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Sarrasani - Wiesbaden 2012
www.sarrasani.de ; 60 Showfotos

Wiesbaden, 17. Mai 2012: Ein speziell für eine Stadt zusammengestelltes Circusprogramm, das gibt es sonst nur an Weihnachten. So gesehen war es der erste Weihnachtscircus der Saison, den André Sarrasani zu Pfingsten in Wiesbaden bot. Nach der traditionellen Dinnershow-Saison in Dresden und der abenteuerlichen Gastspielreise nach Abu Dhabi war das Gastspiel in der hessischen Landeshauptstadt die erste und einzige Gelegenheit seit zwei Jahren, eine öffentliches Circusshow des Unternehmens zu besuchen. Viel Humor, Artistik, Dressur und die bekannten Großillusionen wurden geboten.

Wieder einmal durfte André Sarrasani sein markantes Pyramidenzelt mit außen liegenden Masten auf dem Dern’schen Gelände, mitten im Zentrum der Großstadt, aufstellen. Möglich machen dies die besondere Konstruktion, bei der Gewichte statt Ankerpflöcke für die Bodenhaftung sorgen – und ein Deal mit der Stadt Wiesbaden. Sarrasani stellt die Zeltanlagen für den European Youth Circus im November und darf im Gegenzug zweimal an gleicher Stelle spielen. Ein im Lounge-Stil eingerichtetes Vorzelt, unter anderem mit schwarzen Sofas auf Teppichboden, und die Kulisse mit Showtreppen links und rechts trugen zum gehobenen Ambiente bei. „Luminesque – Die Magie der Farben“, lautete das Programmotto. Gemeint ist damit, knapp zusammengefasst, dass die Lichtregie durch den Einsatz von Farben Stimmungen schafft. So wird das Selbstverständliche geschickt als Innovation verkauft. LED-Scheinwerfer und Moving Heads, vor allem auch „von hinten“ das Geschehen illuminierend, schafften diese Farb-Stimmungen.

 
Yello, Collins Brothers, Grandma

Besonders hochkarätig war in diesem Programm der humoreske Part besetzt. Hierzu gehörte zu einem Barry Lubin alias Grandma, einer der renommiertesten Clowns dieser Zeit. Die „Oma“ in ihrem markanten Outfit mit grauen Locken, rotem Kostüm, Perlenkette und gelben Kniestrümpfen zeigte ihre Version des „Popcorns“, tanzte cool zu Britney Spears, wagte sich in ihrer Paradenummer aufs Fitness-Laufband und lieferte sich eine Wasserschlacht mit einem Jungen aus der Loge. Allerdings kam „Grandma“ neben den zweiten Komikern im Programm fast ein wenig kurz. Die bald legendären Collins Brothers (u.a. Barum, Flic Flac) glänzten, neben zwei weiteren Auftritten, vor allem mit der herrlich albernen und brüllend komischen Parodie auf die „zersägte Jungfrau“. Das komische Trapez, mit dem das Duo einst so erfolgreich war, wurde hingegen nicht gezeigt. Dennoch gab es noch mehr zu lachen: In luftiger Höhe focht „Yello“ alias Lloyd Kandin einen heiteren wie artistisch durchaus anspruchsvollen Kampf gegen die gelben Vertikaltücher aus. Mehrfach tauchte er auch als lustiger Sidekick von André Sarrasani in der Show auf.


André Sarrasani mit Ballett bzw. Tiger Kaya, Darja Golobokiha

Das Genre Großillusion von den Collins Brothers so veralbern zu lassen, zeugt schon von einer gewissen Größe, denn natürlich stand André Sarrasani auch in Wiesbaden mit seinen Großillusionen in der Manege, wie gewohnt glamourös verkauft mit fünfköpfigem Ballett. So ließ er eine Assistentin schweben, „köpfte“ eine andere, ließ sich selbst von rotierenden Kreissägenblättern „zerteilen“ und „durchbohrte“ die Damen mit brennenden Schwertern, ehe zum Finale der weiße Jungtiger Kaya herbeigehext wurde. Im Dialog mit einem Jungen aus dem Publikum nahm André Sarrasani seine Zaubereien bei einer gewollt „misslungenen“ Enten-Illusion auch noch selber auf die Schippe. Wie gewohnt bot auch dieses Sarrasani-Programm eine Tiernummer: Darja Golobokiha ließ ihre Katzen und kleinen Hunde in möglichen und unmöglichen Weisen auf sich herumklettern und Männchen machen. Eine hübsch präsentierte Nummer mit einer eleganten Vorführerin mit Zylinderhut und „Salon-Atmosphäre“, denn Kommode, Sessel und Tischchen sind die Requisiten.

 
Granadeiro Brothers, Duo Kvas, Duo Golovon

Den artistischen Bereich des Programms eröffneten die Granadeiro Brothers mit ihrer wirklich rasanten Bola-Nummer im traditionell folkloristischen Stil. Im zweiten Programmteil kehrten sie mit dem Todesrad wieder, das hier nur einen Laufkessel hatte – auch hier wurden die Aktionen (u.a. Blindlauf, Seilspringen) mit viel Temperament verkauft, auch wenn dies sicher nicht die spektakulärste Variante des Genres ist. Mit einer starken Leistung überzeugte das Duo Golovon, Liudmyla und Ivan, an der Luftperche. Höhepunkte der Trickfolge sind der Genickhangwirbel sowie der Wirbel der Partnerin im Spagat, vom Porteur mit Genickschlaufe gehalten. Artistische Highlight der Show war eindeutig die Hand-auf-Hand-Arbeit des ukrainischen Duo Kvas alias Kostenko Vlad und Anton Savchenko. Besonders bemerkenswert, wie sich der Untermann beim Kopf-auf-Kopf ohne Vorteil aus dem Stand zu Boden setzt und anschließend wieder aufrichtet. Eingerahmt wurde die Show vom bekannten Prolog, in dem Seniorchefin Ingrid Sarrasani die Geschichte dieses Circus Revue passieren lässt, und einem Finale im klassischen Revuestil zum Abschluss.

Andre Sarrasani bot in Wiesbaden sehr gute Unterhaltung im Grenzbereich zwischen Circus, Varieté und Revue – wirklich schade, dass es dieses Programm nur 13 Tage lang zu sehen gab.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber