Alles
andere wäre auch mehr als traurig. Der „Harlekin“, der fast
ausschließlich in den Schweizer Kantonen Bern und Wallis reist,
ist schließlich ein besonderer Schatz der Circusszene in Europa.
Dieser Circus mit seinem schmucken blauen Viermaster und dem
blitzsauberen Material wirkt stets „wie aus dem Märchenbuch
gerollt“. Das gilt umso mehr in Spiez vor der herrlichen Kulisse
der Bucht am Thunersee. Im kleinen Chapiteau, das rund 500
Plätze bietet, werden Jahr für Jahr Qualitätsprogramme geboten,
wie sie für einen Circus dieser Größe fast einmalig sind. Und
doch hat der Harlekin eine noch größere Stärke: die
Herzlichkeit, mit der hier Circus gemacht wird, mit der die
Gäste empfangen und am Ende der Vorstellung mit Handschlag der
Direktion verabschiedet werden. „S’isch wunderbar gsi“ lautet
dann das einhellige Fazit der treuen Besucher.
Duo
Darius,
Duo Yangrui
Im bunten
Opening steht das Circusjubiläum im Mittelpunkt, wird mit
kleinen Auftritten an all das erinnert, was diesen Circus
ausmacht – darunter nicht nur Artisten und Tiere, sondern auch
die marokkanischen Arbeiter, die auf „fliegenden Teppichen“ (mit
Auspuff!) die Manege umrunden. Der erste artistische Auftritt
gehört dem Duo Darius mit einer starken Arbeit auf der
freistehenden Leiter. Zuerst nutzt Darius diese solistisch,
unter anderem zur Jonglage mit Tennisschlägern, dann erklimmen
die beiden Artisten gleichzeitig die Leiter, jeweils von einer
Seite, bis schließlich Darius seine Partnerin „huckepack“ die
Stufen hinaufträgt. Später ist Darius noch in zwei humorvollen
Auftritten zu sehen, zunächst als „Aufblas-Clown“ à la Versace
und später in einem originellen Kostüm, in dem er eine Frau,
einen Mann und einen gemeinsam geschleppten Sack gleichzeitig
darstellt. Nach einem Jahr Unterbrechung – 2011 war die Truppe
Malko aus Weißrussland zu Gast – haben Pedro Pichler und Monika
Aegerter in diesem Jahr wieder eine große Truppe aus China
engagiert, die „Wuqiao Acrobatics Troupe Hebei“. Den Kontakt nach
China stellten die chinesische Einradartistin He Yuan und ihr
Mann Rui Yang her, die somit auch heuer wieder mit dem Harlekin
reisen und die Truppe betreuen. He Yuan ist nur kurz in der Show
zu sehen, aber Rui hat mit dem 21-jährigen Ren Yanan innerhalb
kurzer Zeit eine absolut respektable Hand-auf-Hand-Arbeit
einstudiert.
Wang Lin, Wuqiao
Acrobatics Troupe Hebei, Ren Yanan
Vor allem
aber verblüfft Ren Yanan auf dem Schlappseil mit einer
Trickfolge, die identisch ist mit der von Zhang Fan!
Kopfstand,
Handstand auf der Leiter, Kopfüber-Fahrt auf dem Einrad,
Balancen auf dem weit ausschwingenden Seil, all die
Sensationstricks werden geboten. Beide Artisten haben ihre
Nummer beim gleichen Trainer in Peking erarbeitet. Die gesamte
Chinesen-Truppe ist beim klassischen Reifenspringen zu sehen und
wird dabei vom sechsköpfigen Harlekin-Orchester mit einem
schmissigen Schlagermedley von „Marina“ und „Madeleine“ bis „Quando
Quando“ begleitet. Solistisch arbeitet die 17-jährige Wang Lin
bei ihrer Kontorsion in Kombination mit einer Kerzenpagode, ein
Teil der Truppe präsentiert zudem eine Vasen- und Meteorjonglage.
Marco
Morelli,
Wuqiao Acrobatics
Troupe Hebei,
Les Nicas
Raumfüllend und spektakulär wirkt im Harlekin-Zelt die
Bungee-Nummer vor dem Finale, bei der bis zu vier Artisten
gleichzeitig an langen Bändern durch die Kuppel fliegen und
wieder auf ihrer Absprungstange landen. In bewährter Hand liegen
wieder die Tierdressuren: Nicole Pichler – nach wie vor im
Hauptberuf Lehrerin – dirigiert einen Viererzug gewaltiger
Kamele vom schwedischen Circus Olympia und zwei springende
Lamas, Susanne Mani präsentiert in ihrer fünften Saison bei
Harlekin eine Freiheit mit drei Zwergeseln und zwei Zwergmulis.
Einfach, bodenständig, aber immer geeignet, um herzlich zu
lachen, ist der Humor, den die Direktion als Clownsduo „Les
Nicas“ pflegt. Im ersten Auftritt wird Monika beim Saxofonspiel
von Pedro im Gewand einer echten „Opern-Diva“ gestört, später
zeigen beide unter anderem die Parodie einer Großillusion und
glänzen als Ballettelevinnen im Tütü, ehe Monika noch ein
Dutzend schwarzer und weißer Laufenten in die Manege bringt. Mit Witz und
einigen Reprisen, unter anderem werden Sektgläser aus der
gleichen Flasche mit verschiedenfarbigen Flüssigkeiten befüllt,
führt der Schweizer Marco Morelli durchs Programm. |