Wieder
einmal durfte André
Sarrasani sein markantes Pyramidenzelt mit außen liegenden
Masten auf dem Dern’schen Gelände, mitten im Zentrum der
Großstadt, aufstellen. Möglich machen dies die besondere
Konstruktion, bei der Gewichte statt Ankerpflöcke für die
Bodenhaftung sorgen – und ein Deal mit der Stadt Wiesbaden.
Sarrasani stellt die Zeltanlagen für den European Youth Circus
im November und darf im Gegenzug zweimal an gleicher Stelle
spielen. Ein im Lounge-Stil eingerichtetes Vorzelt, unter
anderem mit schwarzen Sofas auf Teppichboden, und die Kulisse
mit Showtreppen links und rechts trugen zum gehobenen Ambiente
bei. „Luminesque – Die Magie der Farben“, lautete das
Programmotto. Gemeint ist damit, knapp zusammengefasst, dass die
Lichtregie durch den Einsatz von Farben Stimmungen schafft. So
wird das Selbstverständliche geschickt als Innovation verkauft.
LED-Scheinwerfer und Moving Heads, vor allem auch „von hinten“
das Geschehen illuminierend, schafften diese Farb-Stimmungen.
Yello,
Collins Brothers, Grandma
Besonders
hochkarätig war in diesem Programm der humoreske Part besetzt.
Hierzu gehörte zu einem Barry Lubin alias Grandma, einer der
renommiertesten Clowns dieser Zeit. Die „Oma“ in ihrem markanten
Outfit mit grauen Locken, rotem Kostüm, Perlenkette und gelben
Kniestrümpfen zeigte ihre Version des „Popcorns“, tanzte cool zu
Britney Spears, wagte sich in ihrer Paradenummer aufs
Fitness-Laufband und lieferte sich eine Wasserschlacht mit einem
Jungen aus der Loge. Allerdings kam „Grandma“ neben den zweiten
Komikern im Programm fast ein wenig kurz. Die bald legendären
Collins Brothers (u.a. Barum, Flic Flac) glänzten, neben zwei
weiteren Auftritten, vor allem mit der herrlich albernen und
brüllend komischen Parodie auf die „zersägte Jungfrau“. Das
komische Trapez, mit dem das Duo einst so erfolgreich war, wurde
hingegen nicht gezeigt. Dennoch gab es noch mehr zu lachen: In
luftiger Höhe focht „Yello“ alias Lloyd Kandin einen heiteren
wie artistisch durchaus anspruchsvollen Kampf gegen die gelben
Vertikaltücher aus. Mehrfach tauchte er auch als lustiger
Sidekick von André Sarrasani in der Show auf.
André
Sarrasani mit Ballett bzw. Tiger Kaya, Darja Golobokiha
Das Genre
Großillusion von den Collins Brothers so veralbern zu lassen,
zeugt schon von einer gewissen Größe, denn natürlich stand André
Sarrasani auch in Wiesbaden mit seinen Großillusionen in der
Manege, wie gewohnt glamourös verkauft mit fünfköpfigem Ballett.
So ließ er eine Assistentin schweben, „köpfte“ eine andere, ließ
sich selbst von rotierenden Kreissägenblättern „zerteilen“ und
„durchbohrte“ die Damen mit brennenden Schwertern, ehe zum
Finale der weiße Jungtiger Kaya herbeigehext wurde. Im Dialog
mit einem Jungen aus dem Publikum nahm André Sarrasani seine
Zaubereien bei einer gewollt „misslungenen“ Enten-Illusion auch
noch selber auf die Schippe.
Wie
gewohnt bot auch dieses Sarrasani-Programm eine Tiernummer:
Darja Golobokiha ließ ihre Katzen und kleinen Hunde in möglichen
und unmöglichen Weisen auf sich herumklettern und Männchen
machen. Eine hübsch präsentierte Nummer mit einer eleganten
Vorführerin mit Zylinderhut und „Salon-Atmosphäre“, denn
Kommode, Sessel und Tischchen sind die Requisiten.
Granadeiro Brothers, Duo Kvas, Duo Golovon
Den
artistischen Bereich des Programms eröffneten die Granadeiro
Brothers mit ihrer wirklich rasanten Bola-Nummer im traditionell
folkloristischen Stil. Im zweiten Programmteil kehrten sie mit
dem Todesrad wieder, das hier nur einen Laufkessel hatte – auch
hier wurden die Aktionen (u.a. Blindlauf, Seilspringen) mit viel
Temperament verkauft, auch wenn dies sicher nicht die
spektakulärste Variante des Genres ist. Mit einer starken
Leistung überzeugte das Duo Golovon, Liudmyla und Ivan, an der
Luftperche. Höhepunkte der Trickfolge sind der Genickhangwirbel
sowie der Wirbel der Partnerin im Spagat, vom Porteur mit
Genickschlaufe gehalten. Artistische Highlight der Show war
eindeutig die Hand-auf-Hand-Arbeit des ukrainischen Duo Kvas
alias Kostenko Vlad und Anton Savchenko. Besonders
bemerkenswert, wie sich der Untermann beim Kopf-auf-Kopf ohne
Vorteil aus dem Stand zu Boden setzt und anschließend wieder
aufrichtet. Eingerahmt wurde die Show vom bekannten Prolog, in
dem Seniorchefin Ingrid Sarrasani die Geschichte dieses Circus
Revue passieren lässt, und einem Finale im klassischen Revuestil
zum Abschluss. |