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Prüm, 3. März 2012: Mit einem weitgehend neuen Programm ist der Zirkus Charles Knie in die Saison 2012 gestartet. „Wetten, dass wir Sie begeistern“, lautet nun das Motto, das mit Leichtigkeit eingelöst werden kann. Ohne Längen und voller Schwung präsentiert sich die komplett stimmige Show, die in besonderer Weise von ihren Vollblut-Artisten mit enormer Ausstrahlung profitiert. Durchweg exzellente Artistik, große Tiernummern, originelle Clownerie und Komik sowie eine glamouröse Verpackung mit Live-Musik, Ballett und exquisiter Ausstattung – Circusherz, was willst du mehr?

Einladend präsentiert sich der Circus auf dem schmalen, aber lang gestreckten Ausstellungsgelände im kleinen 5000-Einwohner-Städtchen Prüm in der Eifel. Erneut hat Direktor Sascha Melnjak in die weitere Verschönerung und Perfektionierung des Unternehmens investiert. Unter dem Eingangs-Torbogen befindet sich nun ein kleines Zeltdach mit Kartenkontroll-Stationen darunter. Im Chapiteau selbst fällt der veränderte Artisteneingang ins Auge: Die Lichttraverse über dem Orchester ist nun, in der Art eines Baldachins, mit einer Stoffbahn dekoriert; die seitlichen Eingänge wurden bis dorthin erhöht. So bietet der Artisteneingang nun ein pompöseres Bild mit einer geschlossenen Fläche im Hintergrund. Das Ambiente im Zelt ist dadurch noch einmal deutlich aufgewertet.


Priscilla Errani, Ballett, André

Über der Manege ist schon während des Einlasses ein Baldachin installiert, der auf die erste Nummer hinweist – den großen Exotenzug unter der Leitung von Marek Jama. Fünf Zebras und fünf Kamele in sicher ablaufenden Figuren bilden das manegenfüllende und beeindruckende Eröffnungsbild, zu dem sich noch vier Rinder gesellen. Drei weiße Nandus und das Känguru als „Special Guests“, dann die Laufarbeit der sechs Lamas und – neu – ein Guanako (ehemals Circus Barum) mit gewaltiger Sprungkraft runden den Dressurblock ab, der vom fünfköpfigen Ballett eingeleitet wurde. Die Tänzerinnen agieren nun in neuen, orientalisch inspirierten Kostümen zu passender Musik anstelle des India-Motivs. Männliche Tänzer gibt es in dieser Saison nicht. Clown André stellt sich in seinem ersten Auftritt mit der Reprise um die Fliegenjagd vor. Neu im Repertoire ist die Geschichte eines Papierdrachens, den ein Junge aus dem Publikum durch kräftiges Pusten zum Fliegen bringen soll. Auch diese Geschichte findet eine überraschende Schlusspointe. Im zweiten Programmteil folgen Andrés originelle und bewährte Klassiker, der Kampf gegen den Haifisch in der Badewanne und das Wischmopp-Duett mit sich selbst.


Ballett

Der erste artistische Beitrag gehört Priscilla Errani, die als Spinnenfrau einem stählernen Netz entsteigt. Viel italienisches Temperament und Ausstrahlung paaren sich in ihrer Hula Hoop-Show, in der ihr Partner Marco Moressa assistiert, mit großem Können. Noch kommt hier die Musik vom Band, doch ein Live-Arrangement ist bereits in Arbeit. Bereits im ersten Programmteil wurde nun Paolo Kaisers aus dem Vorjahr bekannte Rola Rola-Arbeit platziert, die ebenso Leistung und Ausstrahlung mustergültig vereint. Höhepunkt ist nach wie vor der Rückwärtssalto von Rollbrett zu Rollbrett. Kaisers moderne Musikbegleitung kontrastiert stark mit der folgenden Nummer – der großen Pferderevue im Dreivierteltakt. Der Rote Vorhang öffnet sich, und Marek Jama im edlen Gehrock erscheint begleitet von den Damen des Balletts. Diese wurden mit neuen Kleidern – schwingenden weißen Röcken und glitzernden Oberteilen – ausgestattet. Der Tierlehrer tanzt mit den Damen Walzer, dann flechten drei Friesen im Walzerrhythmus. Eine große Pferdenummer nimmt ihren Lauf: zunächst der Sechserzug Friesen, dann erstmals Friesen und Araber gemeinsam in einem Zwölferzug, schließlich die sechs Araber alleine (u.a. gemeinsames Steigen), anschließend die von Barum übernommenen Falabella-Ponys und zu guter letzt zahlreiche Steiger mit großen und kleinen Pferden als Da Capi. Der Zwölferzug wird sicherlich bald weiter an Routine gewinnen, der Pferdeblock erst recht ein Augenschmaus sein.


