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Liebescircus Ohlala - Show 2013
www.circusohlala.ch ; 82 Showfotos

Dübendorf, 29. September 2013: In den Circus geht man der Kinder wegen? Mitnichten. Im Liebescircus Ohlala von Rolf und Gregory Knie sind Kinder nicht erlaubt. Die Mischung aus Erotik und Artistik, viel Komik sowie Musik und Tanz will ein erwachsenes Publikum begeistern. Und schafft dies auch, denn in der besuchten Vorstellung herrschte hervorragende Stimmung. Viele Grüppchen hatten sich zusammengetan, um gemeinsam schick auszugehen – das sorgte für eine deutlich andere Atmosphäre als in der Nachmittagsvorstellung eines Familiencircus.

Und so ganz anders als circus-üblich ist auch das Ambiente. Zwischen „den Beinen einer Frau hindurch“, die das Transparent am Einlass schmückt, führt der Weg ins Vorzelt. Dort erwartet die Besucher stilvolle Nachtclub-Atmosphäre. Ein Shop gleich am Eingangsbereich bietet allerlei erotische Utensilien, die Bars und der nur mit spezieller Buchung zugängliche „Garten Eden“ sind detailverliebt dekoriert. Im Spielzelt sind die rund 880 Einzelsitze mit rotem Stoff bezogen und gruppieren sich um die runde Bühne. Der Aufwand für diese Produktion ist enorm, zumal auch in dieser Saison nur ein einziges Gastspiel gegeben wird, wiederum auf dem Gelände des Militärflughafens Dübendorf bei Zürich. Nach den Shows 2011 und 2012 wird nun zweideutig der „dritte Akt“ geboten, durch den sich zwei kleine Geschichten ziehen. 


Amy G. mit Ballett, Kabarett Klischee 

Die Amerikanerin Amy Gordon gibt hier die Offizierin G. Im Auftrag der Regierung soll sie verhindern, dass im Namen der Kunst etwas Schmutziges passiert. Und so werden die meisten Artisten von ihr direkt nach dem Auftritt verhaftet und in den Knast gebracht. Als scheinbar ganz schlechte Idee erweist es sich dabei, die Sünderjagd durch Rollschuhe beschleunigen zu wollen – herrlich unbeholfen unterwegs, schlittert die strenge Aufpasserin fast ins Publikum. Mehrfach ist sie auch als stimmgewaltige Sängerin zu erleben. Dabei ist es im Übrigen Amy selbst, die im zweiten Teil des Programms etwas ganz und gar nicht Salonfähiges tut. Unter ihrem stilvollen schwarzen Abendkleid entledigt sie sich ihres Slips, führt daraufhin mit umwerfendem Mienenspiel ein kleines Musikinstrument, eine Ansingtrommel, in sich ein und musiziert dem Anschein nach auf höchst außergewöhnliche Weise. Mit einer zweiten solchen „Kazoo“ im Mund spielt sie dann gar zweistimmig. Ein herrlicher, zwerchfellerschütternder Spaß. Ohnehin gibt es in dieser Show äußerst viel zu lachen. Dafür sorgt auch das Schweizer Duo „Kabarett Klischee“, bestehend aus Linda C. Deubelbeiss und Raphael Oldani mit seinen frivolen Dialogen über die Liebe. Ob seine Partnerin den Orgasmus bisweilen nur vorspiele, will Raphael wissen. „Wenn du ein Geräusch noch nie gehört hast, dann ist es echt“, lässt diese ihn wissen. Und besser als Linda auf der Ohlala-Bühne konnte auch Meg Ryan in „Harry and Sally“ keinen Höhepunkt mimen.


Erotische Fantasien in Bilder umgesetzt

Später entfaltet die Suche nach einem „Liebeselixier“, der zweite Handlungsstrang, seine Wirkung: Linda besucht ihren inzwischen inhaftierten Raphael im Gefängnis, und bei diesem Gespräch dreht sich alles um die erotischen Fantasien der beiden. Sogleich werden die Vorstellungen auf der Bühne dargestellt. So träumt der Herr vom Striptease-Ballett und die Dame von einer Sado-Maso-Einlage. Für beides ist das Ballett zuständig, welches für jeden Geschmack etwas zu bieten hat: gertenschlanke oder eher dralle, brünette oder blonde Damen und zwei muskulöse Kerle. Humor der brachialen Sorte bringt der Brite Chris Lynam auf die Bühne. Bei Flic Flac arbeitete er nur einen Abend zur Probe – am Tag der Köln-Premiere – und wurde dann gleich wieder aus dem Programm genommen; im Liebescircus durfte er bleiben. Allerdings hatte er in Köln auch eine äußerst rüde Mitmach-Nummer gezeigt, die bei Ohlala nicht zu sehen ist. Vielmehr sorgt er hier mit einem turbulenten Sprachkurs durchaus für Lacher und fügt sich wesentlich besser ein. Was heißt „Avalanche“ auf deutsch? Richtig, „Lawine“, und zur Verdeutlichung schlägt er einem Logengast eine Styroporkiste auf den Kopf – usw. „I can’t believe you sitting and watching this rubbish“, fasst er seine Nummer selbst zusammen, bei der später auch Eiswürfel („Was heißt Eskimo-Pipi?“) ins Publikum fliegen. Seine fernsehberühmte Einlage, bei der er seine Fähigkeiten als „Analpyrotechniker“ beweist, ist hier glücklicherweise kompakt ins Schlussbild der Show integriert, anstatt als eigene Nummer zu laufen. 


Eike von Stukenbrok, Laura von Bongard, Duo Lyrical Lyra 

Der erste artistische Auftritt gehört dem Duo „Lyrical Lyra“. Am unablässig kreisenden Luftring zeigen die beiden schönen Amerikanerinnen Naomi Parshin und Stephanie Chisholm in roter Unterwäsche sinnlich-erotische und zugleich gefahrvolle Posen. Gleich darauf wird es jedoch wieder heiter-witzig. Mentalmagier Tobias Heinemann, Schweizer mit deutschen Wurzeln, sieht hervor, welches Wort ein Zuschauer – scheinbar zufällig – aus einer Zeitung wählen wird. Der Trick ist fraglos verblüffend, doch der in der Schweiz fernsehbekannte Heinemann verhaspelt sich zumindest an diesem Abend mehrfach. Überraschend auch, dass es bei diesem einen Auftritt Heinmanns in der Show bleibt. Fürs Erotische ist dann wieder die deutsche Antipodistin Laura von Bongard zuständig, die hier „oben ohne“ arbeitet. Damit muss sie keinesfalls fehlende Leistung kaschieren, denn sie jongliert bis zu sechs goldfarbene Bälle gleichzeitig mit Händen und Füßen. Dabei lässt sie die Bälle zwischendurch auf dem Boden links und rechts ihrer dekorativen Trinka aufdopsen. Eike von Stuckenbrok zeigt eine ungewöhnliche Variante der „Hand-auf-Hand“-Artistik, denn sein Partner ist eine Schaufensterpuppe. Allerdings fällt seine kraftvolle Darbietung auch überraschend kurz aus.


Rich Metiku, Angel Amieva, Remi Martin und Eike von Stuckenbrok 

Ein großes Plus dieser Produktion ist die mitreißende Musik. Und so rockt die sechsköpfige Band zum Beispiel so richtig los, wenn die äthiopische Kontorsionistin Rich Metiku ihren Körper in unglaublicher Weise in alle Richtungen windet. Schade nur, dass sie direkt auf dem Bühnenboden arbeitet, auf einem Podest wäre sie noch besser zu sehen. Auf frivole Weise geht es in den Pause, schließlich erweisen sich der Priester (alias der spanische Komiker Angel Amieva) und seine beiden Nonnen als äußerst scheinheilig – er trägt einen Elefanten-String unterm Talar und die Damen heiße Netzunterwäsche unter den Kutten. Was Laura von Bongard für die Herren, ist Robert Choinka für die Damen im Publikum. Choinka zeigt seine Handstände ölverschmiert auf einem Stapel Autoreifen, entledigt sich des T-Shirts und – in der Handstandwaage, nur mit den Füßen – auch noch der Hose. Und ebenso gilt: Trotz sinnlicher Verpackung kommt die Leistung nicht zu kurz. Sinnlich ist freilich auch das Body-Painting-Ballett, bei dem die Tänzerinnen und Tänzer mit fluoreszierenden Farben bemalt sind und in fast völliger Dunkelheit agieren. Geradezu gefeiert werden vom Publikum schließlich Rémi Martin und Eike von Stuckenbrok für ihre herausragende Arbeit voller Kraft und Dynamik am doppelten Chinesischen Masten, denen zwischen ihren spektakulären Tricks immer noch Zeit für eine lässige Frage Richtung Publikum zeigt: „Und sonst so?“.

„A little party never killed nobody”: Zu diesem Dance-Kracher aus dem Soundtrack von “The Great Gatsby” verabschiedet sich das tanzende Ensemble im Finale vom begeisterten Publikum, im vorderen Teil der Tribüne wird stehend applaudiert. Der Liebescircus von Vater und Sohn Knie bietet in der Tat eine große Party für Erwachsene – einen detailverliebten, witzigen und musikalischen Spaß, der auch artistisch durchweg überzeugt und zweifellos ziemlich sexy ist.

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Text: Markus Moll, Fotos: Tobias Erber