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Flic Flac Höchststrafe - Tour 2014
www.flicflac.de ; 85 Showfotos

Frankfurt am Main, 23. Oktober 2014: Flic Flac ist zurück. Und wie! Starke, teilweise spektakuläre Nummern, eine ungeheuer aufwendige Form der Präsentation und eine eigenwillige Inszenierung sind die Bestandteile von „Höchststrafe“. Mit seiner aktuellen Produktion ist Flic Flac rückfällig geworden. Im Juni 2010 hat sich das schwarz-gelbe Unternehmen in Oberhausen von seinen Fans verabschiedet. Am 5. Oktober 2014 ging es am gleichen Ort mit dem Tourneebetrieb weiter. Dazwischen verschwand Flic Flac natürlich nicht komplett von der Bildfläche.

Es gab und gibt die Weihnachtsproduktionen. Es gab die Show „Exxtrem“, welche allerdings gemeinsam mit einem Partner realisiert wurde. Nun also wieder Flic Flac pur. 25 Jahre nach der Gründung durch Benno und Lothar Kastein.


Entree

Wie kam es dazu? Nicht nur Benno Kastein hatte Lust, weiterzumachen. Auch seinen Töchtern liegt der Fortbestand von Flic Flac am Herzen. So interessiert sich Tatjana vor allem für den kaufmännischen Bereich und ist deswegen für die Kasse verantwortlich. Ihre Schwester Larissa reizt besonders die künstlerische Seite. Sie hat somit verstärkt an der Entstehung der neuen Show mitgewirkt, wie Pressesprecherin Barbara Rott und Geschäftsführer Frank Keller berichten. Ein Zeichen für das langfristige Engagement sind zudem zahlreiche Investitionen. Für das nächste Festival in Kassel wird ein neues Chapiteau angeschafft, welches dann mit auf Tournee geht. Flic Flac verfügt so über die Infrastruktur für fünf Circusse. Hinzu kommt der große Achtmaster. Ferner werden sukzessive insgesamt 50 Wohncontainer für Artisten und Mitarbeiter in Betrieb genommen, Flachbildschirm zur medialen Unterhaltung inklusive.


Opening

Die Hardware beeindruckt, das eigentliche Produkt, sprich die Show, steht dem in nichts nach. Der Titel „Höchststrafe“ gibt den Rahmen vor. Flic Flac lädt zu einem Abend im Knast. Der mächtige Artisteneingang wird aus Gefängniszellen gebildet. In der oberen Etage hat die Band ihren Aufenthaltsort. Die Musiker mit Sängerin Caro Kunde begleiten die meisten Nummern live. Bandleader Samuel Beck hat die Formation zusammengestellt und auch einen guten Teil der Titel geschrieben. Harte, rockige Sounds herrschen vor. Es gibt aber auch die ruhigeren Momente. Diese werden dann aber zumeist aus der Konserve begleitet. Zum Opening ist der Hintergrund der drehbaren Rundbühne noch von Stoffbahnen verhüllt. Auf dem Gefängnishof ist offensichtlich gerade Freizeit. Die Insassen der Anstalt sitzen in Gruppen beieinander oder trainieren ihren Körper. Aufseher überwachen die Szene. Als sich der Platz leert, bleiben vier junge Männer zurück. Zu entspannter Musik zeigen die Expendables Figuren der Equilibristik und Handvoltigen. Ihr Outfit entspricht dem der meisten Artisten, die wir im Verlauf der Show sehen werden: khakifarbene Hosen und weiße Muscle Shirts. Nach diesem vergleichsweise entspannten Auftakt fällt der Vorhang. Spätestens jetzt sind wir im rauen Knastalltag angekommen. Zu harten Beats wirbeln gestählte Körper über eine Luftkissenbahn. Die abgefahrenen Sprünge werden von fünf Männern und zwei Frauen um den polnischen Truppenchef Pawel Horbacz absolviert. Anna Rudenko zeigt ihre Kontorsionen an einem Luftring. Das heißt bei Flic Flac in großer Höhe. Allerdings steht der Nervenkitzel nicht im Vordergrund. Zu charmant und gekonnt arbeitet die junge Russin ihre Kür.


