Um es
vorweg zu sagen: Ja, dieses Programm überzeugt vollauf, trotz
kleinerem Ensemble als in den vergangenen drei Jahren.
Schließlich hat die Familie Probst zahlreiche erstklassige
Tierdressuren und die liebevolle Clownerie von Sonja Probst zu
bieten. Und auch ohne Truppe können alle artistischen Nummern
begeistern. Die geschmackvollen Kostüme, das gepflegte Ambiente,
das abwechslungsreiche und moderne Licht, die schwungvolle Livemusik des Orchesters Gregor Pierscinski sowie ein straffer
Ablauf sorgen für Stil und Klasse. Man spürt sie einfach, diese
Leidenschaft, mit der hier Circus gemacht wird. Und deshalb ist
„Leidenschaft“ auch das Programmmotto 2013.
Daikel Castillo Hernandez, Stephanie Probst,
Sergiu Mosanu, Utnier Aquino Hernandez
Die
Schlussnummer der vergangenen Jahre, Stephanie Probsts
Sechserzug Araber, ist nun ganz an den Beginn des Programms
gerückt. Die Pferde traben zunächst alleine in die Manege,
bleiben für einige Momente sich selbst überlassen, beschnuppern
einander, eines der Pferde steigt. Wir hören eine Frauenstimme
aus dem Off: „Circus ist tierisch gut“, „rasant und temporeich“,
„wie ein Virus“, eben „Leidenschaft“. Nun erst kommt Stephanie
Probst hinzu und ordnet die Tiere zu einer hervorragenden
Freiheitsdressur. Zahlreiche perfekte Steiger der kompletten
Pferdegruppe und einzelner Tiere bilden den Abschluss. Als erste
artistische Nummer zeigt der ganz famose Jongleur Daikel
Castillo Hernadez sein Können, überzeugt durch Ausstrahlung und
Leistung gleichermaßen. Der Kubaner balanciert einen Fußball auf
einer Stange über der Stirn, einen zweiten auf einem Mundstab,
lässt einen Ring um den rechten Fuß kreisen und jongliert dazu
mit fünf weiteren Ringen. Außerdem bewegt er nacheinander fünf
Keulen, sieben Ringe, drei Bälle (mit Fangkörbchen am Gürtel),
zwei Fußbälle auf den Fingerspitzen und dazu zwei Pingpongbälle
mit dem Mund sowie abschließend fünf Pingpongbälle mit Mund und
Händen. Dass sie nicht nur Tiere vorführen kann, sondern auf
deren Rücken auch akrobatische Kunststücke beherrscht,
demonstriert Stephanie beim „Pas de Trois“ zu Pferd. Ihr
Lebensgefährte Sergiu Mosanu und Artist Utnier Aquino Hernandez
sind die Untermänner.
Tamara Khourchoudova, Sonja
Probst mit Daikel, Utnier Aquino Hernandez
Clownesse
Lolli alias Sonja Probst kommt bim Publikum immer gut an. Sie
verzichtet darauf, Zuschauer in die Manege zu zerren, sondern
überzeugt lieber mit kreativ und liebevoll gestalteten Szenen
ohne Worte. Neu ist ihr erster Auftritt als Illusionistin, bei
dem sie ihren Partner Daikel scheinbar unter einem großen Tuch
zum Schweben bringt. Natürlich fliegt der Schwindel auf.
Außerdem reinigt sie in bewährter Weise einen Logengast mit dem
Handstaubsauger und fördert dabei einen Büstenhalter zu Tage. In
einer überarbeiteten Fassung präsentiert Lolli nun ihre
originelle Schleuderbrett-Parodie mit Hund. Neu im Programm ist
Tamara Khourchoudova, besser bekannt als Tamara Weiser, die bis
2011 jahrelang bei Herman Renz gearbeitet hatte. Nun zeigt sie
bei Probst ihre anspruchsvolle Antipodennummer mit bis zu vier
Tüchern. Für besondere Effekte ist gesorgt, wenn sie sich an
einem Beckengurt oder in einer Fußschlaufe kopfüber hängend
unters Zeltdach ziehen lässt und dabei weiterhin die Tücher auf
Händen und Füßen bzw. Fuß kreisen lässt. Hoch hinaus wagt sich
auch Utnier Aquino Hernandez bei seiner riskanten und
wirkungsvollen Schwungseilnummer ohne Longensicherung.
Jim Bim, Reinhard Probst,
Elodie Weiser
Traditionelle Pausennummer bei Probst ist die große
Exotenparade. Direktor Reinhard Probst stellt insgesamt 15 Tiere
aus neun verschiedenen Arten vor, von schweren Kaltblutpferden
über verschiedene Rinder (ungarisches Steppenrind, Watussis, Yak)
sowie Kamelartige (Lamas, Dromedar, Trampeltier) bis hin zum Emu
und zwei Zebras. Komik und artistisches Können vereint Sergiu
Mosanu bei seiner Trampolin-Nummer nach der Pause. Als „Jim Bim“
mimt er einen Betrunkenen, der gegen die Tücke des Objektes bzw.
Sprungturmes kämpft und dabei einen Striptease hinlegt. In einer
zweiten, ebenso gut laufenden Freiheitsdressur präsentiert
Stephanie Probst sechs gescheckte Dromedare, die sie unter
anderem zum Fächer und zum Gegenlauf anleitet. Elodie Weiser war
unter dem Künstlernamen Adèle Fame im vergangenen Herbst beim
European Youth Circus in Wiesbaden erfolgreich, gewann Bronze
bei den Jüngeren. Nun ist sie mit ihrer äußerst dynamischen
Darbietung bei Probst zu sehen. Die junge Artistin erweist sich
als wahrer Wirbelwind, der rasant zwischen Aufschwüngen,
Abfallern und Haltepositionen wechselt. Beeindruckend, wie sie
freihändig und scheinbar mühelos, mit den Füßen in den
Strapatenschlaufen stehend, aus dem Spagat in den Stand gleitet.
Leider wird diese Darbietung, als einzige im Programm, von zu
leiser Bandmusik statt vom Orchester begleitet, worunter die
Wirkung erheblich leidet.
Castillo Brothers, Tamara
Khourchoudva, Tony Erblay Fernandez
Tony
Erbaly Fernandez hat sich eine neue, leistungsstarke Darbietung
als Matrose am Mast erarbeitet. Er präsentiert Einarmer und
Handstände sowie die „menschliche Flagge“ in verschiedenen
Variationen. Mit den Händen am Mast zeigt er sozusagen
„Klimmzüge in der Horizontalen“ oder umkreist kraftvoll das
Requisit. Ebenso neu ist die Kaskadeurnummer, die sich Jongleur
Daikel und Schwungseil-Artist Utnier gemeinsam erarbeitet haben.
Rund um einen Tisch werden zahlreiche artistische
Kabinettstückchen mit viel Heiterkeit zelebriert. Auch ein
Zuschauer wird einbezogen und darf auf allen Vieren den
Untermann für einen Hand-auf-Hand-Trick geben. Zum Höhepunkt der
Dressurnummern im Programm erscheint Circusprinzessin Stephanie
Probst im eleganten Ballkleid und wird von zwei Herren, Daikel
und Utnier, stillvoll in die Manege geleitet. Mit leichter Hand
dirigiert sie vier Friesen und vier Araber in einer
Freiheitsdressur, die dann mit vier großen Dartmooore-Ponys gar
zum Zwölferzug erweitert wird. Chapeau! Als wirkungsvolle und
gut platzierte Schlussnummer folgen die Abfaller und Pirouetten
von Tamara Khourchoudova am Schwungtrapez. |