Der
Rezensent allerdings ist der Meinung, dass es durchaus schon
stärker besetzte und mitreißendere Roncalli-Shows gegeben hat.
So
braucht das Programm, das natürlich auch heuer mit erstklassiger
Livemusik, einer exquisiten Lichtregie und wunderbaren Kostümen
glänzt, ziemlich lange, bis es Fahrt aufnimmt. Zunächst
sucht David Larible in Zivil eine Anstellung, woraufhin er von
Sprechstallmeister Patrick Philadelphia als "Dummer August"
engagiert wird und dann kehrt die viel beschworene, aber nicht
von allen vermisste Roncalli-Poesie zurück: Der aus "Wetten,
dass...?" bekannte Michael Ortmeier illustriert mit seinem
Flaschenlauf das Programm-Motto "Time is honey".
Vivian Paul,
Shirley Larible, Geraldine Philadelphia
Und so dauert es
gut zwanzig Minuten bis es mit dem eigentlichen Opening erstmals
lebhaft wird: die ausnahmslos bildhübschen Roncalli-Juniorinnen
präsentieren - nachdem sie charmant in die Manege geradelt sind
- Kostproben ihres Könnens. Vivian Paul agiert am Luftring,
Lilian Paul arbeitet als Schlangenmädchen, Geraldine
Philadelphia jongliert mit Hula-Hoop-Reifen und Clio Togni
drückt elegante Handstände. Zu den bildhübschen
Roncalli-Juniorinnen zählt zweifelsfrei auch Shirley Larible,
die im zweiten Programmteil mit ihrer gleichsam sinnlich wie
kraftvollen Strapaten-Kür zu bewundern ist. Direktionssohn
Adrian Paul wiederum ist als Assistent von Abendregisseur
Patrick Philadelphia in die Show eingebunden. Erste richtige
Nummer im Programm ist dann der Auftritt von
Steilwand-Fahrradfahrer Fabricia Nogueira, der bereits 2011 bei
Roncalli zu sehen war. Selbiges gilt auch für Andrey Romanovsky
mit seinen augenzwinkernden Klischnigg-Eskapaden und Jemile
Martinez, der als trickstarker Jongleur überzeugt, mit seiner
protzigen Armani-Jeans aber auch 2012 nicht so recht in die
nostalgische Roncalli-Atmosphäre passen will. Wie dafür gemacht
ist indes Weißclown Gensi und die Pony-Dressur - inklusive Groß
und Klein - von Rückkehrer Karl Trunk.
Katharina und Natalia, Cedeno
Brothers, Tamila
Doch es gibt auch gänzlich
neue Gesichter in der Roncalli-Manege: Gleich zwei hat Direktor
Bernhard Paul vom österreichischen Supertalent mitgebracht.
Devlin Bogino hat einige kurze Auftritte als Reprisenclown - zum
Beispiel im Opening mit Minifahrrad - und Alexander Wengler
produziert sich - für Roncalli eher unpassend - als
roboterartiger Tänzer. Vom modernen Circustheater Bingo kommen
Katharina und Natalia (diverse Wirbel an Strapaten-Schlaufen)
sowie Tamila (Schwungtrapez). Typisch Circus - im besten Sinne
des Wortes - sind hingegen die vier Cedeno Brothers aus Ecuador.
Mit südamerikanischem Temperament entfachen sie als Ikarier
einen furiosen Wirbel inklusive Scheinsturz, der vom Publikum
frenetisch beklatscht wird. Leonid Beljakov und sein
lethargischer Boxer Klitschko wiederum sorgen für befreites
Lachen im Publikum. Ob es allerdings glücklich ist, Beljakov
direkt hinter Karl Trunks Ponys auftreten zu lassen, darüber
kann man trefflich streiten. Folgen damit doch die einzigen
Tiernummern des Programms direkt aufeinander.
David Larible,
Encho Keryazov
Publikumslieblinge und
Hauptattraktionen sind allerdings auch in diesem Jahr zwei
bekannte Gesichter: Encho Keryazov und David Larible.
Handstand-Adonis Keryazov begeistert mit seiner perfekten
Körperbeherrschung, die Muskelkraft mit Eleganz vereint. Und
Larible? Er ist und bleibt einfach einer der wenigen Clowns
unserer Zeit, der das Publikum wirklich dazu bringt, sich vor
Lachen nicht mehr halten zu können. Ob als Teller-Jongleur oder
Opern-Dirigent die Herzen der Zuschauer fliegen dem Italiener
nur so zu. Und so ist Larible erneut der Hauptgarant dafür, dass
es auch 2012 zum Finale regelmäßig stehende Ovationen gibt. Denn
"Lachen macht glücklich". Und somit auch der Circus Roncalli -
trotz der in meinen Augen etwas unorthodoxen
Programmzusammenstellung. |