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Traumzauberzirkus Rolandos 2013
www.variete-circus-rolandos.de ; 100 Showfotos

Leipzig, 10. September 2013: Selbst wenn man zig Circusvorstellungen im Jahr besucht, kommt es selten vor, dass man wirklich Neues zu sehen bekommt. Zumeist sind dafür weite Reisen ins Ausland nötig. Dabei liegt das Gute manchmal näher als man denkt. Solch eine großartige, spannende und überraschende Begegnung hatte ich Anfang September in Leipzig. Auf dem Festplatz am Cottaweg erlebte ich meine persönliche Rolandos-Premiere. Und die hat mich wirklich mehr als begeistert. Zunächst einmal ist Rolandos ein Familiencircus im besten Sinne.

Mitwirkende sind Direktor Roland Krämer, seine Töchter, die Familie seiner Schwester Carmen Leyseck und Schwiegersohn in spe Jeffrey Hein, Partner von Virginia Krämer. Sie alle beherrschen ihr artistisches Handwerk wunderbar. Hein ist gar Absolvent der Artistenschule in Berlin, Virginia hat im vergangenen Winter ebenfalls dort trainiert. Doch damit ist Rolandos nur sehr unzureichend beschrieben. Denn nicht ohne Grund firmieren die Krämers als „Traumzauberzirkus“. Die einzelnen Nummern sind in eine durchgehende Handlung eingebunden. Diese wird professionell umgesetzt, ohne trotz ihrer Einfachheit plump zu wirken. Für Regie und Choreographie wurde einmal mehr die GOP-erfahrene Anett Simmen gewonnen. Die Kostüme sind wundervoll, die teilweise eigens komponierte Musik vom Band ist perfekt ausgewählt und zusammengestellt. Während der Vorstellung spürt man, mit wie viel Herzblut alle Akteure bei der Sache sind. Dieser Circus verzaubert wirklich, animiert zum Träumen. Ganz so, wie es der Name verspricht.


Opening mit Scarlett

Im Opening tanzen vier schwarze Herren im Dunkeln. Um Farbe ins Spiel zu bringen, verteilt Scarlett (Krämer) bunte Tücher. Die kommen dann auch gleich bei ihrem in die Eröffnungsszene integrierten Seiltanz zum Einsatz. Dabei springt sie nicht nur darüber, sondern präsentiert viele weitere Tricks. Als sie die Tücher wieder einsammelt, ist die Farbe verschwunden, die Tücher sind schwarz. Gemeinsam mit Traumzauberer Rolandos, ihrem Vater Roland Krämer, macht sie sich auf die Suche nach den Farben. In jeder der folgenden Darbietungen finden sie eine neue. Beim Finale schließlich hängen bunte Tücher aus der Kuppel herunter, die bunte Welt ist wieder hergestellt.


Virginia, Scarlett, Angelique

Erste Station ist Kugelläuferin Virginia (Krämer), ein Traum in weiß. Wenngleich sie die prächtigen Federn schnell wieder ablegt, ist sie dennoch perfekt gewandet. Perfekt und einzigartig sind ebenfalls ihre Balancen auf einer großen weißen Kugel. Schon die Hula Hoop-Künste und das Überqueren einer Wippe sind sehenswert. Richtig spannend wird es aber, wenn Virginia drei schiefe Ebenen in große Höhe hinauf balanciert. Der Schwierigkeitsgrad scheint enorm, und der Verkauf ist perfekt. Nach ihrem eigentlichen Auftritt legt sie eine Schriftrolle in eine Truhe, die den beiden Begleitern durch die Show einen Hinweis auf die nächste Nummer gibt. Und das ist eine von ihnen selbst vorgeführte Hunderevue. Die Vierbeiner werden mittels einem von einem Pony gezogenen Wagen hereingefahren. Die lebhafte Vorführung beinhaltet unter anderem Sprünge und das Laufen auf den Hinter- sowie Vorderbeinen. Den turbulenten Abschluss bildet die Rutschpartie der gesamten Truppe. Sogleich nehmen Scarlett und Roland Krämer in einer Loge Platz, um aus einem großen Buch eine Geschichte vorzulesen, die in der Manege lebendig wird. Als Lady im hellen Kleid mit Hut und Schirm erscheint Angelique (Leyseck). Kurz darauf reitet ihr Bruder John als Vampir auf einem Pferd um sie herum. Er bekommt das Mädchen zu fassen und schon hat sie ein schwarzes Kostüm an, in welchem sie ihre Kür an Tüchern zeigt. Diese enthält neben bekannten Tricks auch das Drehen von Hula Hoop-Reifen mit Armen und Beinen. Schön ebenfalls der Effekt, wenn der reitende Vampir das Tuch in der Hand hält und somit ordentlich für Bewegung sorgt.


Jeffrey Hein und Roland Krämer, Andreas Leyseck, John

Dann ist es Zeit für die erste clowneske Einlage, bei der August Jeffrey Hein dem Magier ein Glas „Wahrheitswasser“ anbietet, dessen Inhalt wenig schmackhaft ist. Schließlich stammt die Flüssigkeit direkt aus der Tierschau. Während die beiden ihren Schabernack treiben, werden die umfangreichen Requisiten für die große Haustierrevue von Carmen und Andreas Leyseck aufgebaut. Ziegen, Hunde und Esel üben sich darin im Balancieren und Springen. Die manegenfüllende Nummer wird sehr liebevoll in folkloristischer Aufmachung präsentiert. Am Ende voltigieren gar jeweils ein Hund und eine Ziege auf den beiden Eseln. Drei Girls in schwarz tanzen zu Laserstrahlen durch das Chapiteau und verkürzen so den Aufbau des Todesrads. Dieses ist zu recht Schluss des ersten Programmteils. John Leyseck hat sein Requisit in Eigenregie entwickelt und zum größte Teil auch selbst gebaut. Diese Leistung beeindruckt fast genauso wie die rasante Show, die er abliefert: Lauf mit verbundenen Augen, Seilspringen und Jonglagen mit brennenden Fackeln – alles ist dabei. Als Höhepunkt gibt es sogar einen Salto im Rad. Mit schnellen Touren auf dem Außenrad beendet er seinen Auftritt, der eine mehr als attraktive Pausennummer abgibt. Die nachfolgenden 20 Minuten werden mittels fünf Schirmen angekündigt.

Carmen Leyseck, Roxana, John und Jeffrey

Zwei Tierdarbietungen der Familie Leyseck eröffnen den zweiten Teil. Zunächst präsentiert Andreas jeweils drei Dromedare und braune Araber in gemeinsamer Freiheit. Es ist eine harmonische Vorführung, die naturgemäß aus viel Laufarbeit besteht. Quasi einen Spielplatz stellt Carmen ihren schneeweißen Tauben zur Verfügung. Im Bollywoodstil lässt sie diese wippen und Karussell fahren. Natürlich sind noch mehr Tricks zu sehen, die von Carmen äußerst gewinnend dirigiert werden. Die beiden Reisebegleiter nehmen uns mit in die Welt von Roxana. Sie jongliert mit den Händen, vor allem aber den Füßen. Sind mit den Händen Reifen und Keulen ihre Requsiten, hält sie mit den Füßen Bälle, eine Stange und eine Walze in Bewegung. Beim Schlusstrick sind dann alle vier Extremitäten involviert, wenn Roxana „mit dem Feuer spielt“. Clownerie wird in dieser Show dankenswerterweise wohl dosiert eingesetzt, wenngleich die Auftritte auf ganzer Linie überzeugen. Neben der bereits erwähnten Reprise gibt es ein Entree um eine Tanzpuppe aus Amerika. John bekommt sie geschenkt, Jeffrey macht sie kaputt und darf sogleich selbst in Frauenkleider schlüpfen, um so die Zerstörung zu vertuschen. Das gelingt natürlich nur bedingt, ist aber ein herrlicher Spaß. Alle Akteure spielen ihre Rollen ganz hervorragend, es ist ein Vergnügen erster Klasse.

Virginia, Roland Krämer, Rolandos Reitertuppe

Noch einmal erleben wir Virginia. Diesmal als Indianerin am Trapez. Stilecht kommt sie mit Federschmuck auf einem Westernpferd hereingeritten, um sich direkt vom Sattel unter die Kuppel zu begeben. Nachdem sie verschiedene Tricks wie Spagat, Zehenhang und Nackenwirbel gearbeitet hat, wird sie wieder von ihrem Pferd abgeholt. Bei der Tücherzauberei von Roland Krämer darf an diesem Nachmittag die Mutter von Jeffrey Hein aus der Loge heraus assistieren. Ihrem Sohn gehört die nächste Nummer. Seine an der Berliner Artistenschule geschliffene Handstandakrobatik ist ein weiterer Höhepunkt in diesem Programm und wäre es auch in vielen anderen Produktionen. Sehr kraftvoll präsentiert er die verschiedensten Schwierigkeitsgrade dieses Genres. Es ist ein äußerst starker, gut durchdachter Auftritt. Dass Jeffrey einen Schalk im Nacken hat, weiß ich spätestens, seit er mir vor vier Jahren nach der Vorstellung der Absolventenshow in Darmstadt äußerst schlagfertig seinen Lebenslauf erzählte. Genauso sympathisch kommt er jetzt in der Rolandos-Manege rüber. Einzig sei die Bemerkung erlaubt, dass die Nummer damals in Jeans und weißem Shirt deutlich passender „verpackt“ war als jetzt im Glitzeroutfit. Den Schlusspunkt setzt die Jockeyreiterei von Scarlett, Angelique und John, welcher gleich mit einer Traumzauberzirkus-Fahne in der Hand stehend hereingeritten kommt. Auf und an einem Kaltblüter zeigt das Trio das Einsammeln von im Sägemehl liegenden Tüchern, einen Zwei-Personen-Turm und Jonglagen. Bei der Schlussrunde sind alle drei gemeinsam auf dem Pferderücken.

Zum Finale wird ein weiteres Mal die Truhe geöffnet. Darin finden sich eben jene Bänder, die das farbenfrohe Schlussbild beherrschen. Es wird somit ein bunter Abschied. Ein Abschied, der mit der Erkenntnis verbunden ist, dass es auch hier bei uns noch circensische Überraschungen gibt. Deshalb ist ein erneuter Besuch bei Rolandos quasi „Pflicht“, wenngleich eine sehr angenehme. Man kann den Besuch nur jedem – im wahrsten Sinne des Wortes - „ans Herz legen“. Respekt vor der Leistung der Familien Krämer und Leyseck. So viel Enthusiasmus, Energie, Können und Liebe zum Detail findet man nicht allzu oft. Chapeau!!!

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Text und Fotos: Stefan Gierisch