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Budapest - Lights of the Universe 2013
www.fnc.hu

Budapest, 21. November 2013: Das Programmheft spart nicht mit den branchentypischen Superlativen, spricht von einer „wirklichen Welt-Sensation“, ja gar von der „Rückkehr der legendären Glanzzeit des Circus“ – und man mag uneingeschränkt zustimmen, schließlich ist von den preisgekrönten Darbietungen der Familie Casselly mit ihren Pferden und Elefanten die Rede. Sie drücken auch dem aktuellen Programm des Budapester Circus-Baus den Stempel auf. „Lights of the Universe“ ist der Titel dieser neusten Produktion, und das soll gleich in zweifacher Weise verstanden werden.

Zunächst einmal ziemlich wörtlich, nämlich als Beleg für die ausgefeilte Lichttechnik, die heutzutage die Programme illustriert. Auch im Budapester Circus-Bau wurde in den letzten Jahren kräftig aufgerüstet, so dass heute hunderte von Scheinwerfern, Scannern und Verfolgern die Nummern im wahrsten Sinne ins rechte Licht rücken. So gibt es in „Lights of the Universe“ auch kein klassisches Opening. Vielmehr wird eine bunte Lichtshow geboten, welche alle Möglichkeiten einer geschickten Lichtregie offenbart. Besonders eindrucksvoll sind jene Momente, wenn mit Hilfe einer Discokugel ein Sternenhimmel im Bau entsteht und das abermals hervorragende Acht-Mann-Orchester unter Attila Maka dazu Melodien aus Star Wars erklingen lässt.


Familie Casselly, Joulia Tchakanova
 

Im übertragenden Sinne gilt der Programmtitel natürlich auch für die auftretenden Artisten, quasi den Sternen in der Manege. Allen voran ist da natürlich die bereits erwähnte Familie Casselly zu nennen. Zur Pause gibt es die kombinierte Darbietung mit jeweils vier berittenen Elefanten und Pferden, die meist gemeinsam unterschiedlichste Tricks der Hohen Schule zeigen. Finalnummer ist – wie sollte es anders sein – die sensationelle Akrobatik von Merrylu und Rene Casselly jr. auf dem Rücken der afrikanischen Elefanten. Nach dem abschließenden dreifachen Salto vom Schleuderbrett auf den Elefantenrücken von Rene jr. erhebt sich auch das Budapester Publikum zu stehenden Ovationen. Dass dies im Januar, beim 10. Internationalen Circus-Festival, anders sein sollte, würde schon sehr verwundern. Ausgefallen ist auch die dritte Tier-Darbietung im Programm, Joulia Tchakanova mit ihren Windhunden und Lamas. Schön anzusehen sind gerade die gemeinsamen Passagen der unterschiedlichen Tierarten, die u.a. mit Figuren einer Freiheit und beim gegenseitigen Überspringen ein harmonisches Miteinander zeigen.


Merrylu Casselly, Georgio, Flying Havannas

Nicht ganz mithalten kann da der artistische Part. Dabei wecken die ersten Nummern durchaus Erwartungen. Gleich zu Beginn etwa jagt Georgio (Jiri Hromádko) seine Diabolos in der bekannt antreibenden Art durch Manege und Kuppel. Auch die anschließende Kür an Tüchern von Merrylu Casselly, eingeleitet vom illuminierten Pegasus-Pferd und gespickt mit Kontorsionselementen und Abfallern, überzeugt voll. Ebenso gefallen die Flying Havannas, die nach der Pause ihre Salti am Flugtrapez drehen; zumal sie dank einem zweiten Fänger am Fangstuhl oberhalb des Trapezes weitere Wurfmuster in ihre Nummer einbauen.


Maria Graziella Galan Bueno, Trio Sárközi,  Dávid Nagy Molnár

Das Trio Sárközi von der eigenen Circus-Schule war zuletzt in mehreren Zusatz-Produktionen des Circusverbandes zu sehen, nun jonglieren die jungen Artisten mit Keulen, Ringen und Reifen auch im regulären Programm. Kaum Eindruck hinterlässt dagegen Illusionist Dávid Nagy Molnár, der gerade mal drei Tricks langwierig präsentiert. Maria Graziella Galan Buenos Deckenlauf leidet dagegen unter den großen räumlichen Distanzen im Bau und der daraus resultierenden fehlenden Wahrnehmbarkeit von Mimik und Gestik. Diabolo, Deckenlauf und Flugtrapez werden ebenfalls beim kommenden Festival zu sehen sein. Aufgrund von Verletzungen mussten gleich zwei Darbietungen, das Duo Devlimakov am Mast sowie die Motorrad-Ikarier der fünfköpfigen  Truppe Uzkov, passen. Ersatz kommt aus den eigenen Reihen, nämlich die Reitertruppe von Joseph Richter Jr.. Zusammen mit drei Partnern (eine Frau, zwei Männer) zeigt der Direktor des Ungarischen Nationalcircus, dessen Vater seit diesem Jahr den Circus-Bau leitet, alle relevanten Tricks bis hin zum Salto vom ersten zum zweiten Pferd. Im Hintergrund assistiert zudem Josephs Bruder Florian. Ständige Begleiter durch das Programm sind Moderator Gyuszi Maka, dessen an Ringling orientiertes Kostüm allerdings eher unpassend wirkt, sowie Steve und Jones Caveagna. Beide als Clowns zu bezeichnen, wäre falsch. Ihre Intermezzi bestehen lediglich daraus, dass Steve mit seinem „Gangnam Style“-Tanz seinen Mitstreiter Jones an dessen akrobatischen und musikalischen Vorhaben hindert. Die vielen Grundschulkinder in der besuchten Vorstellung gehen zwar begeistert mit, doch wie sieht es bei erwachsenen Zuschauern in einer Abendvorstellung aus? Nur schwer vorstellbar, dass die Reaktionen ähnlich ausfallen. Abwarten, wie sich beide beim Festival schlagen werden, denn auch dort gehören sie zu den Teilnehmern. Dennoch ist es bedauerlich, dass gerade Vertreter einer traditionsreichen italienischen Circusfamilie nicht mit einem klassischen Repertoire aufwarten.

Trotz dieser Schwächen und der ausgefallenen Nummern, die eventuell für einen weiteren artistischen Höhepunkt gesorgt hätten, bietet der Budapester Circus-Bau auch mit „Lights of the Universe“ wieder ein hochwertiges, klassisches Circus-Programm – nicht zuletzt dank der Familie Casselly, die mit ihrer „wirklichen Welt-Sensation“ in der Tat dafür sorgt, dass es – ganz wie im Programmheft geschrieben – zumindest zeitweise zu einer „Rückkehr der legendären Glanzzeit des Circus“ kommt.

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Text: Benedikt Ricken; Fotos: Circusbau Budapest (
Fővárosi Nagycirkusz)