Einladend
präsentiert sich der Circus auf dem schmalen, aber lang
gestreckten Ausstellungsgelände im kleinen
5000-Einwohner-Städtchen Prüm in der Eifel. Erneut hat Direktor
Sascha Melnjak in die weitere Verschönerung und Perfektionierung
des Unternehmens investiert. Unter dem Eingangs-Torbogen
befindet sich nun ein kleines Zeltdach mit
Kartenkontroll-Stationen darunter. Im Chapiteau selbst fällt der
veränderte Artisteneingang ins Auge: Die Lichttraverse über dem
Orchester ist nun, in der Art eines Baldachins, mit einer
Stoffbahn dekoriert; die seitlichen Eingänge wurden bis dorthin
erhöht. So bietet der Artisteneingang nun ein pompöseres Bild
mit einer geschlossenen Fläche im Hintergrund. Das Ambiente im
Zelt ist dadurch noch einmal deutlich aufgewertet.
Priscilla Errani, Ballett, André
Über der
Manege ist schon während des Einlasses ein Baldachin
installiert, der auf die erste Nummer hinweist – den großen
Exotenzug unter der Leitung von Marek Jama. Fünf Zebras und fünf
Kamele in sicher ablaufenden Figuren bilden das manegenfüllende
und beeindruckende Eröffnungsbild, zu dem sich noch vier Rinder
gesellen. Drei weiße Nandus und das Känguru als „Special Guests“,
dann die Laufarbeit der sechs Lamas und – neu – ein Guanako
(ehemals Circus Barum) mit gewaltiger Sprungkraft runden den
Dressurblock ab, der vom fünfköpfigen Ballett eingeleitet wurde.
Die Tänzerinnen agieren nun in neuen, orientalisch inspirierten
Kostümen zu passender Musik anstelle des India-Motivs. Männliche
Tänzer gibt es in dieser Saison nicht. Clown André stellt sich
in seinem ersten Auftritt mit der Reprise um die Fliegenjagd
vor. Neu im Repertoire ist die Geschichte eines Papierdrachens,
den ein Junge aus dem Publikum durch kräftiges Pusten zum
Fliegen bringen soll. Auch diese Geschichte findet eine
überraschende Schlusspointe. Im zweiten Programmteil folgen
Andrés originelle und bewährte Klassiker, der Kampf gegen den
Haifisch in der Badewanne und das Wischmopp-Duett mit sich
selbst.
Ballett
Der erste artistische Beitrag gehört Priscilla Errani,
die als Spinnenfrau einem stählernen Netz entsteigt. Viel
italienisches Temperament und Ausstrahlung paaren sich in ihrer
Hula Hoop-Show, in der ihr Partner Marco Moressa assistiert, mit
großem Können. Noch kommt hier die Musik vom Band, doch ein
Live-Arrangement ist bereits in Arbeit. Bereits im ersten
Programmteil wurde nun Paolo Kaisers aus dem Vorjahr bekannte
Rola Rola-Arbeit platziert, die ebenso Leistung und Ausstrahlung
mustergültig vereint. Höhepunkt ist nach wie vor der
Rückwärtssalto von Rollbrett zu Rollbrett. Kaisers moderne
Musikbegleitung kontrastiert stark mit der folgenden Nummer –
der großen Pferderevue im Dreivierteltakt. Der Rote
Vorhang öffnet sich, und Marek Jama im edlen Gehrock erscheint
begleitet von den Damen des Balletts. Diese wurden mit neuen
Kleidern – schwingenden weißen Röcken und glitzernden Oberteilen
– ausgestattet. Der Tierlehrer tanzt mit den Damen Walzer, dann
flechten drei Friesen im Walzerrhythmus. Eine große Pferdenummer
nimmt ihren Lauf: zunächst der Sechserzug Friesen, dann erstmals
Friesen und Araber gemeinsam in einem Zwölferzug, schließlich
die sechs Araber alleine (u.a. gemeinsames Steigen),
anschließend die von Barum übernommenen Falabella-Ponys und zu
guter letzt zahlreiche Steiger mit großen und kleinen Pferden
als Da Capi. Der Zwölferzug wird sicherlich bald weiter an
Routine gewinnen, der Pferdeblock erst recht ein Augenschmaus
sein.
Marek Jama,
Ambra und Yves
Nicols
Zwei umjubelte Highlights tragen Yves und Ambra Nicols
bei, zunächst mit der Tüchernummer im ersten Teil. Yves
beobachtet seine Partnerin bei ihrer Kunst in der Luft, während
er am Boden einen Tango singt, dann tanzen sie gemeinsam,
schließen schweben beide mit riskanten Tricks unter der Kuppel,
wobei zum Teil die Partnerin ihn trägt. Im zweiten Programmteil
brilliert Yves bei der Jonglage mit Fußbällen, Keulen, Bumerangs
und Sombreros, verpackt in einen koketten Flirt mit seiner
Partnerin. Alexander
Laceys Raubtierschau, fünf Jahre lang das große Glanzlicht des
Charles-Knie-Programms, ist durch nichts zu ersetzen. Nach
Laceys Wechsel in die USA wurde nun immerhin aus der Not eine
Tugend gemacht, statt der Weltklasse-Raubtiernummer eine
Weltklasse-Elefantendressur verpflichtet. Die Einleitung durch
das Ballett ist dieselbe geblieben. Elvis Errani führt drei
asiatische Dickhäuter, die von seiner Schwester Priscilla und
seiner Mutter Guendalina Biasini beritten werden, durch eine
temporeiche und akrobatische Kür. Der junge Tierlehrer führt
seine Tiere nur mit der Stimme und Gesten. Der Höhepunkt ist
erreicht, wenn ein Elefant die beiden am Boden liegenden Damen
überschreitet, dirigiert per Mikrofon aus dem Zuschauerraum.
Marek Jama, Duo Solys, Elvis
Errani
Den
zweiten Programmteil eröffnet nun Marek Jama mit einer attraktiv
gestalteten Hohen Schule auf einem neu erworbenen Andalusier –
das Ballett tanzt dazu French Can Can, und die fünf Damen
„flüchten“ immer wieder scheinbar aufgeregt vor Ross und Reiter.
In blau, weiß und rot, den französischen Nationalfarben, sind
die ebenfalls neuen Kostüme gehalten. „Frankophil“ geht es
weiter, wenn das französisch-kubanische Duo Solys, Teilnehmer
der französischen „Supertalent“-Ausgabe, seine leistungsstarke
Hand-auf-Hand-Arbeit präsentiert. Das Besondere ist, dass hier
die Dame als „Unterfrau“ agiert. Als Schlusstrick zeigt der
Partner einen Kopfstand auf einer Nachbildung des Eiffelturms,
den seine rücklings liegende Partnerin auf Knien und Händen
trägt. Die hauseigenen Seelöwen haben nun in Marek Jama abermals
einen neuen Vorführer gefunden und sind weiterhin ebenso
selbstverständlich Programmbestandteil bei Charles Knie wie
Bauchredner Kenneth Huesca, der mit seiner überschäumenden
Freude an der Sache jedes Publikum in kürzester Zeit auf seiner
Seite hat. Ein weiterer Auftritt des Balletts leitet den
abschließenden Höhepunkt des Programms ein. Nicht nur Ponys,
Guanako und die Nicols, auch die „Flying Costa“ waren 2008 noch
Bestandteil der letzten Produktion des Circus Barum und sind nun
in dieser Manege zu sehen. Nachdem Charles Knie nun quasi den
Platz des Circus Barum in Deutschland eingenommen hat, ist dies
eigentlich nur konsequent – Salti bis zum Dreifachen, Pirouette
und Passage, dargeboten zum gleichen musikalischen Arrangement
wie in den Vorjahren bei den „Flying Mendonca“ beschließen die
neue Show.
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