Denis Ignatov, Larissa Kastein, Vladik Miagkostoupov

Nicht allzu oft in einem Circus zu sehende Effekte zaubert Denis Ignatov auf die Bühne. In einer ausgefeilten Choreographie wirbelt er einen Kubus sowie eine Pyramide aus Metallstangen in atemberaubender Geschwindigkeit umher. Die Konturen der Objekte verschwinden, es ergeben sich fabelhafte Bilder. Es folgt die erste große Überraschung des Abends. Gerade noch beim Festival in Latina ausgezeichnet (Bronze), ist das Trio Stoian mit seinem Russischen Barren zu Flic Flac gereist. Sie werden bis zum Ende des Gastspiels in Marburg dort zu sehen sein. Die Rumänen kommen vom Sport, haben sich aber bestens in der Showbranche etabliert. Die eleganten Sprünge von Corina fangen ihre Partner sicher mit dem auf den Schultern ruhenden Barren. Erotik und Akrobatik verbindet Larissa Kastein, wenn sie zum Song „Malade“ ihre Kür am Pole, sprich an einem vertikalen Mast, präsentiert. Es ist somit einer jener Momente des Abends, die zur Entspannung einladen. Traumhaft sind auch die äußerst ungewöhnlichen und anspruchsvollen Jonglagen von Vladik Miagkostoupov. Er ist für mich die nächste Überraschung, jongliert er seine Bälle und Keulen doch nicht nur am Boden. Zusätzlich tut er dies an zwei Seilen hängend in der Luft. Zusammen mit Miagkostoupovs elegantem, tänzerischen Auftreten ergibt sich eine mehr als sehenswerte Performance. Das Publikum feiert ihn.


Russische Schaukel, Willer Nicolodi, Markus Krebs

Zurück in Flic Flacs Gefängnisszenerie holen uns dann die Artisten an der Russischen Schaukel. Sie springen zunächst in ein großes, von der Decke hängendes Netz. Danach landen sie auf einer dicken Matte. Deren Unterseite verkündet den nun folgenden 15-minütigen Freigang, sprich die Pause. Der zweite Teil beginnt mit Evgeny Nikolaev am Cyr Wheel. Sein akrobatischer Tanz mit dem großen Rad wirkt nicht zuletzt aufgrund seiner Neuartigkeit für hiesige Circusmanegen. Als Gefängniswärter unter all den Sträflingen kennzeichnet Willer Nicolodi sein Outfit. Es ist sicherlich ungewöhnlich, in einer solchen Produktion einen Bauchredner zu präsentieren. Mag dies auch einen gewissen Bruch bedeuten, sorgt Nicolodi für ordentlich Spaß unter dem gelb-schwarzen Chapiteau. An der Premiere in Frankfurt sogar mit seiner Puppe, der Maus Joselito, noch mehr als mit den Mitspielern aus dem Publikum. Ebenfalls in die Kategorie Humor gehört Markus Krebs. Er ist einer von mehreren Komikern, die laut Homepage im Wechsel eingesetzt werden sollen. Der leicht prollig anmutende Duisburger erzählt vor allen Dingen Witze. Diese sind trotz seines „bodenständigen“ Auftretens in T-Shirt und Strickmütze zumeist recht hintergründig. Meinen Geschmack hat er damit durchaus getroffen. Ab 15. Januar 2015 wird dann Steve Eleky wieder mit von der Partie sein.


Anastasia Makeeva, Nikolai Kuntz, Tatjana Kastein

Ebenfalls von begrenzter Dauer ist das Gastspiel von Anastasia Makeeva. Nach den ersten Vorstellungen in Frankfurt schied sie aus der Show aus, um bereits seit längerer Zeit geplante Gastspiele anzutreten. Wer also rechtzeitig kam, hatte das große Glück, diese aktuell mit einem Bronzenen Clown ausgezeichnete Artistin zu erleben. Ihr Luftnummer an zwei Strapatentüchern beinhaltet nicht nur phänomenale Tricks, sondern wird auch unwahrscheinlich elegant dargeboten. Anstelle von Anastasia Makeeva wurde inzwischen Julia Galenchyk am Luftnetz ins Programm genommen. Nach einer Verletzungspause ist Nicolai Kuntz wieder mit dabei. Aktuell nur mit seinen Diabolos, in Kürze zusätzlich mit dem Schwungtrapez. Jugendlich-dynamisch lässt er bis zu drei Diabolos durch die Luft tanzen. Ausgefeilt sind seine Tricks mit nur einem dieser Requisiten. Wie Kuntz gehört Tatjana Kastein zu den Flic Flac-Junioren. Sie zeigt mit Unterstützung von vier trainierten Männern eine durchdachte, kraftvolle Handstandkür, bei der sie den gesamten Durchmesser der Rundbühne nutzt. Immer wieder wechselt sie den Standort, um am Ende einen Handstand auf den Händen ihrer Partner zu drücken.


Helldriver, Mad Flying Bikes, Finale

Was dann, quasi als Auftakt zum Grande Finale, kommt, ist spektakulär und höchst risikoreich. „Das muss doch nicht sein“, sagt der Herr links von mir zu seiner Begleitung. Mein rechter Nachbar meint nach der Show: „Von der letzten Nummer habe ich nur die Musik gehört. Zuschauen kann ich bei so etwas nicht.“ Was gibt es also zu sehen? Zunächst einen echten Flic Flac-Klassiker – die Motorradkugel. Immer mehr Fahrer um Truppenchef Jose Antonio Pinillo jagen durch die Stahlkugel mit einem Durchmesser von 6,5 Metern. Und das in aberwitzigen Formationen. Zum Schluss sind es gar zehn Artisten gleichzeitig. Damit nicht genug. Sensation Nummer zwei folgt auf den Fuß. Nun springen Biker auf Motocross-Maschinen über die Kugel. Sie schießen direkt aus dem Mittelaufgang und landen auf einer Rampe vor dem Artisteneingang. Der Absprung mitten aus dem Zuschauerraum bringt natürlich einen zusätzlichen Effekt. Dabei sind die Sprünge der Mad Flying Bikes schon so absolut spektakulär. Mal wird der Lenker nur mit den Füßen gehalten, mal trennen sich Fahrer und Bike für den Bruchteil einer Sekunde. Wahnsinn! Für diese Leistung dürfen die Artisten sogar explizit den Applaus des Publikums entgegennehmen. Ein Privileg. Denn ansonsten geht es in dieser Show Schlag auf Schlag. Für Komplimente bleibt da kein Platz. Zum Finale steht die Kugel noch einmal im Mittelpunkt. Die Artisten – alle sind jetzt offensichtlich aus der Haft entlassen – gruppieren sich um sie und genießen ausgelassen die neue Freiheit. Lichttechnisch wird auch diese letzte Szene ganz hervorragend in ihrer Wirkung verstärkt.

Flic Flac ist zurück. Ganz so, als wäre er nie weg gewesen. Die Auswahl der Nummern ist hervorragend gelungen, wenngleich es noch Änderungen geben wird. Die Show hat eine ungeheuere Geschwindigkeit, es gibt wirklich keine Füller, kaum Zeit, Luft zu holen. Natürlich ist es nicht jedermanns Sache, einen Abend im Knast zu verbringen. Aber die Umsetzung der Grundidee von „Höchststrafe“ ist sehr gelungen. Und ganz ehrlich: Eine Flic Flac-Produktion, die auf dem Sonnendeck des Traumschiffs spielt, mag man sich auch nicht vorstellen. Insofern sollten wir glücklich sein, dass die hiesige Szene wieder um ein starkes Stück Circus reicher geworden ist.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch