CHPITEAU.DE

Cirque Pinder - Tour 2011
www.cirquepinder.com ; 60 Showfotos

Metz, 2. Juli 2011: Zwei prägende Persönlichkeiten der letzten Jahre sind 2011 nicht mehr mit dem Cirque Pinder auf Tournee. Die eine ist Monsieur Loyal Frederic Colnot, die andere Tierlehrer Sacha Houcke. Statt Colnot führt uns nun Christophe Traux durch das Programm. Der junge Mann kommt vom Fernsehen und tritt als klassischer Sprechstallmeister mit Zylinder und Stock auf. Er schafft es mit seiner sympathischen Art, überzeugend die Verbindung von der Manege in den Zuschauerraum herzustellen. Seine Moderationen sind wortreich, was auch notwendig ist, denn zumeist sind sie die einzige Überbrückung der Umbaupausen.

Für die hauseigenen Exoten ist nun Beat Decker verantwortlich, der vor einigen Jahren bereits mit seinen Seelöwen in der Pinder-Manege zu erleben war. Decker hat die in den vergangenen Jahren von Sacha Houcke trainierte Exotendressur umgestellt. Zunächst zeigt er eine Freiheit mit sechs Kamelen. Danach kommen weitere Tiere hinzu. Der Höhepunkt ist erreicht, wenn zwei Lamas über drei an der Piste abliegende Kamele springen, während in der Mitte drei Kaltblüter im Kreis laufen. Dazwischen stehen auf Podesten drei Esel und ein Zebra. Die beiden hauseigenen Elefanten sind aktuell nicht mit auf Tournee und die wohl ursprünglich vorgesehene Dickhäuter-Nummer von Joy Gärtner sitzt nach wie vor in Marokko fest.


Beat Decker, Frederic Edelstein, Christophe Traux

Somit ist es derzeit an Beat Decker, insbesondere aber an Juniorchef Frederic Edelstein, den Untertitel des Programms „Les animaux sont rois“ („Die Tiere sind die Könige“) umzusetzen. Und das tut er sehr eindrucksvoll. Nach wie vor versammelt er nicht weniger als 16 Raubtiere im Zentralkäfig, Die Gruppe aus Löwinnen, Löwen und Tiger besticht nicht nur durch die Größe, sondern ebenso durch ein beachtliches Trickrepertoire. Hochsitzer auf den Plätzen von jeweils einer Hälfte der Gruppe, der Fächerlauf einer Löwengruppe und das Überspringen des am Boden knienden Tierlehrers durch eine der Löwinnen sind nur einige der gezeigten Kunststücke. Edelstein ist der unbestrittene Star des Programms. Die zahlreichen Autogrammwünsche seiner Fans nach der Show erfüllt er mit sichtbarer Freude; ein Star ohne Allüren. Ob wir ihn auch im kommenden Jahr in Frankreich erleben können, ist noch nicht entschieden. Ringling sei in der Tat an ihm interessiert. Eine Entscheidung oder gar einen unterschriebenen Vertrag gebe es aber noch nicht, so Edelstein gegenüber chapiteau.de. Zwar möge er Amerika sehr, andererseits hänge er aber auch am Circus der Familie. Wir werden sehen, wie die Entscheidung letztendlich ausfällt.


Kuba-Truppe, Shaolin Mönche

Die Mitwirkenden im artistischen Teil decken nahezu die gesamte Spanne des Erdballs von West nach Ost ab. Aus Kuba kommt einen vielköpfige Akrobatentruppe, aus China fünf Shaolin-Mönche. Die Kubaner sind mit drei Auftritten dabei. Zu acht eröffnen sie als Compagnie Habana das Programm mit einer interessanten Kombination aus zwei Reckstangen in der Mitte der Manege sowie zwei am Boden montierten Fangstühlen auf den beiden Seiten. Am Reck zeigen sie Sprünge und Umschwünge mit bis zu vier Personen gleichzeitig, an den Fangstühlen gibt es Handvoltigen. Dabei tragen sie Show-taugliche Jeans und schwarze Oberteile. In für dieses Genre typischen Outfits erleben wir sie vor der Pause am Flugtrapez. Im Repertoire haben sie u.a den Dreifachen und eine Passage. Die Präsentation der vier Flieger (jeweils zwei Damen und Herren) und des Fängers erscheint vergleichsweise zurückhaltend. Das ändert sich wiederum bei der vorletzten Nummer des Programms. Wie auch schon bei der Eröffnung, sorgen die Kubaner bei den Flügen von der Russischen Schaukel für ordentlich Stimmung. Diesmal zu zehnt in bunten, folkloristisch inspirierten Kostümen. Noch einmal überzeugen sie mit ihrem artistischen Können und ihrem Showtalent. Im Gegensatz dazu geht es bei den Shaolin-Mönchen ruhig zu. Nur die Ausführung der Tricks selbst wird oftmals von einem Schrei begleitet. Etwa wenn sich einer der Akteure ein Metallteil auf dem Kopf zerschlägt. Bevor sich die Chinesen mit Peitschenknallen verabschieden, balancieren vier von ihnen den fünften auf Speeren.


Yurie Basiul, Mila Decker, Georgio

Drei Solisten und ein Duo komplettieren in der von uns besuchten Vorstellung die Sparte Artistik. Die Equilibristin Gina Giovannis erleben wir leider in der ersten von an diesem Tag insgesamt drei Shows nicht. Den Diabolospieler Georgio sahen wir im vergangenen Jahr beispielsweise im Circus Alberto Althoff. Zunächst in Schottenrock und Karo-Kappe, dann als Punk, jagt er seine Diabolos bis direkt unter die Kuppel. Effektvoll startet er mit zwei leuchtenden Requisiten. Abschließend hält er drei Diabolos gleichzeitig in der Luft. In die Luft geht es auch für Mila Decker, die Tochter von Beat Decker. Wie bei Pinder schon des öfteren gesehen, wird der Abbau des Zentralkäfig mit einer Darbietung am Luftring überbrückt. Mila löst diese Aufgabe wunderbar mit einem hohen Maß an Gelenkigkeit sowie elegant dargebotenen Tricks, bei der sie ihr langes schwarzes Haar effektvoll wehen lässt. Spätestens durch sein letztjähriges Engagement beim Zirkus Charles Knie hierzulande bekannt ist Equlibrist Yurie Basiul. Seine Darbietung ganz in Weiß ist durch fließende Bewegungen gekennzeichnet, wodurch die im Programmheft genannten „Momente außergewöhnlicher Poesie“ entstehen. Der Equilibristik hat sich ebenfalls das Duo Solys verschrieben. Die Teilnehmer der französischen Version des „Supertalents“ haben die übliche Rollenverteilung umgedreht. Das heißt, wir erleben hier eine Unterfrau und einen Obermann. Das Ganze wird sehr ästhetisch vorgetragen und ist in eine wunderbare kleine Choreographie in Weiß eingebettet. Die Tricks sind größtenteils außergewöhnlich und innovativ. Ihren Schlusstrick gestalten sie unter Einbeziehung einer kleinen Ausgabe des Eiffelturms und haben spätestens damit die Franzosen auf ihrer Seite.

Das bei Pinder obligatorische Clowns-Entree liegt in diesem Jahr in den Händen der Cardinalis. Die beiden Auguste im gepflegten Kostüm liefern sich unter Anleitung der gestrengen Dame im Trio ein Boxmatch. Danach sorgen die Portugiesen mit Saxophon, Trompete und Gitarre für die einzigen Sequenzen Livemusik im Programm. Ansonsten kommt die Musik aus der Konserve und wird, ebenso wie das einfach gehaltene, aber kräftige Licht, nur bedingt zur Aufwertung der Show eingesetzt. Musikalisch dürfen es auch durchaus mal Vokalstücke sein. Wie zum Finale, bei dem sich alle Mitwirkenden zum WM-Hit 2010 „Waka Waka“ vom Publikum verabschieden.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch