Der
Circus ist nichtsdestotrotz großzügig aufgebaut. Das längere Zeit
ungenutzte Spielzelt soll in Bad Hersfeld mit einer Außenreinigung auf
Glanz gebracht werden. Im Inneren gibt es wie gewohnt neben den
Logen ein Gradin mit zwei Reihen Schalensitzen sowie vier Bankreihen
dahinter. Bei der Programmgestaltung hat sich Häberle ja bereits in
seiner ersten Saison als Herkules-Direktor etwas vom Stil seines
Vorgängers gelöst. Der Artisteneingang mit Platz für die Musiker wurde
durch eine hohe rote Gardine ersetzt. Auch bei der Musikbegleitung
wurde modernisiert. In diesem Jahr gibt es reine Auftragskompositionen
speziell für Herkules. Der Grund liegt schlichtweg in der Ersparnis der
Gema-Gebühren, wie Häberle unumwunden zugibt. Wenngleich zum Opening
noch Technopop erklingt, bestätigen sich mögliche Befürchtungen von
Circus-Traditionalisten nicht. Die weitere Begleitung klingt angenehm
und zumeist gar nicht so Genre-untypisch. Bei der Zusammenstellung des
Programms werden ebenfalls alle Elemente des klassischen Circus
berücksichtigt. Es gibt also Artisten, Tiere und einen Clown.
Clown Olli
Letztgenannte
Rolle übernimmt natürlich Häberle selbst. Er ist der rote Faden der
Show, sitzt schon fertig geschminkt an der Kasse und verabschiedet das
Publikum am Ausgang. Ein kleiner Besucher in Eisenach nahm ihn gar
spontan zum Abschied in die Arme. Seine Auftritte sind gut
dosiert und geraten nie zu lang. Ganz gleich, ob Clown Olli einen
Zuschauer ans Messerbrett stellt, mit Popcorn spielt oder auf
ungewöhnlichen Instrumenten musiziert. Kurz vor Schluss zieht er zudem
fröhlich mit drei riesigen Tierfiguren aus dem Film Madagascar durchs
Chapiteau.
Joshua Navi
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Einer
der besonderen Einfälle ist die Einbeziehung eines Sängers. Joshua Navi
heißt er und begrüßt uns mit angenehmer Stimme zu „I Love Circus“, eben
einer jener speziellen Kompositionen. Zum Finale intoniert er gar einen
Song namens „Circus Herkules“. Eingeflochten in das erste Lied ist
gleich die Ankündigung der ersten Nummer. Die so vermutete Funktion
eines „singenden Ringmasters“ nimmt der gebürtige Rumäne aber nicht
wahr. Wir hören ihn lediglich noch als Begleitung zur Hohen Schule.
Fernerr sorgt Navi für die Steuerung der Tonanlage. Das weitere
Programm wird von den Familien Jahn und Munoz, der Truppe Feodorov
sowie Linaya Moreno bestritten. Morenos Vater ist Sven Meise, der bei
Herkules als Zeltmeister fungiert. Er ist der Bruder von Francois Meise, dem Direktor von Circus Crocofant. |
Steven Munoz, Aliona Junea, Gary Jahn
Steven
Munoz präsentiert seine Tempojonglagen als eleganter Bandit samt
Brillie im Ohr. Mit „Gangsterbraut“ Aliona (Junea) ist er auch privat
verbandelt. In der Manege assistiert sie ihm bei seinen Routinen mit
Ringen, Bällen und Keulen inklusive Flic Flac. Aliona überbrückt zudem
eine Umbaupause mit Bänderspielen im Zuschauerraum. Ihren Hauptauftritt
zelebriert sie aber an roten Tüchern. Es ist eine schön anzusehende Kür
mit den bekannten Tricks an diesem Requisit. Drei patagonische Seelöwen
bringen Conchi Munoz und Gary Jahn direkt vor der Pause ins
Scheinwerferlicht. Die großen Tiere beherrschen ein umfangreiches
Repertoire, das sie mit viel Spielfreude zeigen – charmant angeleitet
von ihren Trainern. Diese lebhafte Dressur ist mit Sicherheit einer der
Höhepunkte im Programm und findet somit vollkommen zu Recht seinen
Platz auf den neu gestalteten Werbemitteln.
Truppe Feodorov
Pech
hatte gleich zu Beginn der Tournee die Truppe Feodorov, ehemalige
Sportler aus der Ukraine. Einer der Artisten verletzte sich, erlitt
aber glücklicherweise „nur“ eine Bänderdehnung. Nach einigen Tagen
Pause wird er wieder mit von der Partie sein. So erleben wir an diesem
Nachmittag ein Trio. Sie starten am Trampolin, wobei einer der Akteure
als Clown agiert. Natürlich sehen wir hier variantenreiche Sprünge.
Dies ist nochmals der Fall, wenn sie nach der Pause als „Champions“
einen riesigen Traktorreifen als Absprungbasis nutzen. Dazu tragen die
Herren in Anlehnung an die Fußball-EM in der Ukraine Trikots und lassen
sich von ihrer strengen Trainerin anleiten. Der Humor steht hier im
Vordergrund. In Artistenkostümen springen sie in der Schlussnummer von
Reckstange zu Reckstange. Dies immer nur im Solo, was allerdings der
reduzierten Anzahl an Mitwirkenden geschuldet ist. Truppenmitglied
Dimitry Feodorov schließlich steuert eine Solonummer bei. Mit einem
großen Metallwürfel zeigt er nicht nur Kubusjonglagen, sondern
ebenfalls Luftakrobatik.
Linaya Moreno
Die
zweite Tiernummer ist die Hohe Schule von Linaya Moreno. Sie zeigt
diese in zwei Sequenzen mit jeweils einem anderen Pferd und verändertem
Kleid. Ihr gesamter Auftritt ist im spanischen Stil gehalten und wird
durch den bereits erwähnten Livegesang bestens unterstützt. So entsteht
ein lebendiges Bild mit sehenswerter Reitkunst und einer schönen Frau
im Mittelpunkt. Als besonderen Effekt lässt Moreno zu Beginn eine weiße
Taube aufsteigen. Die Artistin selbst begibt sich ebenfalls in die
Luft. Und zwar bei ihrem anderen Auftritt am Luftring. Dank roter
Beleuchtung, Kunstnebel und einem entsprechenden Kostüm entsteht Moulin
Rouge-Atmosphäre. Interessant dabei: Die Artistin wird durch
ein kleines Luftkissen nach unten abgesichert.
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