Trio „Vinicki-Smaha“ erfolgreich in zahlreichen Manegen unterwegs. Nun sehen wir den männlichen Akteur Petr Smaha erstmals solo. Mit viel Freude und Ausstrahlung jongliert er mit Keulen. Großartig, wie er zum Abschluss fünf Keulen ausdauernd mit Händen und Füßen in der Luft hält. Die Alice-Geschichte wird bei der quirligen Dalmatiner-Dressur von Dana Joo wieder aufgenommen. Hier ist die Tierlehrerin die Herzkönigin und ihre Assistenten bzw. die Figuranten im Hintergrund die weiteren Spielkarten. Selbstredend zieren auch die Postamente Spielkarten-Motive. Zum Abschluss sausen die Hunde eine Rutschbahn hinunter. Für ein weiteres Highlight sorgt der – ebenfalls tschechische – Rola Rola-Artist Paolo Kaiser, u.a. von seinen Engagement beim Zirkus Charles Knie auch in Deutschland bestens bekannt ist. Dieser großartige zweite Programmblock wird nun mit einer hauseigenen Ensemble-Nummer beschlossen, mit der sich die Stimmung zum Höhepunkt steigert: Acht "Zwerge" zeigen ein fröhliches und varianten- wie trickreiches Seilspringen. Schon die jüngsten Mitglieder der Familie Joo kommen bei diesem bunten Spektakel zu ihrem Manegenauftritt.


Josef Kaŝĉák und Robert Mukensnabel, Jaromír Joo, Dana Joo

In der zweiten Pause wird der Zentralkäfig errichtet, in dem Direktor Jaromír Joo fünf Tiger präsentiert. Pyramide, Reifensprung, Balkenlauf, zweifacher Hochsitzer und Kontaktricks wie der Tigerkuss und die Gabe einer Milchflasche gehören zum gezeigten Repertoire. Schlussnummer ist eine schöne Kombination aus Artistik und Tierdressur: Dana und Jindrich Joo zeigen nicht nur ihr Können an den Strapaten, sondern tragen bei ihren Flügen unterm Zeltdach auch Papageien mit sich. Auch ein Freiflug der Vögel durchs Chapiteau wird präsentiert. Die Show läuft insgesamt flott und ohne Ansagen ab. Umbauten werden unter anderem von dem hauseigenen Clownsduo überbrückt, Josef Kaŝĉák als „Orientale“ und Robert Mukensnabel als überdrehte Frau mit lockiger Haarpracht. Mit Reprisen im ursprünglichen Sinne des Wortes nehmen sie einige Male das Thema der vorherigen Darbietung auf, zum Beispiel bei ihrer Version des „Quickchange“ oder dem „Schwanentanz“. „Ganz in weiß“ gestaltet ist dann das Finale. Tänzerinnen mit prachtvollem Kopfschmuck kommen die beiden Showtreppen links uns rechts herunter, aus der Kuppel regnet es Luftballons und Seifenblasen, das Ensemble nimmt in weißen Kostümen den begeisterten Schlussapplaus entgegen. Wer hier völlig zu Recht zu Standing Ovations aufspringen will, der muss sich leider beeilen, denn das Finale ist zwar schön, aber zu kurz.

 In Szene gesetzt wurde die wunderbare Circusshow von der Familie Joo selbst – Patrik Joo führte Regie, Dana und Marcela jun. Joo sorgten für die Choreographie und die fantasievollen Kostüme, Patrick Joo jun. für Licht und Sound. Also ein Familiencircus im allerbesten Sinne – mit einigen ausgewählten Gastartisten -, der seinem Anspruch als „Erster Tschechischer National-Circus“ vollauf gerecht wird.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber