|
Stuttgart, 26.
März 2011: Auf dem üblichen Circusareal auf dem Cannstatter Wasen,
wo zum Beispiel regelmäßig der Weltweihnachtscircus gastiert,
kündete kürzlich eine riesige Achterbahn vom nahenden
Frühjahrsvolksfest. Der Circus Henry Renz Manege fand sich dagegen
inmitten des riesigen Wasen-Areals an der Fruchtsäule aufgebaut. |
Damit war
der Circus leider von der Straße aus nicht so gut einsehbar,
nicht so sehr auf dem Präsentierteller platziert, wie es sonst
bei den Circusgastspielen in Stuttgart ist. In der Vorstellung
setzt der Circus auch im Programm 2011 ganz auf die klassischen
Säulen eines Circusprogramms. „Henry Renz Manege“ bietet heuer
durchweg gute Artistik, Clownerie mit dem renommierten Clownsduo
Slobodeniuk und insgesamt vier Tierdressuren, von denen drei
Beatrix Spindler präsentiert.
Alejandro Vanegas,
Tatjana Lenta und Jindra Berousek
In
Karlsruhe und Stuttgart wurde die Show durch das von Flic Flac
bekannte Duo Vanegas auf dem Todesrad verstärkt. Beim
Seilspringen, Blindlauf, Rückwärtslauf, verwegen hohen Sprüngen
und gar zwei Salti auf der Außenseite des rotierenden Rades war
es vor allem auch ein Vergnügen, bei dieser Top-Attraktion die
erschreckten Mienen und zugehaltenen Augen auf der Tribüne zu
beobachten. Ohnehin liegt ein besonderer Schwerpunkt dieses
Programms auf den Luftnummern. Eine wirklich hervorragende
Leistung auf diesem Gebiet wird von Juniorchefin Bianca Renz
selbst präsentiert. Sie arbeitet an einer Kombination von
Vertikalseil mit zwei längeren und zwei kürzeren Strapaten mit
Handschlaufen. Verschiedene Wirbel, der freihändige Spagat und
schließlich eine große Zahl kraftvoller Überschläge an den
hängenden und schwingenden Schlaufen gehören zum Repertoire
dieser Darbietung. Bernadett Stock ist unter anderem als Teil
des „Living Trapeze“ bei Flic Flac bekannt geworden. Bei Manege
arbeitet sie nun solistisch an einem Bündel aus dünnen Seilen,
hält sich lange in verschiedenen Posen, um diese dann
blitzschnell wieder zu wechseln, untermalt von einem Geräusch-
und Soundteppich. |
Duo D & M, Coppelias, Bianca Renz
|
Schön
anzusehen ist die Akrobatik des Duo D & M, Mehmed Memedov und Bernadett Bujbaczi, an schwarzen und
weißen Tüchern zu ruhiger Musik, bei der auch die Partnerin als
Porteur agiert. Den Reigen der Luftdarbietungen komplettiert
Tatjana Lenta gemeinsam mit ihrem Partner Jindra Berousek am
Haltestuhl und solistisch am kreisenden Luftring. Bianca
Renz sehen wir außerdem mit ihrer schwungvollen
Hula-Hoop-Darbietung, in der sie sich ebenfalls gut in Szene zu
setzen weiß. Das Duo D & M steht mit seiner Adagio-Arbeit
mit interessanten Posen in edler Anmutung, bei denen Bernadett
Bujbaczi zum Teil den Partner trägt, ebenso ein
weiteres Mal in der Manege. Bekannte Gesichter bei Manege sind
die Coppelias, die erneut mit ihrer Version von „Mensch oder
Puppe“ und der Percheakrobatik mit Schlangenjagd-Intro engagiert
wurden.
Der Anspruch
des Hauses, „modernen“, „zeitgemäßen“ Circus zu machen, soll bei
Manege anderem durch den Verzicht auf sogenannte „Wildtiere“ und
das gesprochene Wort eingelöst werden. Es gibt weder Begrüßung
noch Verabschiedung, keine Ansagen oder Vorstellung der
Künstler, nicht einmal einen Hinweis auf ein Rauchverbot oder
ähnliches aus dem Off. Daraus ergibt sich insgesamt doch ein
eher kühler, unpersönlicher Eindruck der Show. Zweiter
Kritikpunkt ist wohl die musikalische Begleitung, die zum einen
oft recht dumpf klingt, zum anderen mit einer gewissen Vorliebe
für Technoklänge auch nicht mitreißend ist. Aufwendig, modern
und farbenfroh ist dagegen die Beleuchtung mit einer großen Zahl
von LED-Scheinwerfern, die das Geschehen frontal von einer
Traverse, von hinten vom Artisteneingang, rundherum von den vier
Masten und aus der Kuppel ins rechte Licht setzen, hinzu kommen
Scanner und vier Verfolger.
Duo Slobodeniuk,
Beatrix Spindler
Für die
Tierdressuren ist in erster Linie Beatrix Spindler zuständig.
Die Hohe Schule zur Programmeröffnung beginnt sie mit einem
Steiger als „Schattenspiel“ hinter einer beleuchteten Leinwand,
ehe sie in der Manege zu Rockmusik reitet. Später zeigt sie
einen Sechserzug Freiheitspferde, und schließlich präsentiert
Beatrix Spindler eine originelle Hundenummer, bei der Koffer als
Postamente dienen und die Hunde auch auf einem Pony reiten. Eine
vollwertige Dressurnummer ist dazu die Arbeit mit einer Katze
und einer Ratte von Vladimir und Olga Slobodeniuk – die
Tierdarbietung bekommt an diesem Abend mit den stärksten Applaus
–, ebenso wie Vladimirs bekannte und leistungsstarke
Schlappseilarbeit einen vollwertigen Beitrag zum artistischen
Programm darstellt. Daneben ist das Paar natürlich noch in
seinen liebevoll gestalteten, reinen Clownsszenen zu sehen. |
Nach dem Finale
mit kollektivem Tanz zu Riverdance-Musik versammeln sich die
Artisten links und rechts des Zuschauereingangs, verabschieden die
Gäste, schütteln Hände – während es von oben Seifenschaum regnet.
Eine nette Idee, die dann noch eine etwas persönlichere Note
schafft. |
__________________________________________________________________________
Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber
|