Da
braucht es keinen vergleichsweise teuren Standort, der gute
Sichtbarkeit garantiert, wie Pressesprecher Mathjis te Kiefte erklärt.
Auch auf Werbung kann verzichtet werden. Der Absatz der Tickets liegt
in der Verantwortung des Partners. So wird der Circus Herman Renz einen
guten Teil seiner Tournee 2014 bestreiten. In einer Stadt wird auf
eigene Rechnung gespielt, in der nächsten sind die Shows verkauft. Das
unternehmerische Risiko wird somit deutlich gemindert. Nicht die
schlechteste Strategie in einer Zeit, in denen das Publikum insgesamt
nicht mehr in Massen in die Chapiteaus strömt.
Chapiteau
Der
ganze Stolz des Niederländischen Nationalcircus ist das neue Spielzelt,
welches zu Beginn der Tournee in Betrieb genommen wurde. Es ist in den
Hausfarben Rot-Blau gehalten und hat eine spitze, achteckige Kuppel.
Gefertigt wurde es in Italien von Scola Teloni. Der Durchmesser ist
geringer als beim Vorgänger, was im Inneren für eine kompaktere
Atmosphäre sorgen soll. Das zugehörige Gradin besteht aus sieben Reihen
mit blauen Schalensitzen. Rund um die ebenfalls neue, beleuchtete Piste
stehen zudem zwei Stuhlreihen in den Logen. Interessant ist der
seitlich platzierte, ebenerdige Haupteingang. Diese ungewöhnliche
Anordnung hat einen plausiblen Grund: So werden die besten Plätze mit
frontalem Blick auf das Geschehen nicht verschenkt, erläutert te Kiefte.
Finale
Und
dieses Geschehen, sprich die Produktion 2014, steht unter dem Titel
„Miracles“. Es geht darin um die unzähligen Wunder, die der Circus wahr
werden lässt. Viel Konfetti ist im Einsatz, um diese Magie zu
transportieren. Vom Opening bis zum Finale wird die Rahmenhandlung
mitgeführt, ohne dass sie die Aufführung dominiert. So kennen wir das
vom Circus Herman Renz. Es macht auch das besondere Flair dieses
Unternehmens aus. Für die Entwicklung und die Umsetzung ist ebenfalls
Mathijs te Kiefte verantwortlich. Seine „Winterbeschäftigung“, wie er
es nennt. Gemeinsam mit seinem Bruder hat er sich um Musik, Kostüme,
Licht, Abläufe und die Gesamtidee gekümmert. Für die hervorragende
musikalische Begleitung sorgt einmal mehr das Orchester unter der
Leitung von Robert Rzeznik. Die umfangreiche Lichtanlage wird wiederum
sehr professionell eingesetzt. Auffällig ist zudem die große Anzahl
neuer Kostüme. Für die Ballettszenen gibt es neue Kleider, und auch bei Opening sowie Finale tragen alle Mitwirkenden aufeinander abgestimmte
Kostüme. Wunderbar! Dankenswerterweise begleitet uns wieder ein
Sprechstallmeister durch die Show. Nachdem lange Zeit Robert Ronday den
Monsieur Loyal gegeben hat, wird dieser Part jetzt von Mathijs te
Kiefte übernommen. Im gelb-lila gehaltenen Frack wirkt der hoch
aufgeschossene Mann wie ein Ringmaster bei Ringling. Allerdings sind
seine Einsätze deutlich dezenter. Seine Ansagen sind recht knapp, das
sympathische Auftreten dürfte für meinen Geschmack noch etwas an
Präsenz zulegen.
Gabriella Mihalyi, Pascalino, Michel Jarz
Im
Opening geben die Akteure Kostproben ihres Könnens. Dabei wird der
gesamte Raum bestens genutzt. Die einzelnen Artisten erscheinen im
Sägemehl, in der Luft, auf der Piste und im Zuschauerraum. Immer wenn
der Spot sie erfasst, präsentieren sie sich, begleitet von einem
Konfettiregen. Während des Auftakts ist das Drahtseil bereits gespannt.
Für die erste Nummer wird Gabriella Mihalyi darauf im roten
Kleid und mit reicht verziertem Fächer als Hilfe zur Tänzerin. Zum
Schluss balanciert sie auf einem massiven Holzstuhl sitzend. Nachdem
Frenky (Jan Plug) und Milko jahrelang ein eingeschworenes Team
bildeten,
hat das Direktionsmitglied jetzt einen neuen Clownspartner gefunden.
Jan Plug hat das Unternehmen verlassen, um für den Veranstalter der
Weihnachtscircusse in Utrecht und Amsterdam zu arbeiten. Gefolgt ist
ihm Pascal de Boer, kurz Pascalino. Diesen konnte man davor unter
anderem beim ebenfalls in den Niederlanden reisenden Circus Renz
International sehen. Zunächst führt er sechs Laufenten vor. Dann kommt
Michel Jarz mit sechs gefleckten Tinkerpferden, nach denen wiederum
sechs Ponies in die Manege stürmen. Alle Vierbeiner stammen vom
schwedischen Cirkus Olympia. Natürlich bewegen sich die vergleichsweise
robusten Pferde nicht so elegant wie etwa Araber, trotzdem beherrschen
sie ein interessantes Trickrepertoire. Und sie sind eben mal „was
anderes“.
