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Circus William - Tour 2013
www.circus-william.eu ; 75 Showfotos

Marktheidenfeld, 13. April 2013: Der Wow-Effekt stellt sich schon bei der Fahrt über die Mainbrücke ein: Direkt daneben, auf dem Festplatz im unterfränkischen Marktheidenfeld, strahlt an diesem Samstagnachmittag der Circus William in der Sonne: die herrlichen blau-gelben Zeltanlagen, das lang gestreckte Stallzelt im Pagodenstil, die bunt bemalten Wagen, die große Parade der Zugmaschinen in exakter Formation. „Wir stecken jeden Euro in den Circus, und es würde uns die Luft zum Atmen nehmen, wenn wir keinen Circus mehr machen könnten“, erklärt Juniorchef Markus Wille im Gespräch mit Chapiteau.de.

Es hätte des Bekenntnisses nicht bedurft – die Liebe und Leidenschaft, mit der hier Circus gemacht wird, ist ganz offensichtlich. Zum Beispiel in der umfangreichen Tierschau mit 20 Pferden in großräumigen Boxen und ebenso vielen Kamelen im Paddock, mit fünf Zebras und einigen Ponys. Im Freigehege können vier neu erworbene Elanantilopen bestaunt werden, die aktuell auf die Manegenarbeit vorbereitet werden. Fünf normalfarbene und vier weiße Tiger, außerdem zwei männliche Löwen – davon ein weißer – bilden die Raubtiergruppe, die in großzügigen Wagen und gewaltigen Außenkäfigen untergebracht ist. In zwei Schauwagen werden Reptilien präsentiert, ein Alligator, eine Riesenschildkröte, ein Leguan, verschiedene Schlangen.


Circusfront

Die Leidenschaft fürs Circusmachen zeigt sich auch im Chapiteau mit komplettem Schalensitzgradin und Polsterstühlen in der Loge, mit einer modernen Licht- und Tonanlage und dem schönen Artisteneingang. Das Faible für erstklassiges Material liegt den Willes offenbar im Blut, bei William ebenso wie bei Carl Busch. Während der verstorbene Alfons Wille der Direktor des Circus Carl Busch war, ist sein Bruder Heinz der Seniorchef bei William. Bei Carl Busch wird der Großteil des Programms bekanntlich von engagierten Artisten bestritten, während bei William vor allem die Familie in der Manege steht, also Heinz Willes Söhne Markus (38), Manolito (33), Manuel (32) und Roberto (31) sowie Tochter Maria Weber (36) mit Schwiegersohn Robin Weber. Auch die nächste Generation ist bereits im Programm vertreten.


Georgie, Deniro und Markus Wille

Und schließlich lässt auch das Programm die Liebe zum Circus deutlich spüren. Immer wieder kommen aufwendige Requisiten zum Einsatz, zum Teil sind die Darbietungen in Schaubilder verpackt, die unter anderem mit thematisch angepassten Kostümen umgesetzt werden. Die charmante Moderation teilen sich Manolito Wille – vor der Pause – und seine Frau Kathleen – nach der Pause – je zur Hälfte. Neben guter Artistik und origineller Clownerie sind sicher die Tierdressuren eine besondere Stärke dieses Unternehmens. Eröffnet wird das Programm im orientalischen Stil mit sechs Kamelen unter der Peitschenführung von Markus Wille, ehe Roberto Wille einen Friesenhengst zwischen drei Figuranten seine Runden drehen, den Kopf zwischen die Vorderbeine legen und steigen lässt. „Wiener Klassik“ ist dagegen wenig später das Motto, wenn Markus Wille seinen herrlichen Achterzug Friesen vorstellt. Sein Sohn Deniro hat sich eine anspruchsvolle Schlappseil-Arbeit erarbeitet, die mit einer Keulenjonglage während der Einradfahrt und mit dem Spagat auf dem Seil ihren Abschluss findet. Tochter Georgie ist als Fee Tinker Bell aus „Peter Pan“ mit ihrer Kautschukarbeit zu erleben. Ihr Requisit ist wie eine Blüte gestaltet, deren vier Blätter sich zum Beginn der Nummer öffnen und am Ende wieder schließen.


Tonda Maleckov, Roberto und Manuel Wille

Die Clownerie liegt in den Händen der beiden jüngsten Wille-Brüder Manuel und Roberto alias Charly und Antonio, ergänzt um den engagierten Artisten Tonda Maleckov, der „Antonia“ im gepunkteten Kleid gibt. Das „komische Taxi“, das sich immer weiter selbst zerlegt und gar führerlos seine Runden dreht, kommt natürlich glänzend an, ebenso wie die Schleuderbrett-Reprise mit „Flieger“ aus dem Publikum. Markus und Roberto Wille sowie zwei Damen sorgen als „Colorados“ für schwungvolle Momente beim Lassodrehen und Messerwerfen, ehe Manuel Willes Lebensgefährtin Sabrina Kaselowsky am kreisenden Luftring den ersten Programmteil beschließt. In der Pause wird der ungewöhnliche massive Zentralkäfig errichtet, in dem Manuel Wille wenige später auf jugendlich-unbekümmerte und äußerst sympathische Art seine Raubtiere dirigiert. Drei sibirische und drei weiße Tiger sowie ein männlicher Löwe formen diese hochklassige und flüssig ablaufende Darbietung, zu der u.a. Sprünge (auch über Artgenossen), Tigerbar, Teppich, Hochsitzen und Pyramide gehören. Wie bei Martin Lacey schließt sich der Solo-Auftritt des weißen Mähnenlöwen Sambesi auf der Spiegelkugel an die Arbeit der Gruppe an.


Roberto Wille, Robin Weber

Ein weiteres Highlight im Bereich der Tierdressuren setzt Roberto Wille mit seinem braun-weißen Sechserzug Araber. Mit u.a. Gegenlauf klassisch und zu dritt, Pirouetten und dem Flechten, sechsfachem Steiger und diversen Da Capi werden alle Facetten einer anspruchsvollen Freiheitsdressur präsentiert. Auch die ruhig und sicher laufende Präsentation der vier Zebras im ersten Programmteil überzeugt rundum. Exotische Tiere, Riesenschlangen nämlich, sind dann noch einmal in dem großen Schaubild zu sehen, bei dem Robin Weber als Feuerschlucker- und Spucker im Mittelpunkt steht.


Marketa Maleckova, Loridana und Manolito Wille

Loridana, Tochter von Maria (geb. Wille) und Robin Weber, kombiniert an einem unablässig kreisenden Halbmond Elemente von Handstand- und Luftartistik. Ganz hoch hinaus geht es dann schließlich bei der Darbietung von Marketa Malecková am still hängenden und später schwingenden Trapez, das bis direkt unters Zeltdach gezogen wird. Der Nackenwirbel am schwingenden Trapez ist spektakulärer Abschluss dieser Darbietung. Den Schlusspunkt des Programms setzen schließlich Markus und Manolito Wille auf dem Todesrad, das über nur einen Kessel verfügt. Zu Beginn ihrer rasanten Touren wechseln sie sich Runde und Runde im Innenrad ab, während Manolito Wille später u.a. den Blindlauf wagt und die Nummer mit einem beherzten Sprung vom Rad über die Logen beendet.

Der Circus William ist mit seinem erstklassigen Material zweifellos einer der schönsten in Deutschland und gehört auch beim Programm zur absoluten Spitzengruppe jener Unternehmen, bei denen vorwiegend Familienmitglieder auftreten. Normalerweise reisen die Willes im Großraum Berlin und gastieren im Sommer an der Ostsee. Heuer erfüllte man sich mit dem Abstecher in die alten Bundesländer einen länger gehegten Wunsch. Und so dürfte sich für viele Circusfreunde eine fast einmalige Gelegenheit bieten, dieses höchst sehenswerte Unternehmen ohne allzu große Anreise kennen zu lernen. Chapiteau.de kann dies nur wärmstens empfehlen.

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Text und Fotos: Markus Moll