Mal riss
es einige Höhner-Fans bei einem bekannten Gassenhauer („Schenk
mir dein Herz“) von den Sitzen, mal applaudierten einige
Zuschauer für den jungen Strapatenkünstler Svaytoslav Rasshivkin
stehend. Und dann, als sich der Vorhang zum Finale öffnete,
erhob sich das Publikum im bestens besuchten Zelt ohne
Umschweife zu Standing Ovations, Zugabe- und Bravorufe
inklusive. Seit dem Jahr 2000 machen die Kölner Institutionen
Höhner und Roncalli nun gemeinsame Sache, und heuer wurde zum
ersten Mal nach 2009 endlich wieder eine ganz neue Produktion
vorgestellt, nachdem bei „Salto Globale“ zuletzt der Lack ein
bisschen ab war. Nun heißt es „SternZeiten
– Himmelhochhigh in et Levve verknallt“. Mit den Sternzeichen
geht es durch den Jahreslauf, jedes von ihnen andere menschliche
Charaktere und Jahreszeiten verkörpernd, jedes durch artistische
Nummern symbolisiert.
Leonid Beljakov, Trio DAC, Lisa
Rinne
Beim letzten
European Youth Circus in Wiesbaden hatte die Jury erstmals zwei
Goldmedaillen vergeben, und beide Gold-Nummern eröffnen nun die
neue Höhner-Show. Den Anfang macht Lisa Rinne mit ihrer
originellen Kombination aus Akrobatik an der Strickleiter und
gewagten Kapriolen am Schwungtrapez. Neben Abfallern und
Pirouetten gehören u.a. auch drei spektakuläre Salti zum
Repertoire dieser leistungsstarken und mit strahlendem Lächeln
präsentierten Darbietung. Das Trio DAC präsentiert eine moderne,
mit vielen Gags verkaufte Variante des Schleuderbretts, bei dem
keine Menschentürme gebildet werden. Vielmehr katapultieren sich
die Artisten gegenseitig immer weiter in die Höhe, um nach Salti
und Pirouetten wieder auf dem Brett selbst – zum Teil auch auf
der gegenüberliegenden Seite – oder auf dicken Matten zu landen.
„Sie greift nach den Sternen“, singen die Höhner zu Lisa Rinne
und „Heute ist alles drin“ zum Trio DAC. „Keine Angst, der tut
nichts, der will nur spielen“, ist die musikalische Begleitung
zu Leonid Bejakovs witziger und temporeicher Hunderevue.
At Moonlight,
Miyoko Shida Rigolo, Yulia
Rasshivkina
„Nein, heute
nicht“ wird sinnfällig gespielt (und vom Publikum begeistert
mitgesungen), wenn später der Boxer Klitschko
scheinbar so gar nicht hören will – und einfach „gar nichts“
tut, allen Kommandos und Überredungsversuchen zum Trotz.
Beljakov war nur bei den vergangenen Gastspielen in Düren und
Kassel im Programm und soll in Köln durch Diane Dugard mit ihren
Hühnern ersetzt werden.
Neben vielen
aus anderen Programmen bekannten Nummern war das Handvoltigen-Quartett „At Moonlight“, bestehend aus drei Untermännern und
einer eleganten Fliegerin, neu für uns. Eine der erotischsten Vertreterinnen
des Hula-Hoop-Genres ist sicher Yulia Rasshivkina, die stets ein
wenig an die Monroe erinnert. Sie war ebenso bereits im
vergangenen Jahr Teil der Höhner-Show wie Miyoko Shida Rigolo,
die in ihrer meditativen Nummer 13 Palmäste zu einem äußersten
fragilen Mobile aufeinander legt, das sie später auf ihrem Kopf
balanciert. Damit geht es in die Pause.
Oleg Izossimov, Johan Wellton,
Svaytoslav Rasshivkin
Den zweiten
Programmteil eröffnet der 12-jährige Svaytoslav Rasshivkin, beim
European Youth Circus 2012 Silber-Gewinner bei den Jüngeren. Er
gibt ein zunächst noch schlafendes Kind, das sich vom Bett aus
zu seiner leistungsstarken Strapatenkür in die Lüfte schwingt.
Die, für sein Alter, absolut außergewöhnlichen Leistungen und
vor allem starken körperlichen Belastungen lassen trotz des
charmanten Verkaufs ein leichtes Unbehagen zurück. Das Publikum
hat solche Bedenken nicht. Svaytoslav Rasshivkin erntet geradezu
stürmischen Applaus, von einigen Zuschauern gar im Stehen
dargeboten. Als Jongleur der Spitzenklasse erweist sich der
33-jährige Schwede Johan Wellton, der fließend zwischen
Bouncing- und normalen Balljonglagen wechselt. Sechs Bälle lässt
er unter der Tischplatte seines Requisits und unter der
Sitzfläche eines darauf stehenden Stuhls abprallen, um sie
wieder zu fangen; kurz darauf zeigt er Bouncingjonglage mit
sieben Bällen. Später klebt er sich die Augen mit schwarzem
Klebeband zu. Blind lässt er nun fünf Bälle bouncen, während er
zu Beginn noch auf seinem Stuhl steht und sich dann hinsetzt.
Kein Ball entspringt ihm dabei. Doch Wellton ist nicht nur
technisch gut, sondern auch ein Energiebündel und Entertainer,
der das Publikum sofort auf seiner Seite heute. Mit Oleg
Izossimov und seinen gewohnt perfekt und höchst elegant
vorgetragenen Handständen findet sich ein weiterer bekannter
Hochkaräter in der Show – „wie der Zeiger einer Uhr“ spielen die
Höhner dazu.
Henning Krautmacher und Andrey
Jigalov, Leosvel und Diosmani, Sandmalerei von Svetlava
Goncharenko
Für den
Humor sorgt erneut Andrey Jigalov. Der ewige Loser entert das
Zelt zunächst mit einer drallen Schönheit an seiner Seite, mit
der er so gerne in der Loge sitzen würde, um die Dame zu
beeindrucken. Dumm, dass der Platzanweiser das Paar auf die
hintersten Ränge verfrachten will und dann einfach selbst mit
der Angebeteten verschwindet. Höchst unterhaltsam ist auch
Jigalovs Scheitern im Schokoladen-Wettspiel mit Höhner-Frontmann
Henning Krautmacher. Komischer Höhepunkt ist jedoch nach wie vor
das „Wasserentree“ mit Höhner-Musiker Peter Werner. Verzweifelt
versucht Jigalov, seinen Kontrahenten nass zu machen und steht
am Ende selbst besudelt da. Palmäste-Balance und Sandmalerei in
einer Show, diese Kombination hatte es erst beim vergangenen
Weihnachtsgastspiel von Flic Flac in Kassel gegeben. Insofern
war es wohl etwas unglücklich, dass beide Genres wenige Monate
später auch in der Höhner-Show in Kassel vertreten waren.
Während Lili Chistina bei Flic Flac wohl die „schärferen“, noch
besser erkennbaren Bilder auf die beleuchte Glasplatte
zeichnete, bezauberte ihre Kollegin Svetlana Goncharenko bei den
„Höhnern“ mit der durchgängigeren Geschichte. Sie handelte vom
Kreislauf des Lebens, der ja auch das Thema der „Sternzeiten“-Produktion
insgesamt ist. So fügte sich die Nummer bestens ins Konzept. Den
abschließenden Höhepunkt der aktuellen Produktion liefern
Leosovel und Diosmani. Die beiden Kubaner beeindruckten mit
ihrer sensationellen Mastnummer u.a. bereits im
Weltweihnachtscircus und bei Knie. Einmalig, wie Leosvel Sarita
die „menschliche Flagge“ zeigt und Diosmani Aguero dabei auf
seinem Oberkörper einen einarmigen Handstand drückt! |