Yuri Caveagna, Lester Sisters, Trio Bokafi
Vier
in Schwarz gekleidete Artistinnen bilden den Ballett-Auftakt zu Yuri
Caveagnas Rola-Rola-Darbietung. Dabei stapelt er sowohl Bretter als
auch Rollen. Auf acht Brettern übereinander, die auf einer
Rolle liegen, hält er sich genauso im Gleichgewicht wie auf einem Turm
aus acht Rollen. Nachdem Pasacalino mit zwei Zuschauern Motorrad
gefahren ist, lassen die Lester Sisters Tücher und Bälle tanzen. Sie
nutzen dafür ihre Füße, womit wir bei der Disziplin der Antipodenspiele
angekommen sind. Beim originellen Schlusstrick balanciert eine der
dunkelhaarigen Schwestern die andere auf den Füßen, während sie auf den
noch freien Extremitäten Tücher rotieren lassen. Mathijs te Kiefte hat
sodann die undankbare Aufgabe, Milko zu erklären, dass das Musizieren
hier verboten ist. Letztendlich zerstört er Milkos Spieluhr und lässt
sie in einem Mülleimer verschwinden. Was passiert, als Milko dessen
Deckel öffnet, ist bekannt. Mit einem neuen Fänger ist das inzwischen
rein männliche Trio Bokafi am Start. Auch ihre Artistik am
Schleuderbrett sowie die Handvoltigen haben sich weiterentwickelt. So
wird jetzt einer der Sprünge in einem auf einer Perchestange
angebrachten Stuhl gelandet. Höhepunkt ist der Dreifache. Traten die
Bokafi in Hose und Sakko auf, erscheinen Milko und Pascalino in typisch
osteuropäischem Schleuderbrett-Outfit. Wenig Artistik ist bei den
beiden im Spiel, dafür umso mehr Folklore und Spaß. Am Ende steht Milko
ohne Oberteil da. Die Lage darunter verkündet die nun folgende Pause.
Duo Chanty, Pascalino und Milko, Suellen Sforzi
Riskante
Stunts mit Messern und Armbrüsten präsentiert das Duo Chanty. Yuri
Caveagna beweist darin, dass er nicht nur einen ausgeprägten
Gleichgewichtssinn hat, sondern ebenfalls über eine hohe Zielsicherheit
verfügt. Wagemutige Partnerin ist seine Ehefrau Veronica Fusco. Sie
hält mit dem Mund einen Luftballon, den Yuri per Pfeil zerschießt. Oder
sie steht am sich drehenden Messerbrett, während rechts und links von
ihr die Messer einschlagen. Was diese wunderbaren Artisten können,
beherrschen Milko und Pascalino natürlich schon längst. Die beiden
Cowboys ziehen es allerdings vor, einen Herrn aus dem Publikum ans
Messerbrett zu stellen. Da diesem die Augen verbunden werden, landen
die Messer sicher im Ziel, auch wenn Milko vielleicht nicht ganz so
zielsicher ist. Die Tänzerinnen in bunten Kleidern leiten über zu
Suellen Sforzi, die von zwei Artisten auf Händen getragen wird. Die
Italienerin ist eine der prominentesten Vertreterinnen der Sparte
„Kontorsion“. Mit gewinnendem Lächeln verbiegt sie ihren Körper in die
unglaublichsten Richtungen. Das Aufsetzen von Brille und Hut
mit den Füßen fehlt dabei ebenso wenig wie der Schuss mit
einem Bogen auf einen Luftballon.
Dan Laurentiu, Almost Brothers, Duo Exxtrem
Nachdem
Milko und Pascalino einen aufgeblasenen Gummihandschuh „gemolken“ haben,
entführt uns das Ballett nach Südamerika. Dort sind die Papageien zu
Hause, die Dan Laurentiu mitbringt. Sechs große Aras und viele kleinere
gelbe Papageien geben ein herrliches Bild ab. Außerdem beherrschen sie
ein exzellentes Trickrepertoire. Auf Requisiten wie Plastikautos oder
Roller wird verzichtet. Stattdessen erleben wir die Vögel etwa in
wunderschönen Flugsequenzen. Es wird dabei schnell klar, dass Laurentiu
offensichtlich ein Schüler von Alessio (Fochesato) ist. Seine
Darbietung gleicht jener, die wir 2013 bei Knie sehen konnten.
Eingerahmt von clownesken Einlagen wirbeln die Almost Brothers über den
Manegenteppich. In Hemd, Weste und Fliege verlegen zwei Mitglieder der
Bokafi das Geschehen nach New York. Rasant geht es zu bei dieser
Partnerakrobatik, die sie immer mit einem Augenzwinkern sowie
tänzerischem Können präsentieren. Sozusagen noch Trockenübungen zeigt
derzeit das Duo Exxtrem an den Strapaten. Bei der Saisonpremiere verlor
ihr von Flic Flac bekanntes Bassin so viel Wasser, dass es gerade
einer umfangreichen Reparatur unterzogen wird. So erleben wir Julia
Pleno und Mehmed Mehmedov aktuell in knappen Outifts nur in der Luft,
nicht aber im Wasser. Nichtsdestotrotz bilden sie auch so eine sehr
attraktive Schlussnummer.
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