Während des
Einlasses werden auf einer großen Leinwand im Hintergrund der
rechteckigen Bühne Bilder aus der Probenphase gezeigt: Mit 20
Personen, darunter Regisseur, Choreographin und Fotograf, waren
die Gassers nach Kuba geflogen und probten dort mit dem gesamten
Ensemble einen Monat lang in einem Chapiteau des kubanischen
Nationalcircus. Dort wurde die Show dann auch erstmals für drei
Tage gezeigt – Starlight feierte Premiere in Kuba! Nach weiteren
drei Wochen Proben im Quartier des Cirque Starlight im
schweizerischen Porrentruy begann dann die Tournee. Chapiteau.de
besuchte den Circus in Genf, wo man wegen Bauarbeiten auf dem
traditionellen, sehr zentralen Circusplatz Plaine de Plainpalais
wie im Vorjahr auf ein Areal an den Vernets-Kasernen ausweichen
musste. Im vierten Jahr verfolgen wir nun die Entwicklung des
Circus Starlight. Nach etwas sperrigeren Kreationen rund um eine
Hausbesetzungs-Szenerie („Squat“, 2007) und allgegenwärtige
Klappstühle („C’comme, 2008), ließen sich der ironische Blick
auf den traditionellen Circus im Jahr 2009 („Coulisse“) und nun
die „StarFlight“-Flugreise auch ohne die Erklärungen im
Programmheft verstehen.
Las
Andeliye, Trio Bordeaux, Jessica Gasser mit Duo Fénix
Die erste
Hälfte des Programms beschreibt die Flugreise nach Kuba – vom
Check-in bis zur Landung. Da werden zum Beispiel am Flughafen
Gepäckstücke gewogen und erscheint die Kilogramm-Anzeige auf der
Leinwand. Oder es wird das Flugzeug an die Leinwand projiziert,
das die Akteure dann mittels einer nachgebauten Flugzeugtreppe
betreten. Wenn dann das Gepäck per Leinwandeinblendung nach oben
geladen wird, erklimmt auch die erste Artistin luftige Höhen:
die Französin Amélie Duport an zwei parallelen Vertikalseilen,
an denen sie unter anderem verschiedene Haltetricks zeigt. Im
Inneren des Flugzeugs kämpfen Direktionssohn Christopher Gasser,
wie 2009 wieder in der komischen Rolle eines echten Griesgrams,
und seine beiden russischen Clownskollegen Yury Mikhaylik und
Igor Yaroshevich um die besten Plätze an Bord. Später, in einem
weiteren Auftritt, mimen sie mit kreisenden Taschentüchern ein
Propellerflugzeugs. Leider jedoch wird bei ihren Pantomimen
nicht immer deutlich, worum es gerade geht, etwa bei ihrem
Auftritt im Schneetreiben kurz vor dem Finale. Jessica Gasser
nutzt die Zeit „über den Wolken“, um ein Buch zu lesen – und
liest auch unbekümmert in jeder erdenklichen Pose weiter,
während sie gemeinsam mit den beiden kubanischen Flugkapitänen
alias Erisley Garcia Sanchez und Edelio López Vásquez alias Duo
Fénix eine Handstandnummer zeigt. Amélie Dupart, hier mit
Partnerin Johanna Vina, ist auch Akteurin der zweiten Luftnummer
im Programm, nun am Hängeperche. Die beiden Frauen agieren
abwechselnd als Porteure.
Duo Romy,
Ensemble, Jessica Gasser
Kreisende,
bunte Lichter auf der Leinwand symbolisieren schließlich den
Landeanflug auf Kuba. Die drei Kubanerinnen des Trios „Las Andeliye“ liefern hier auf
ihren Einrädern einen temperamentvollen Vorgeschmack auf das
Land, zu typisch kubanischer Musik und in bunten Kostümen. Der
Spagat auf den Schultern zweier Einrad fahrender Partnerinnen,
später auch der Stand in der Brücke auf den Schultern zweier
radelnder Mädchen gehören zum Repertoire der Nummer, ebenso eine
Passing-Jonglage mit acht Ringen. Die „StarFlight“ ist nun
gelandet, die Passagiere nutzen den Ausstieg für einen
kollektiven Tanz – dann ist Pause. Nun ist
natürlich die Erwartung geweckt, dass im zweiten Teil des
Programms, nachdem das Ensemble in Kuba angelangt ist, voll auf
Tempo gesetzt wird, auf kubanische Musik und Lebensfreude, auf
Karibik-Feeling pur, wie bei der Einradnummer. Dem ist, wenn
überhaupt, leider nur zum Beginn so. Wenn auf der Leinwand
kubanische Autos durchs Verkehrschaos drängeln und dazu die
Kubaner des Duo Fénix in ihrem zweiten Auftritt Mastakrobatik
zeigen. In einer bunten Strandszenerie mit Cocktailbar und
Livegesang. Die bekannte Arbeit von Jessica Gasser am
Schwungtrapez (Genickhang, Abfaller) leitet dann nämlich über in
eine ganz ruhige Reise ins karibische Meer, verkörpert durch
Wellengang aus sich bewegenden Stoffbahnen. Da wird im
Luftring-Boot übers Wasser gerudert, werden an der Angel nicht
Fische gefangen, sondern Bonbon-„Köder“ unters Publikum
gebracht.
Johanna Vina
Und dann zelebriert die „Meerjungfrau“ Johanna Vina
ihre mit Kontorsionselementen verknüpfte Handstandarbeit. Nun geht es schon wieder zum Rückflug –
das Duo Fénix alias die beiden Flugkapitäne schwebt hierzu in
seiner dritten Darbietung an roten Seidentüchern mit einzeln und
zu zwei gearbeiteten Tricks. Ein ungewöhnliches Genre für ein
männliches Duo. Zur Gepäckentladung, dem „Kofferwerfen“, passt
dann gut die Ikariernummer der beiden Muskeltypen des
kubanischen Duos Romy. Auf den Einsatz einer Trinka wird
verzichtet, der Untermann hat nur ein kleines Kissen an den
Rücken geschnallt und liegt ansonsten am Boden. Zur Darbietung
gehört unter anderem eine Abfolge von zehn Salti, die jeweils im
Sitzen gestartet und gelandet werden. Und dann wird es, zum
Finale, wieder Zeit für einen fröhlichen Flugzeug-Ausstieg. |