Marek Jama, Ambra und Yves Nicols

Zwei umjubelte Highlights tragen Yves und Ambra Nicols bei, zunächst mit der Tüchernummer im ersten Teil. Yves beobachtet seine Partnerin bei ihrer Kunst in der Luft, während er am Boden einen Tango singt, dann tanzen sie gemeinsam, schließen schweben beide mit riskanten Tricks unter der Kuppel, wobei zum Teil die Partnerin ihn trägt. Im zweiten Programmteil brilliert Yves bei der Jonglage mit Fußbällen, Keulen, Bumerangs und Sombreros, verpackt in einen koketten Flirt mit seiner Partnerin. Alexander Laceys Raubtierschau, fünf Jahre lang das große Glanzlicht des Charles-Knie-Programms, ist durch nichts zu ersetzen. Nach Laceys Wechsel in die USA wurde nun immerhin aus der Not eine Tugend gemacht, statt der Weltklasse-Raubtiernummer eine Weltklasse-Elefantendressur verpflichtet. Die Einleitung durch das Ballett ist dieselbe geblieben. Elvis Errani führt drei asiatische Dickhäuter, die von seiner Schwester Priscilla und seiner Mutter Guendalina Biasini beritten werden, durch eine temporeiche und akrobatische Kür. Der junge Tierlehrer führt seine Tiere nur mit der Stimme und Gesten. Der Höhepunkt ist erreicht, wenn ein Elefant die beiden am Boden liegenden Damen überschreitet, dirigiert per Mikrofon aus dem Zuschauerraum.


Marek Jama, Duo Solys, Elvis Errani

 Den zweiten Programmteil eröffnet nun Marek Jama mit einer attraktiv gestalteten Hohen Schule auf einem neu erworbenen Andalusier – das Ballett tanzt dazu French Can Can, und die fünf Damen „flüchten“ immer wieder scheinbar aufgeregt vor Ross und Reiter. In blau, weiß und rot, den französischen Nationalfarben, sind die ebenfalls neuen Kostüme gehalten. „Frankophil“ geht es weiter, wenn das französisch-kubanische Duo Solys, Teilnehmer der französischen „Supertalent“-Ausgabe, seine leistungsstarke Hand-auf-Hand-Arbeit präsentiert. Das Besondere ist, dass hier die Dame als „Unterfrau“ agiert. Als Schlusstrick zeigt der Partner einen Kopfstand auf einer Nachbildung des Eiffelturms, den seine rücklings liegende Partnerin auf Knien und Händen trägt. Die hauseigenen Seelöwen haben nun in Marek Jama abermals einen neuen Vorführer gefunden und sind weiterhin ebenso selbstverständlich Programmbestandteil bei Charles Knie wie Bauchredner Kenneth Huesca, der mit seiner überschäumenden Freude an der Sache jedes Publikum in kürzester Zeit auf seiner Seite hat. Ein weiterer Auftritt des Balletts leitet den abschließenden Höhepunkt des Programms ein. Nicht nur Ponys, Guanako und die Nicols, auch die „Flying Costa“ waren 2008 noch Bestandteil der letzten Produktion des Circus Barum und sind nun in dieser Manege zu sehen. Nachdem Charles Knie nun quasi den Platz des Circus Barum in Deutschland eingenommen hat, ist dies eigentlich nur konsequent – Salti bis zum Dreifachen, Pirouette und Passage, dargeboten zum gleichen musikalischen Arrangement wie in den Vorjahren bei den „Flying Mendonca“ beschließen die neue Show.

Glamourös und schwungvoll ist dann das Finale, eingeleitet vom Ballett in neu gestalteten Kostümen, in dem das Ensemble kollektiv tanzt. Yves Nicols singt dazu den Latin-Hit „Danza Kuduro“, Lichtregie und Orchester zeigen noch einmal ihr Können, und ein glanzvolles Programm findet unter anhaltendem und begeistertem Beifall den würdigen Abschluss.

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Text: Markus Moll; Fotos: Stefan Gierisch