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Höhner Rockin' Roncalli - Tour 2013
www.hoehner-rockin-roncalli.de ; 85 Showfotos

Kassel, 22. Juni 2013: Kassel steht völlig Kopf! Dieser Zustand stellte sich bei unserem Besuch der Höhner Rockin’ Roncalli Show schon nach der zweiten Nummer ein. Im Zusammenspiel mit der Kölner Kultband Höhner hatten Lisa Rinne am Schwungtrapez und das Schleuderbretttrio DAC für einen Auftakt nach Maß gesorgt. Doch es blieb nicht bei dem fantastischen Beginn. Die ganze Drei-Stunden-Show wurde von der Euphorie des Publikums getragen, das herzhaft lachte, schunkelte, sang, mitfieberte und begeistert applaudierte. Die musikalische Circusshow feierte einen geradezu triumphalen Erfolg.

Mal riss es einige Höhner-Fans bei einem bekannten Gassenhauer („Schenk mir dein Herz“) von den Sitzen, mal applaudierten einige Zuschauer für den jungen Strapatenkünstler Svaytoslav Rasshivkin stehend. Und dann, als sich der Vorhang zum Finale öffnete, erhob sich das Publikum im bestens besuchten Zelt ohne Umschweife zu Standing Ovations, Zugabe- und Bravorufe inklusive. Seit dem Jahr 2000 machen die Kölner Institutionen Höhner und Roncalli nun gemeinsame Sache, und heuer wurde zum ersten Mal nach 2009 endlich wieder eine ganz neue Produktion vorgestellt, nachdem bei „Salto Globale“ zuletzt der Lack ein bisschen ab war. Nun heißt es „SternZeiten – Himmelhochhigh in et Levve verknallt“. Mit den Sternzeichen geht es durch den Jahreslauf, jedes von ihnen andere menschliche Charaktere und Jahreszeiten verkörpernd, jedes durch artistische Nummern symbolisiert.

 
Leonid Beljakov, Trio DAC, Lisa Rinne

Beim letzten European Youth Circus in Wiesbaden hatte die Jury erstmals zwei Goldmedaillen vergeben, und beide Gold-Nummern eröffnen nun die neue Höhner-Show. Den Anfang macht Lisa Rinne mit ihrer originellen Kombination aus Akrobatik an der Strickleiter und gewagten Kapriolen am Schwungtrapez. Neben Abfallern und Pirouetten gehören u.a. auch drei spektakuläre Salti zum Repertoire dieser leistungsstarken und mit strahlendem Lächeln präsentierten Darbietung. Das Trio DAC präsentiert eine moderne, mit vielen Gags verkaufte Variante des Schleuderbretts, bei dem keine Menschentürme gebildet werden. Vielmehr katapultieren sich die Artisten gegenseitig immer weiter in die Höhe, um nach Salti und Pirouetten wieder auf dem Brett selbst – zum Teil auch auf der gegenüberliegenden Seite – oder auf dicken Matten zu landen. „Sie greift nach den Sternen“, singen die Höhner zu Lisa Rinne und „Heute ist alles drin“ zum Trio DAC. „Keine Angst, der tut nichts, der will nur spielen“, ist die musikalische Begleitung zu Leonid Bejakovs witziger und temporeicher Hunderevue.


At Moonlight, Miyoko Shida Rigolo, Yulia Rasshivkina 

„Nein, heute nicht“ wird sinnfällig gespielt (und vom Publikum begeistert mitgesungen), wenn später der Boxer Klitschko scheinbar so gar nicht hören will – und einfach „gar nichts“ tut, allen Kommandos und Überredungsversuchen zum Trotz. Beljakov war nur bei den vergangenen Gastspielen in Düren und Kassel im Programm und soll in Köln durch Diane Dugard mit ihren Hühnern ersetzt werden.  Neben vielen aus anderen Programmen bekannten Nummern war das Handvoltigen-Quartett „At Moonlight“, bestehend aus drei Untermännern und einer eleganten Fliegerin, neu für uns. Eine der erotischsten Vertreterinnen des Hula-Hoop-Genres ist sicher Yulia Rasshivkina, die stets ein wenig an die Monroe erinnert. Sie war ebenso bereits im vergangenen Jahr Teil der Höhner-Show wie Miyoko Shida Rigolo, die in ihrer meditativen Nummer 13 Palmäste zu einem äußersten fragilen Mobile aufeinander legt, das sie später auf ihrem Kopf balanciert. Damit geht es in die Pause.

 
Oleg Izossimov, Johan Wellton, Svaytoslav Rasshivkin 

Den zweiten Programmteil eröffnet der 12-jährige Svaytoslav Rasshivkin, beim European Youth Circus 2012 Silber-Gewinner bei den Jüngeren. Er gibt ein zunächst noch schlafendes Kind, das sich vom Bett aus zu seiner leistungsstarken Strapatenkür in die Lüfte schwingt. Die, für sein Alter, absolut außergewöhnlichen Leistungen und vor allem starken körperlichen Belastungen lassen trotz des charmanten Verkaufs ein leichtes Unbehagen zurück. Das Publikum hat solche Bedenken nicht. Svaytoslav Rasshivkin erntet geradezu stürmischen Applaus, von einigen Zuschauern gar im Stehen dargeboten. Als Jongleur der Spitzenklasse erweist sich der 33-jährige Schwede Johan Wellton, der fließend zwischen Bouncing- und normalen Balljonglagen wechselt. Sechs Bälle lässt er unter der Tischplatte seines Requisits und unter der Sitzfläche eines darauf stehenden Stuhls abprallen, um sie wieder zu fangen; kurz darauf zeigt er Bouncingjonglage mit sieben Bällen. Später klebt er sich die Augen mit schwarzem Klebeband zu. Blind lässt er nun fünf Bälle bouncen, während er zu Beginn noch auf seinem Stuhl steht und sich dann hinsetzt. Kein Ball entspringt ihm dabei. Doch Wellton ist nicht nur technisch gut, sondern auch ein Energiebündel und Entertainer, der das Publikum sofort auf seiner Seite heute. Mit Oleg Izossimov und seinen gewohnt perfekt und höchst elegant vorgetragenen Handständen findet sich ein weiterer bekannter Hochkaräter in der Show – „wie der Zeiger einer Uhr“ spielen die Höhner dazu.


Henning Krautmacher und Andrey Jigalov, Leosvel und Diosmani, Sandmalerei von Svetlava Goncharenko 

Für den Humor sorgt erneut Andrey Jigalov. Der ewige Loser entert das Zelt zunächst mit einer drallen Schönheit an seiner Seite, mit der er so gerne in der Loge sitzen würde, um die Dame zu beeindrucken. Dumm, dass der Platzanweiser das Paar auf die hintersten Ränge verfrachten will und dann einfach selbst mit der Angebeteten verschwindet. Höchst unterhaltsam ist auch Jigalovs Scheitern im Schokoladen-Wettspiel mit Höhner-Frontmann Henning Krautmacher. Komischer Höhepunkt ist jedoch nach wie vor das „Wasserentree“ mit Höhner-Musiker Peter Werner. Verzweifelt versucht Jigalov, seinen Kontrahenten nass zu machen und steht am Ende selbst besudelt da. Palmäste-Balance und Sandmalerei in einer Show, diese Kombination hatte es erst beim vergangenen Weihnachtsgastspiel von Flic Flac in Kassel gegeben. Insofern war es wohl etwas unglücklich, dass beide Genres wenige Monate später auch in der Höhner-Show in Kassel vertreten waren. Während Lili Chistina bei Flic Flac wohl die „schärferen“, noch besser erkennbaren Bilder auf die beleuchte Glasplatte zeichnete, bezauberte ihre Kollegin Svetlana Goncharenko bei den „Höhnern“ mit der durchgängigeren Geschichte. Sie handelte vom Kreislauf des Lebens, der ja auch das Thema der „Sternzeiten“-Produktion insgesamt ist. So fügte sich die Nummer bestens ins Konzept. Den abschließenden Höhepunkt der aktuellen Produktion liefern Leosovel und Diosmani. Die beiden Kubaner beeindruckten mit ihrer sensationellen Mastnummer u.a. bereits im Weltweihnachtscircus und bei Knie. Einmalig, wie Leosvel Sarita die „menschliche Flagge“ zeigt und Diosmani Aguero dabei auf seinem Oberkörper einen einarmigen Handstand drückt!

Bei „Viva Colonoia“ und „Hey Kölle“ im ausgiebig zelebrierten Finale kennt die Begeisterung im Publikum kein Halten mehr. Nach den Gastspielen in Düren und Kassel pausiert die „Höhner Rockin’ Roncalli Show“, doch die nächste Gelegenheit in Köln – vom 11. bis 29. September an noch unbekanntem Standort – sollte sich niemand entgehen lassen.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber