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Budapester Circusbau - "Kaprázat és Csoda" 2011
www.fnc.hu

Budapest, 15. Mai 2011: Der Vorhang fällt. Kunterbunte Fabelwesen bevölkern die Piste, Meerjungfrauen planschen im Wasserbassin und eine Sängerin schwebt gen Kuppel. Unter ihrem ausladenden Kleid verbirgt sich ein doppelter Luftring, an dem ein Duo seine akrobatischen Fähigkeiten demonstriert. So umwerfend, so mitreißend beginnt die aktuelle Show „Kaprázat és Csoda“, zu Deutsch „Illusion und Wunder“, im Budapester Zirkusbau. So umwerfend, so mitreißend sind dann auch die folgenden hundertzwanzig Minuten. Das Ganze ist weniger klassischer Zirkus, denn groß(artig)e Show.

Ein Hauch von Las Vegas in Budapest. Etliche Ensembleszenen prägen das Gesamtbild. Die rund dreißig (leider namenlosen) Artisten sind dazu in wunderschöne Kostüme gehüllt, die dabei eine Themen-Bandbreite von Karneval in Brasilien über Urzeitwesen bis zu militärisch anmutenden Uniformen abdecken; das starke, hauseigene Live-Orchester treibt die Vorstellung voran. Die Musiker sitzen dabei jetzt seitlich des Artisteneingangs, der nun in ein Piratenschiff umgewandelt wurde und somit noch mehr technische Möglichkeiten bietet - im Vergleich zum letzten Gastspiel der russischen Produktion von Yana Schevchenko vor drei Jahren zeigt sich also auch die Kulisse nun noch deutlicher der Revue-Charakter der Show. Die Akteure agieren dabei auf einer kleinen runden Plattform im Bassin, im ersten Teil ebenso auf einer etwa 1/3 des Beckens abdeckenden Bühne. Am Pistenrand, auf der Plattform, sowie von der Decke und dem Piratenschiff herab sind Fontänen und Wasserfälle installiert und lassen so vielfältige Effekte zu. Eine stimmige, vortreffliche Lichtregie rundet das perfekte Bild ab. So ergeben sich zwei Stunden voller traumhafter Eindrücke.

Nach der Arbeit am Luftring folgt das eigentliche Eröffnungscharivari. Einrad-Fahrer, Feuerspucker, ein Drehorgelspieler auf Stelzen agieren auf der Plattform, im Bassin zeigt sich das meist sechsköpfige Wasser-Ballett. Der Kugellauf einer jungen Artistin geht in deren Kontorsions-Darbietung über – eine der wenige Solonummern. Wobei dies eigentlich nicht richtig ist, denn immer begleiten Tänzer, Figuranten oder Wasserballett die Akrobaten. In diesem Fall sind es vier Trommler, während der Auftritt mit einem Handstand im Regen endet. An Vertikalseilen, Strickleitern und einer einem Schiff nachempfundenen Konstruktionen agieren neun weibliche Akteure bei ihrer Luftakrobatik mit einem Fußwirbel als Höhepunkt. Auf dem Einrad präsentieren sich fünf Ensemble-Mitglieder, umrunden so die Piste, jonglieren oder springen seil. Abschließend zeigen sie ihr Können auf besonders hohen bzw. niedrigen Rädern. Sechs durch Tuchstrapaten verbundene Trapeze dienen danach wiederum einer rein weiblichen Truppe als Requisit für ihre Posen und Positionen. Schwach dagegen die anschließende Illusionsshow: Die gezeigten Tricks (Durchqueren des Magiers, Origami sowie eine Platzwechsel-Illusion) sind wenig spektakulär und leben von der auch hier virtuosen Inszenierung. Nach einer Seifenblasen-Fantasie eines Duos begeistert vor der Pause dann noch mal das Ensemble mit bekannten, sehr lebhaft präsentierten Seilspring-Variationen.

Als einzig hinzu engagierte Artisten kommen zwei Herren und eine Dame von der Budapester Zirkusschule, die den zweiten Teil mit ihrer Adagio-Akrobatik eröffnen. Ihre leistungsstarke Arbeit als Goldmenschen gipfelt im Spagat zum Drei-Mann-Hoch. An vier schwebenden Barhockern zeigen weibliche Akteure erneut eine originelle Art der Luftakrobatik, ehe sich eine zweite Solo-Artistin am Netz präsentiert. Sie nutzt den weiträumigen Raum und die Höhe des Kuppelbaus für ihre Flüge und Abfaller gut aus. Höhepunkt ist der Sturz von einem Trapez aus dem Fersenhang in die Tiefe, das Netz wird dabei als Sicherungs-/Bungee-Seil benutzt. Als letzte Solo-Künstlerin demonstriert eine junge Akrobatin ihre Hula Hoop-Spiele und lässt sich am Ende der Darbietung samt Feuerreifen in die Höhe ziehen. Abschließende Ensembleszene ist ein großes Bild mit acht Jongleuren, die ihr Passing auch quer über das Bassin zeigen, derweil sich ein Duo an den Strapaten produziert.

Ein wahrer Glanzpunkt der Produktion ist die Clownerie. Im ständigen Zwist mit einem Zeremonienmeister überrascht der junge Akteur mit subtiler Komik und einer herrlichen Mimik. Auf höchst amüsante Weise versucht er so eine Fliege zu töten, verhindert das Surfen des Gegenspielers und wandert auf den Spuren Jigalovs in einem Wasserentree. Nicht mehr zu überbieten ist die Seelöwen-Parodie des Komikers. Einfach herrlich schräg. Ohne Zweifel der berechtigte Publikumsliebling. Immer da, immer am falschen Ort, immer komisch. Dritter Begleiter durch die Show ist eine kindliche Engelsfigur, die an mehreren Stellen im Programm – zwar ohne wirklich erkennbaren Zusammenhang - in Erscheinung tritt oder deren Gelächter zuhören ist. Nur ein kleines Augenmerk liegt auf den Tierdressuren, von denen es heuer vier gibt. Zunächst sind acht Katzen zu sehen, die mit ihrer Tierlehrerin ein übliches Repertoire, so den Sprung von einer erhöhten Plattform zur Vorführerin, zeigen. Selbige ist dann im zweiten Teil wiederum auch in einer kurzen Taubenrevue mit vier Tieren zu erleben. Nicht wirklich über einen reinen Schauwert hinweg kommt die Präsentation der Reptilien. Nacheinander werden eine Schlange und ein kleines Krokodil ins Wasser geworfen, der Akteur springt hinterher und zieht einige Bahnen zusammen mit dem Tier. Das sorgt zwar für ein wenig Nervenkitzel, mehr aber auch nicht. Zum Abschluss zeigen zwei junge Seelöwen ihre Künste und nutzen dabei natürlich auch das Bassin für einige Sprünge gerne aus. Daneben agieren die Tiere auf der Plattform und auf der Piste und zeigen dort unter anderem Roll Over, Handstände und Balancieren.

Beim Finale werden dann nochmal alle Register gezogen. Über der Plattform schweben vier Artistinnen am Trapez, im mittlerweile mit kleinen, weißen Bällen gefüllten Bassin agiert das Wasser-Ballett und die übrigen Akteure in phantastischer Kostümierung verabschieden sich vom Publikum. Die Sängerin tritt wieder auf, dazu Fontänen, Feuerwerk und Seifenblasen. So umwerfend, so mitreißend - dieser Schluss ist wie gesamte Show ein Erlebnis für Auge und Ohr, ein Fest der Farben und Bilder, eine Reizüberflutung allererster Güte.

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Text: Benedikt Ricken; Fotos: FNC