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Zirkus Charles Knie - Tour 2011
www.zirkus-charles-knie.de ; 140 Showfotos

Mainz, 9. April 2011: Man mag es kaum glauben: Der „neue“ Zirkus Charles Knie – also der unter der Leitung von Sascha Melnjak – bestreitet in diesem Jahr schon seine fünfte Saison. Und noch einmal hat das Unternehmen, das sich bereits in den vergangenen Jahren zu einem der Marktführer entwickelt hat, einen Schritt nach vorne gemacht. Nachdem Fuhrpark und Zeltanlagen auf dem gewünschten Stand angekommen sind und das ausgeklügelte Marketing offenbar bestens funktioniert, wurde in diesem Jahr nochmals am Programm, das unter dem Motto  „Eine Reise um den Globus mit Tieren und Star-Artisten aus aller Welt“ steht, gefeilt.

Die Show ist zwar in Grundzügen mit der aus dem vergangenen Jahr identisch, die vorgenommen Veränderungen haben aber eine enorme Wirkung. Ein großer Pluspunkt freilich ist Andre Broger, der nun anstelle Versaces für die Clownerie zuständig ist. Zwar hatte es ein wenig gedauert bis der Schweizer Spaßmacher seinen Platz in der Show gefunden hatte – die Positionierung seiner Reprisen wurde mehrfach geändert -, inzwischen ist Andre aber bei Charles Knie angekommen. Mit seinen bekannten Lachschlagern wie „Duett mit Wischmopp“ und „Kampf mit dem Hai“ oder neuen Ideen wie zum Beispiel der Wanderung eines Besens durch das Gradin verkörpert Andre perfekt den Typus des sympathischen Clowns, den Kinder wie Erwachsene gleichermaßen in ihr Herz schließen.


Jonathan und Aline, Clown André, Paolo Kaiser

Ebenfalls positiv auf die Show wirkt sich der Tausch im Genre „Tücher“ aus: Statt den Geschwister Stipka mit ihrer mystisch angehauchten Tücher-Kür sehen wir nun Jonathan und Aline (Flying Mendoncas), die mit ihrer Tücher-Darbietung die Liebesgeschichte von Tarzan und Jane nacherzählen. Entzückend gespielt und gestaltet erhält die Nummer zusätzlichen Drive durch den live gespielten und gesungenen Phil-Collins-Song „You’ll be in my heart“. Ihre Vielseitigkeit beweist die famose achtköpfige Kapelle auch beim Auftritt von Paolo Kaiser, der dritten einschneidenden Änderung im Programm. Kaiser, der Handstand-Artist Iurie Basiul ersetzt, zeigt seine spektakuläre Rola-Rola-Darbietung zu fetzigem Electro-Rock. Weitgehend pausieren darf die Kapelle dann beim Auftritt des dänischen Taschendiebs Kenny Quinn, der seit dieser Saison als zusätzliche Nummer den ersten Programmteil verstärkt und auch in der Pressearbeit immer wieder eingesetzt wird.. Direkt auf den Auftritt Quinns folgend und ebenfalls neu – anstelle der Mairen Brothers - ist die Stuhlpyramide, die von René Sperlich extrem langsam und zu elegischer Bandmusik aus dem 3D-Film Avatar vorgetragen wird. Sperlich im Anschluss von Quinn arbeiten zu lassen und damit über Gebühr Tempo aus dem ersten Programmteil zu nehmen, ist in den Augen des Rezensenten übrigens der einzige Kritikpunkt an einer insgesamt höchst gelungenen Show.


Ballett

Die Zuschauer erleben dabei auch 2011 zwei völlig unterschiedlich gestaltete Programmhälften. Der erste Teil punktet mit opulent gestalteten Schaubildern. Erwähnt seien hier das mitreißende Zigeuner-Opening, an das sich das famose Pas de deux von Daniel und Denisa anschließt, die indischen Tempeltänzerinnen vor Monika Sperlichs Hula-Hoop-Darbietung sowie das spanische Bild, in dem Marek Jama seinen 6er-Zug Friesen zeigt, die Geschwister Stipka eine doppelte Hohe Schule reiten und das heuer bis auf eine Tänzerin völlig neu besetzte und um zwei Herren ergänzte Ballett Flamenco tanzt. Schöne Bilder, wenn auch in diesem Jahr ohne Ballettbegleitung bietet freilich auch Marek Jamas Exotenzug, der wie schon beim Heilbronner Weihnachtscircus Kamele, Zebras und Rinder nun auch gemeinsam in der Manege sieht.


Nistorov, Alex Lacey, Flying Mendonca

Der zweite Teil wiederum ist dann ein mitreißendes Nummernprogramm, das mit einem wunderbar dynamischen Spannungsbogen aufwartet. An dessen Anfang steht im Grunde das Flugtrapez der Mendoncas, das vor der Pause die Stimmung im Publikum erstmals zum Kochen bringt. Selbiges gelingt nach der Pause dann auch Alexander Lacey mit seiner gemischten Raubkatzendressur, die weiterhin durch exquisite Tricks und einen höchst eleganten Vorführstil besticht. Laceys vier Tiger und zwei Löweinnen wissen mittlerweile auch wieder einen männlichen Löwen in ihrer Mitte. „Massai junior“ ist bislang zwar nur Teil der Eröffnungspyramide und zeigt einen Solo-Hochsitzer, beweist somit aber bereits sein Talent. Mit der bereits eingangs erwähnten Tücher-Kür von Jonathan und Aline folgt auf Lacey eine weitere Darbietung, die, wenn man die Applausstärke zum Maßstab nimmt, in der Publikumsgunst ganz weit vorne liegt. Es folgt die sympathische Seelöwennummer von Monika Sperlich. Mit der dynamischen Rola-Rola-Darbietung von Paolo Kaiser nimmt der Spannungsbogen dann wieder Fahrt auf und steuert mit den herrlich albernen Späßen von Bauchredner Kenneth Huesca auf den furiosen Schlusspunkt der Show zu: die rasanten Rollschuh-Tricks der vier Nistorovs.

Zu Ende geht die Drei-Stunden-Show dann mit dem obligatorischen Finale, das als besonderes Extra einen Heißluftballon in die Manege bringt, in dem Clown Andre Platz nimmt, während unter ihm die Artisten einzeln vorgestellt werden. Um es nochmal auf den Punkt zu bringen: die Zuschauer haben bei Charles Knie eine mit Livemusik, Licht und Ballett exzellent in Szene gesetzte Circusshow im Revue-Stil gesehen, die im Bereich des traditionellen Circus in Deutschland kaum noch Konkurrenz hat und auch in Europa ganz weit vorne liegt. Da es aber immer Luft nach oben gibt, dürfen wir schon jetzt gespannt sein, wie uns der Zirkus Charles Knie in den nächsten Jahren überraschen wird.

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Text und Fotos:
Sven Rindfleisch