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Rapperswil, 21. März 2013: „Die
stärkste, mitreißendste und begeisterndste Show der jüngeren
Knie-Vergangenheit“, so lautete unser Fazit zur letztjährigen Show.
Diese Bewertung kann man getrost auf die Produktion 2013 des Schweizer
Nationalcircus übertragen. Mit „Émotions“ hat sich Knie nochmals deutlich
gesteigert. Endlich wieder gibt es eine große Luftnummer. Auch
eine engagierte Tierdressur (leider keine Raubtiere) ist nun
wieder mit von der Partie. Die Fratelli Errani begeisterten im
letzten Jahr noch mit einer famosen Doppelpost.
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Nun
zeigen sie eine spektakuläre Artistiknummer mit
Schleuderbrett-Elefanten. Geblieben sind die Konstanten: Wunderschöne
Tierdressuren der Familie Knie, tolle, mitreißende Bilder, bei denen
ein Bingo-Ensemble im Mittelpunkt steht, und eine asiatische Truppe.
Geblieben ist allerdings ebenfalls das Setzen auf Vertreter der
Schweizer Comedy, welche schon länger keine Garanten auf Lachsalven
unter dem weißen Chapiteau mehr sind. Im aktuellen Programm wird einem
dies ganz besonders bewusst.
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Finale
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Mit
dem Titel „Émotions“ wird das aufgegriffen, was jedes gute
Circusprogramm ausmacht. Es soll die verschiedensten Gefühle wecken.
Und das schafft Knie vortrefflich. Bei der neuen Show kann der Besucher
zweieinhalb Stunden lang träumen, mit waghalsigen Artisten fiebern,
sich an wunderschönen Bildern erfreuen, lachen, staunen und am Ende
beim großen Finale enthusiastisch jubeln. Die Intensität wird
gesteigert durch eine hochkarätige Besetzung, ein traumhaftes Licht und
einen wunderbar flotten Ablauf. Einzig bei der Musik droht Knie langsam
in mir einen Fan selbiger zu verlieren. Es gibt wiederum eine Mischung
aus vorproduzierten Sounds und Livemusik. So richtig auseinander halten kann man
die Komponenten nicht mehr, hat aber das Gefühl, dass die
Konserve die Oberhand gewonnen hat. Wenngleich die Auswahl
sehr gelungen ist, würde ich inzwischen gerne wieder 100
Prozent Livemusik hören.
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Ivan Frederic Knie, Maycol Errani, Truppe Bingo
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Beginnen
wir mit den großen Bildern. Gleich nach der Ouvertüre gibt es ein
solches. Wenn sich der Vorhang öffnet, erscheinen Fredy Knie, Maycol
Errani sowie Ivan Frederic Knie zu Pferd. Nacheinander begrüßen sie das
Publikum in verschiedenen Sprachen. Ein bislang in dieser Formation bei
Knie noch nicht zu sehendes Bingo-Ensemble stürmt die Manege und heizt
mit Bola-Spielen die Stimmung an. Zunächst reitet Fredy Knie elegant
Elemente der Hohen Schule, sein Schwiegersohn übernimmt. Nach einer
weiteren Bola-Einlage bringen die Fratelli Errani eine kurze
Jockey-Reiterei, Salto auf dem Pferderücken inklusive. Als besonderes
Bonbon zeigt auch Ivan-Frederic Sprünge auf dem Pferderücken. Es ergibt
sich damit ein imposantes, vielfältiges Tableau, welches Artistik und
Reiterei ungeheuer mitreißend vereint. Ein perfekter Start in diese
Circusshow. Nach der Pause haben die Bingo-Mitglieder ihren zweiten
Auftritt. Dann stehen zwei Artisten mit Leiterakrobatik im Vordergrund,
die restlichen Akteure unterstützen tänzerisch. Der zweite Programmteil
findet übrigens wiederum komplett auf einem Holzboden statt.
Mary-Jose Knie, Linna und Chris Rui Knie, Franco Knie junior und Guido Errani
Große
angelegt sind natürlich ebenfalls die Tierdressuren der Familien Knie.
