Von außen
repräsentiert der Circus nach wie vor den Baustil der damaligen
Epoche, während der Innenraum mit 18 steil aufsteigenden
Sitzreihen schon zu Sowjetzeiten erneuert und seitdem mit
zahlreichen technischen Raffinessen ausgestattet wurde.
Hauptziel meines Besuchs war anfänglich das Circusmuseum,
welches – 1928 eröffnet – als ältestes seiner Art mit angeblich
über 80.000 Exponaten bedeutend für die internationale
Circuswelt ist. Nachdem mir recht gleichgültige Mitarbeiterinnen
an den Circuskassen erklärt hatten, das Museum sei geschlossen,
klingelte ich auf der Rückseite des Gebäudes an einer Tür mit
der Aufschrift „Direktion“, wo man mich mit einer jungen
Museumsführerin ins Gespräch brachte. Aufgrund meiner dürftigen
Russisch-Kenntnisse war die Verständigung äußerst schwierig,
doch es stellte sich heraus, dass das Museum seit einiger Zeit
nur noch für Gruppenführungen nach Voranmeldung geöffnet wird
(außer wenn Artisten und Zirkusleute die Ausstellung sehen
möchten). Außerdem bekäme man mit einer Eintrittskarte jeweils
eine Stunde vor Vorstellungsbeginn Zutritt zur
Ausstellungshalle.
Tribüne,
Außenansicht, Gedenktafel
Ich habe aufgrund meines Zeitplans den
Museumsbesuch jedoch auf ein anderes Mal verschoben. Dafür sah
ich am letzten Abend das Programm „Fontänen im Circus auf Fontanka“, das von Juli bis Anfang September gezeigt wurde. Beim
Einlass spielte in der Manege ein 16-köpfiges Orchester
mit einer Sängerin stimmungsvollen Jazz. Es handelte
sich laut Ansage um das „Orchester des Moskauer Circus“, und ich
hegte schon vage Hoffnung, dass die außerordentlich
qualitätsvollen Musiker auch das Programm begleiten würden. Wie
ursprünglich erwartet, gab es in der Show jedoch nur Musik aus
der Konserve, und zwar überwiegend im Techno-Sound, teilweise
durchmischt mit rockigen oder symphonischen Klängen. Die Nummern
waren teilweise passend auf die Musik zugeschnitten, in allen
Darbietungen wurde viel Wert auf Inszenierung (Kostüme,
Choreografie) gelegt. Schon der Auftakt der Show war mit viel
Personal und einer Illusionseinlage samt Kleintieren in Szene
gesetzt.
Clownsriege
Der erste
Programmteil dauerte fast eineinhalb Stunden und war relativ
stark besetzt. Den roten Faden bildeten drei Clowns in Pink, Gelb
und Grünblau, die ein reichhaltiges Repertoire an Nummern
zeigten, darunter ein pantomimisches Entree mit ähnlicher
Rollenverteilung wie in klassischen Sprechclown-Trios. Außerdem
ließen sie Teilnehmer aus dem Publikum eine dramatische
Filmszene nachspielen, in der den Mitwirkenden beinahe noch mehr
abverlangt wurde als in David Laribles bekannter Opernszene –
die „Betroffenen“ hatten dabei aber offenbar ihren Spaß. Die
dritte größere Nummer der Clowns war eine Dressur einzeln
vorgeführter Schweine unterschiedlicher Rassen und Größen, die
ihre Wirkung beim Publikum nicht verfehlte. Außerdem begleiteten
die Clowns artistische Darbietungen, indem sie etwa mit
passenden Requisiten in der ersten Zuschauerreihe saßen und sich
somit als Teil des Publikums inszenierten. Ein Live-Schlagzeuger
unterstützte Teile der Clownnummern mit den üblichen Effekten.
Ringperche,
Affendressur, Equilibristik, Solotrapez
Als
einzige weitere Tiernummer traten drei Rhesusaffen in menschenähnlichen Kostümen auf. Die Dressur
wirkte etwas „holperig“ und dadurch weniger effektvoll. Stärker
hingegen, wenn auch allgemein recht kurz gehalten, waren die
artistischen Acts, so gleich zu Beginn eine weibliche
Solo-Trapez-Darbietung mit einigen anspruchsvollen Tricks. Ein
junger Jongleur mit Bällen und Hüten gewann das Publikum vor
allem durch seine starke Ausstrahlung. Mit einem Schuss
männlicher Erotik überzeugte ein recht trickstarker
Handstandakrobat auf einem Miniatur-Eiffelturm. Ein wenig
skurril mutete hingegen die kraftvolle Hand-auf-Hand-Akrobatik
eines Artistenpaares (Mann/Frau) an, die zwischen ihren Tricks
immer wieder aus einer von der Kuppel herabhängenden
Sauerstoffmaske „Luft holten“. Am Ende des ersten Teils war ein
Trio (zwei Männer, eine Frau) platziert, das in eleganter
Aufmachung eine effektvolle Ringperche-Darbietung zeigte. Die
beiden Herren übergaben sich das Requisit gegenseitig als
Schulter- oder Stirnperche, ohne abzusetzen, während die Dame im
Ring ihre Tricks zeigte. Die Nummer erntete starken Applaus und
Bravo-Rufe, ebenso wie zuvor der Auftritt des Handstandartisten.
Wasserspiele
Der zweite
Teil stand in starkem Kontrast zur ersten „Hälfte“. Er dauerte
nur etwas mehr als eine halbe Stunde und bestand im Wesentlichen
aus einer Illusionsnummer und dem Spiel der Wasserfontänen, die
dem Programm den Namen gaben. Die Clowns waren nicht mehr
präsent, nur direkt nach der Pause verloste der rote Clown mit
Hilfe von Kindern aus dem Publikum einen Staubsauger, einen
Wasserkocher und ein Handy an die Gewinner. Nach einer
Laserschau zu Musik, die wohl die Lichttechnik des Gebäudes
demonstrieren sollte, erhob sich die Dame aus dem
Ringperche-Trio (1. Teil) in die Luft zu einem sehr kurzen
Intermezzo am Ringtrapez. Es folgte die düster inszenierte
Illusionsnummer mit schwarzen Kapuzengestalten als Statisten,
die zwar aufwendig war, aber nicht mit jedem der
manchmal zu lange dauernden Tricks überzeugte. Erstaunlich war
das Hervorzaubern eines Falken, der danach seine Kreise durch
die Zirkuskuppel drehte. Am Ende schließlich erhoben sich die
mächtigen Fontänen aus dem Manegenboden und sprudelten zwischen
Laserlichtern und Shownebel bis direkt unter die Kuppel. Dem
russischen Publikum gefielen die Wasserspiele außerordentlich
gut, es setzte ein begeistertes Johlen und Applaudieren ein.
Nach einem moderierten Finale gingen die zufriedenen Zuschauer
- fast ausschließlich Familien mit Kindern - nach Hause. |