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Horror Circus - Tour 2014
www.horror-circus.de ; 55 Showfotos

Frankfurt am Main, 7. Mai 2014: Antipodenspiele mit einem Holztisch, der geradewegs aus dem Wohnzimmer zu kommen scheint – dafür steht Eliane Baraton. Doch wer ist die Dame, die hier im schwarzen Outfit, mit weiß geschminktem Gesicht und gefärbten Haaren auf der Rundbühne agiert? Erst der Blick in die Pressemappe bringt Gewissheit. Es handelt sich tatsächlich um die bekannte französische Artistin. Damit sind wir beim Grundprinzip des Horror Circus: „Richtige“ Circusnummern werden mithilfe von Kostümen, Schminke, Musik (wie Rammstein) und Licht in die Welt des Gruselns übertragen.

Dazu gibt es eine recht aufwendige Dekoration, eine kleine Rahmenhandlung, einen Freak sowie das für den Circus neue Genre des „Erschreckers“. Menschen also, denen es Spaß macht, sich furchterregend zu verkleiden und Zeitgenossen einen Schauder über den Rücken zu jagen. Mit diesem Konzept ist das Unternehmen von Dana Fischer schon seit einigen Jahren auf Tournee. Sie war die erste, die damit in Deutschland dauerhaft reiste. Worms, Kaiserslautern und Hanau waren die ersten Stationen 2014, bevor es nach Frankfurt am Main ging. Dort steht das weiß-cremefarbene Chapiteau in der für Circusgastspiele selten genutzten Gebrüder-Hommel-Anlage. Die mit schwarzen Planen überzogenen hohen Gitterzäune bilden das Labyrinth, durch das sich der Besucher den Weg in das Vorzelt bahnen muss. Im schaurig-düster dekorierten Ambiente gibt es die letzten Stärkungen vor einer Show für Menschen, die recht schmerzfrei sind. Zumindest wenn es um das Betrachten von eher unappetitlichen Szenen geht. So wird vor dem Opening der gruseligen Gestalten ein kleines Mädchen von einem Horror-Clown mitgenommen. Zur Pause erscheint sie dann erneut. Das weiße Kleid ist blutverschmiert, in der einen Hand hält sie ein Messer, in der anderen den Kopf des Clowns.


Cesar Pindo, Ghostriders, Andrea Vegh

Im artistischen Bereich setzt das Programm einige Ausrufezeichen. So etwa Cesar Pindo, der als Klischnigger die Pausennummer bildet. Mit vergleichsweise dezenter Schminke kommt sein Auftritt jenem recht nahe, den wir etwa beim letzten Offenburger Weihnachtscircus erleben konnten. Seine unglaublichen Verrenkungen führen den jungen Mann aus Ecuador mit Irokesenschnitt letztendlich in einen gläsernen Würfel. Passgenau faltet er seinen Körper hinein, bis auch der Deckel geschlossen werden kann. Unter anderem von Flic Flac bekannte Fahrer jagen als Ghostrider durch die Stahlgitter-Kugel, welche während der gesamten Show den Hintergrund bildet. Insgesamt zu dritt fahren sie kreuz und quer durch den „Globe of Death“. Eine Zuschauerin darf den Nervenkitzel gar hautnah in der Kugel erleben. Eine außergewöhnlich starke Kür am Vertikalseil präsentiert Andrea Vegh. Laut Presseinfo ist sie bereits im Cirque du Soleil aufgetreten. Dort sicherlich nicht mit – dank Schminke – ramponiertem Gesicht. Die Tricks, die sie am von der Kuppel herunterhängenden Tau präsentiert, sieht man sonst eher an den Tüchern. Umso anspruchsvoller ist die hier gezeigte Variante. Im zweiten Teil erleben wir Andrea Vegh zudem am Luftring.


Reni Toth, Tibo Riedesel, Marco Biasini

Ebenfalls zwei Auftritte hat Reni Toth. Zunächst ist sie als Seiltänzerin zu bewundern. Dies sogar in typischer Artistengarderobe und ohne Grusel-Gesichtsbehandlung. Anders sieht das aus, wenn sie sich nach der Pause vom Bett aus an die Tücherstrapaten begibt. Dann präsentiert auch sie sich dem Horror-Thema entsprechend. Will heißen, Gesicht und Kostüm haben eine ordentliche Ladung Kunstblut abbekommen. Mit Monster-Maske auf dem Kopf arbeitet Tibo Riedesel seine Rola Rola-Artistik. Jeweils vier Plastikbecher pro Lage sorgen für Abstand zwischen den Brettern, die er übereinander stapelt. Hula Hoop-Reifen sind die Requisiten von Gina, die diese schwungvoll um die verschiedensten Körperteile kreisen lässt. Kaum wiederzuerkennen ist Marco Biasini. Mit auf die Stirn geschobener Schutzbrille und Gesichtsmaske jongliert er leuchtende Requisiten. Die Bälle, Keulen und Reifen sind im Dunkel dank entsprechender Materialien sichtbar. Die vier Fackeln aufgrund ihrer brennenden Enden. Der Auftritt seiner Mutter Eliane Baraton ist für mich jener, bei der die Horror-Aufmachung am befremdlichsten ist. Wie gerne würde ich diese sympathische Vollblut-Artistin noch einmal mit ihrem bekannten Gesicht und dem passenden Circuskostüm erleben. Hier ist sie wirklich „bis zur Unkenntlichkeit“ zurechtgemacht worden. Die Fußjonglagen mit zwei Gruselfiguren sind recht unsicher. Offensichtlich sind diese speziell für den Horror Circus ins Repertoire aufgenommen worden. Antipodenspiele par excellence erleben wir dann aber mit großen Bällen und eben dem bekannten Tisch.


Crazy White Sean, Giovanni Riedesel, Freddy Baronn

Während sich die Artisten also für diese Produktion an eine komplett neue Aufmachung gewöhnen mussten, bleibt für Crazy White Sean alles wie gehabt. Der Freak präsentiert gerne seinen reich mit Tätowierungen überzogenen Oberkörper und macht auch sonst einen reichlich schrägen Eindruck. Dieser setzt sich bei seinen Aktionen auf der Bühne fort. Da tackert er sich Papierschnipsel an die Stirn, träufelt sich Zitronensaft in die Augen oder steckt sich fröhlich Kanülen durch diverse Körperteile. Nicht zimperlich ist er mit seiner Nase. Er schlägt einen Nagel in selbige und dreht einen Korkenzieher hindurch. Offensichtlich sind derartige Aktionen ein „Muss“ für eine solche Gruselshow. Nichtsdestotrotz schied Crazy White Sean noch während des Frankfurt-Gastspiels (vorerst) aus dem Unternehmen aus. Dana Fischers Lebensgefährte Giovanni Riedesel gibt den Zeremonienmeister – nur echt mit Mikrofon im abgerissenen Arm – und bringt mit seinen Feuerspielen zumindest etwas Licht in die düstere Atmosphäre. Zudem leitet er das Spiel mit vier Stühlen und ebenso vielen Gästen aus dem Publikum. Diese sind ungewöhnlicherweise allesamt weiblich. Der Clown kommt hier mit dem Motorrad. Verkörpert wird er von Freddy Baronn. Gegeben wird die Gruselvariante des Messerbretts mit einem „mutigen“ Zuschauer.

Nach dieser Horror-Show mit viel düsterer Atmosphäre und zumeist sehr sehenswerten artistischen Darbietungen gibt es aber noch kein entspanntes Durchatmen. Im Vorzelt geht der Grusel weiter. Die Akteure warten bereits und laden zur After Show-Party. Zumindest für die eingefleischten Horror-Fans ein verlockendes Angebot. Das sollte man sich ebenso wenig entgehen lassen wie die Show. Sie ist sicher nicht jedermanns Geschmack, bietet aber viele neue Eindrücke. Ob diese einem gefallen oder nicht, muss jeder für sich entscheiden

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Text und Fotos: Stefan Gierisch