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Circus Probst - Tour 2011
www.circus-probst.de

Bad Mergentheim, 10. September 2011: Temperamentvolle und starke Artistik aus Kuba, hervorragende Tierdressuren und im komischen Part feiner Humor und herrlicher Slapstick: Es sind die klassischen Säulen, auf denen das Saisonprogramm des Circus Probst ruht. Mitte September war der Circus erstmals in Bad Mergentheim zu Gast. Der Volksfestplatz, zuletzt gastierten hier Charles Knie, Barum, Krone und der „Große Russe“, bot genügend Raum, um den Circus ansprechend und großzügig aufzubauen. Neu 2011 ist unter anderem das gelb-rote Pagodenzelt für die Exoten des Unternehmens.

Der artistische Teil des Programms liegt, wie schon in der Saison 2010, ganz in den Händen der Artistentruppe vom kubanischen Nationalcircus Circuba. Mit dieser Verpflichtung hat der Circus Probst einen besonderen Glücksgriff gemacht. So ist es für das deutsche Publikum wohl tatsächlich neu und überraschend, kubanische Artisten zu erleben. In seinen Darbietungen versprüht das Ensemble viel von der sprichwörtlichen karibischen Lebensfreude. Aber es bleibt nicht bei diesem Exotik-Effekt. Auch artistisch bietet die Truppe durchweg hohe Qualität und übertrifft in dieser Hinsicht deutlich ihre Landsleute in anderen europäischen Circussen.


Daikel Castillo Hernandez, Utnier Aquino Hernandez, Yumi und Partnerin

Gegenüber dem Vorjahr wurde die Auswahl der Disziplinen noch optimiert: Der Russische Barren wird nicht mehr gezeigt, dafür wurden zwei attraktive Luftnummern ins Programm genommen. Zunächst zeigen Yumi und ihre Partnerin eine kraftvolle Arbeit am permanent kreisenden Luftring. Nach der Pause präsentiert sich Utnier Aquino Hernandez am Schwungseil. Interessant ist der Aufgang über ein zweites, längeres, in der Mitte teilbares Schwungseil, an dem er sich zunächst mit einigen Tricks emporarbeitet. In vollem Schwung präsentiert er dann hoch unter der Kuppel eine Reihe attraktiver Tricks, inzwischen ebenso ohne Longensicherung wie die Arbeit am Luftring. Aus dem Vorjahr bekannt sind die weiteren artistischen Nummern der Kubaner. Zu acht sorgen sie zur Programmeröffnung für ein wirbelndes, buntes Bild beim Seilspringen. Unter anderem trägt einer der Artisten drei seiner Kolleginnen und Kollegen, während er seilspringt. Daikel Castillo Hernandez ist ein ganz famoser Jongleur und glänzt darüber hinaus mit hervorragender Ausstrahlung, spielt mit dem Publikum. Früh im Programm platziert, heizt diese Darbietung die Stimmung an. Daikel jongliert mit vier Keulen, dann mit fünf Ringen, während er zwei Fußbälle auf einem Mundstab und einem Stab auf der Stirn balanciert und einen weiteren Ring um seinen rechten Fuß kreisen lässt. Seine sieben Jonglierbälle versenkt er nacheinander in drei kleinen Fangnetzen am Hosengürtel, eines davon hinter dem Rücken. Schließlich folgt die Mundjonglage mit erst zwei Pingpongbällen, während er zwei Bälle auf den Fingerspitzen kreisen lässt, und dann mit fünf Pingpongbällen in bekannter Manier. Utnier und Daikel sind auch die Untermänner einer starken Handvoltigen-Arbeit, die sie mit einem kleineren Partner als Flieger präsentieren. Überraschungseffekt der Nummer ist das „Auf- und Abrollen“ ins bzw. aus dem Drei-Mann-Hoch. Ein herrliches, manegenfüllendes Bild liefert schließlich die komplette Truppe bei der Schleuderbrettnummer. Die vielfältigen Tricks (u.a. Fünf-Mann-Hoch mit Stange, Sesselsprung) werden longengesichert ausgeführt. Daneben finden die Akteure noch Zeit für das Spiel mit dem Publikum.