Die Pferdeshow folgt dabei dem bekannten Ablauf. Zunächst „spielt“
Mary-José Knie effektvoll mit einem einzelnen Pferd, um dann kurz einen
Dreierzug zu dirigieren. Sodann haben Maycol Errani und seine neue
Dressurschöpfung ihren Auftritt. Er bringt vier wunderschöne Kamele mit
ebenso vielen herrlichen Friesen in die Manege. Zusammen zeigen sie
eine sehr schöne Laufarbeit. Als Zugabe springen Guanakos über an der
Piste abliegende Kamele. Zehn weiße Vollblutaraber dürfen sich zunächst
frei in der Manege austoben. Nach dieser harmonischen Frequenz – quasi
Nebelpferde ohne Nebel – übernimmt Géraldine Katharina Knie das
Kommando und formt diese Gruppe ausgesuchter Araber zu eindrucksvollen
Bildern. Eben ganz so, wie es das Markenzeichen der Knies ist. Als
Zugaben gibt es zunächst drei Pferde, die wie Korbpferde zwischen vier Cavalettis zum Halten kommen und verschiedenen Steiger. Bei der
Elefantendressur agieren anfangs in gewohnter Weise Franco Knie junior,
Ehefrau Linna und beider Sohn Chris Rui mit den drei indischen
Elefantendamen. Die Bilder verbinden die Tricks der Tiere mit der
eleganten Ausstrahlung ihrer Vorführer. Das unbefangene Agieren vom
kleinen Chris Rui zwischen den mächtigen Tieren sorgt natürlich immer
für einen besonderen Effekt. Richtig spannend wird es aber, wenn
Maycol, Wioris und Guido Errani hinzukommen. Natürlich denkt bei
Schleuderbrett-Elefanten jeder an die Familie Casselly. Sie sind
aktuell der Maßstab, wenngleich nicht die Erfinder dieser Disziplin.
Die Erranis nehmen die Herausforderung an. Auch sie zeigen den Sprung
zum Zwei-Mann-Hoch und den bereits zur Premiere sicher gestandenen
Dreifachen auf den Elefantenrücken. Dazu gibt es unter anderem einen
von zwei Erranis parallel gesprungenen Salto auf zwei Elefanten und den
Sprung auf den Kopf eines hochsitzenden Tieres. Alles gewohnt elegant
dargeboten zur Trampolin-Musik aus dem Vorjahr. Durch die Größe der
vierbeinigen Partner und das daraus resultierende kraftvolle Bedienen
des Schleuderbretts ergibt sich nochmal ein ganz besonderer Kick. Die
Schlusspointe mit Chris Rui beendet humorvoll diese großartige
Darbietung. Hochachtung vor den Erranis. Ihre jährlichen Auftritte sind
nicht nur neu einstudiert, sondern bewegen sich ebenfalls auf höchstem
Niveau, Chapeau! Schade, dass sie immer nur eine Saison lang zu sehen
sind.
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Alessio Fochesato, Super Silva, Flying Girls
Die
Dressur der (farben-)prächtigen Papageien von Alessio Fochesato ist
ebenfalls keine Saison gleich. Immer wieder integriert der sympathische
Italiener neue Tricks. Durch den nahezu vollständigen Verzicht auf
Requisiten kommt die Schönheit der Vögel vollends zur Geltung. Diese
zeigt sich insbesondere bei den herrlichen Flugsequenzen. Schön zu
sehen ist immer wieder der unkomplizierte Umgang mit Gästen aus dem
Publikum. Etwa wenn ein fliegender Bote eine Rose überbringt oder
Kinder die Reifen halten dürfen, durch die ein kleiner Ara präzise
hindurch fliegt. Die beiden anderen Luftnummern der Show sind weitaus
weniger entspannt anzusehen, sorgen sie doch für wahren Nervenkitzel.
Dies gilt ganz besonders für den schon verrückt zu nennenden Super
Silva. Der geschmeidige Brasilianer klettert in Windeseile an einem
Seil bis direkt unter die Kuppel. Dort zeigt er einen flotten
Deckenlauf und zwei Sprünge von Trapez zu Trapez. Das alles
ungesichert. Die Spannung im Publikum ist deutlich spürbar. Hier und
dort sind Schreie zu hören. Einen solchen Thriller sieht man heutzutage
selten in einem Circus. Da ist es schon deutlich beruhigender, dass die
große Luftnummer aus Nordkorea mit einem Netz abgesichert wird. Fünf
Fliegerinnen, die Flying Girls aus Pyöngyang, werden von insgesamt vier
männlichen Partnern sowohl in die Luft katapultiert als auch wieder
aufgefangen. Ein Trapez gibt es nämlich nicht. So entstehen wunderbar
fließende Flugbahnen über mehrere Stationen hinweg. Höhepunkt ist der
Vierfache, der in beiden Vorstellungen präzise gelingt.
Wuqiao Acrobatic Troupe, You & Me, Nina Burri
Die
zweite asiatische Truppe kommt aus China und nennt sich Hebei Wuqiao
Acrobatic Troupe. Sie waren, wie die meisten anderen artistischen
Darbietungen dieses Programms, bei uns bereits im Stuttgarter
Weltweihnachtscircus zu erleben. Die unzähligen (teilweise noch sehr)
jungen Chinesen fahren auf verschiedenen Varianten des Einrades und
zeigen von dort innovative Partnerjonglagen. Dies zumeist auf mehreren
Ebenen. So entstehen große, bewegte Bilder, bei denen die Requisiten –
Holzstäbe, an denen das einen Ende mit einem roten Tuch eingewickelt
ist – nur so durch die Luft fliegen. Allerdings werden die einzelnen
Tricks nicht sehr lange gehalten. Zum Träumen laden die weiteren
Vertreter der Sparte Artistik ein. Jugendlich-sinnlich ist die
Liebesgeschichte von Igor Gavva und Iuliia Palii, alias Duo You &
Me. Sie brauchen als Requisit für ihre Hand-auf-Hand-Artistik nicht
mehr als eine karierte Picknickdecke. Bei ihrem mit anspruchsvollen
Tricks gespickten Pas de deux übernimmt zumeist Iuliia den tragenden
Part. Das Zusammenspiel der beiden Ukrainer ist zudem fabelhaft. Auf
sich alleine gestellt ist Nina Burri, die durch ihren zweiten Platz in
der Show „Die größten Schweizer Talente“ zu nationaler Popularität
gelangte. Zudem ist sie Modell und Tänzerin. Letzteres merkt man ihrer
ästhetischen Kontorsions-Kür deutlich an. Die unglaublichen
Verrenkungen, die sie zu einem Popsong zeigt, wirken äußerst elegant.
Zum Schluss hin lässt sie sogar Elemente des Klischnigg einfließen,
verbiegt ihren Körper also nicht nur nach hinten, sondern zudem nach
vorne. Ihre Ausstrahlung tut ein Übriges. Auch ohne den Star-Status
würde sie in diesem Programm bestens ankommen.
Claudio Zuccolini, Steve Eleky
Das sieht bei Claudio Zuccolini anders aus. Hätte er keinen
Promistatus, wäre er wohl nicht bei Knie zu sehen. Er setzt die Reihe
der Schweizer Comedians in der Manege des Nationalcircus fort. Schon in
den letzten Jahren hatten diese mich nicht komplett überzeugt.
Zuccolini hat an der Premiere sichtlich Probleme. Die Presse reagierte
ebenfalls nicht eben positiv. „Starke Männer, starke Frauen und ein
Bündner auf verlorenem Posten“, überschrieb etwa der Tages-Anzeiger
seinen Premierenbericht. Zu seinen mit „Let me entertain you“
eingeleiteten Auftritten erscheint er als großer Magier mit rotem
Umhang. Neben den üblichen Scherzen über verschiedene Schweizer
Bevölkerungsgruppen soll mit einer großen Kanone zunächst sein
vierbeiniger Partner „Hundini“ in die Umlaufbahn geschossen werden. Als
das in zwei Versuchen nicht funktioniert, muss Zuccolini selbst in die
Kanone und hängt zum Schluss am Seil über der Manege. Es erinnert an
den ersten Auftritt des Duo Fischbach bei Knie im Jahr 1998. Mit dem
Unterschied, dass die Kanonenschuss-Szene bei den Fischbachs richtig
komisch war. Zuccolini ist durchaus sympathisch, aber eben nur sehr
bedingt witzig. Gut, dass es da noch Steve Eleky gibt. Mal wieder wurde er in
letzter Minute über den „Künstlernotdienst“ rekrutiert. Im
Schottenrock produziert er sich zunächst als Jongleur,
später als Zauberer. Dabei plaudert er offen aus seinem
Vertrag, zeigt seine vermeintliche Unlust an einzelnen
Tricks und freut sich, wenn ein Kunststück zu seiner eigenen
Verblüffung dann doch funktioniert. Selbst wenn man seine
Auftritte schon zig mal gesehen hat, sorgen sie immer wieder
für allergrößte Heiterkeit. Auch das Neu-Publikum in der
Schweiz erobert er im Sturm und sorgt so dafür, dass es bei
„Émotions“ richtig
was zu Lachen gibt.
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Zum
großartig inszenierten Finale gibt es minutenlange Standing Ovations,
die nicht enden wollen. Selbst dann, wenn der Vorhang bereits wieder
geschlossen ist. Mit der Show 2013 hat Knie ein Meisterwerk geschaffen,
welches einen komplett gefangen nimmt, fasziniert. Die Magie der Manege
und eben die Emotionen werden hier in unnachahmlicher Weise
transportiert. Circensischer Genuss pur.
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Text und Fotos:
Stefan Gierisch
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