Kamele und Araber, Stephanie Probst mit Sergiu Mosanu und Utnier Aquino Hernandez, Reinhard Probst

Die Tierdressuren sind das Metier der Familie Probst. Stephanie Probst hat sich wieder eine neue Darbietung erarbeitet. Nach der Ungarischen Post im vergangenen Jahr zeigt sie nun mit ihrem Lebensgefährten Sergiu Mosanu und dem Kubaner Utnier Aquino Hernandez ein „Pas-de-Trois“ auf den Rücken von drei Friesenhengsten. Zunächst sind die akrobatischen Kunststücke ähnlich wie bei einem Pas-De-Deux (z.B. Stand auf den Schultern der Partner), dann legen die beiden Herren eine Art Reckstange über ihre Schultern. Auf dieser liegt Stephanie Probst freihändig in einer Waage oder zeigt Umschwünge um die Stange. Äußerst anspruchsvoll ist die Dressurfolge, die Stephanie Probst mit zwei braunen Trampeltieren, einem weißen Dromedar sowie zwei braunen und einem weißen Araber zeigt, unter anderem mit Farbwechseln, dem parallelen Gegenlauf der jeweils drei Kamele und Pferde und dem abschließenden Flechten der Kamele. Alle Tiere tragen prächtige Decken im orientalischen Stil, die Vorführerin ein passendes Kostüm – und sie dirigiert ihre Tiere dabei mit leichter Hand, Charme und Eleganz. Zu Saisonbeginn hatte Stephanie Probst noch die Hohe Schule und ihren Fünferzug Araberhengste als Schlussnummer präsentiert. Die Ehre der Schlussnummer kommt nun in erster Linie Kevin Probst zu. Viel Temperament und Jugendlichkeit kennzeichnet seine rasante Vorführung eines Sechserzuges Andalusier, die klassisch mit Federpuscheln geschmückt sind. Im Anschluss präsentiert Stephanie Probst noch Steigerpferde als Da Capo. Direktor Reinhard Probst komplettiert den Reigen der Tiernummern mit dem derzeit etwas verkleinerten, freilich jedoch weiterhin artenreichen Exotenzug. Altersbedingt sollen nun einige neue Tiere, darunter zwei neu beschaffte Süddeutsche Kaltblüter, in diese Nummer eindressiert werden, die ursprünglich Uwe Schwichtenberg zusammengestellt hat. Carmen Zander mit ihrer Tigerdressur ist bekanntlich frühzeitig aus dem Saisonprogramm ausgeschieden.


Sonja Probst und Sergiu Mosanu alias Lolli und Jim Bim

Den komischen Part teilen sich Sergiu Mosanu und Sonja Probst. Mosanu nimmt als „Jim Bim“ zunächst ein paar Schluck Hochprozentiges zu viel, ehe er herrlichen Slapstick auf Trampolin und Sprungturm zeigt. Dabei steht er durchaus in der Tradition von Don Martinez, von dem er die Requisiten übernommen hat, prägt die Nummer jedoch auch mit eigenständigen Ideen und Charakter. Sonja Probst ist eine Komikerin der eher leisen Töne, die grundsätzlich keine Besucher in die Manege zerrt. Sie erzählt ohne Worte liebevoll gestaltete Geschichten (aktuell: „Pistole“, „Dirigent“, „Handstaubsauger“). Neu ist eine Szene, die – als echte Reprise – das Thema der vorangegangen Schleuderbrettnummer aufnimmt. Lollis Hund springt von einem kleinen Turm auf ein Mini-Schleuderbrett und lässt so zunächst ein Püppchen zu einem Sessel fliegen. Das klappt einwandfrei. Originelles Detail: Hund und Püppchen tragen Kostüme aus dem gleichen Stoff wie zuvor die Kubaner beim „richtigen“ Schleuderbrett. Dann will Lolli sich selbst zu dem Sessel katapultieren lassen, der Hund springt – und das Schleuderbrett bricht entzwei.

Es ist ein qualitativ hochwertiges und rundes Programm, welches der Circus Probst in dieser Saison bietet – ganz ehrlicher, klassischer Circus mit Livemusik und stimmungsvollem Licht, der das Publikum offenkundig in besonderer Weise zufrieden stellt.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber