CHPITEAU.DE

Cirque Nikulin - Tour 2010
www.cirquenikouline.blogspot.com

Straßburg, 4. Dezember 2010: Wenn eine Circusshow mit Darbietungen am Schleuderbrett, auf dem Russischen Barren und einem Flugtrapez aufwartet, sollte man eigentlich davon ausgehen können, eine große Show zu sehen. Erst recht, wenn für die Auftritte preisgekrönte Artistentruppen mit klangvollen Namen (Kovgar, Boytsov, Garamov) verantwortlich zeichnen. Dass dem nicht immer so sein muss, diese Erfahrung machten wir beim Besuch des berühmten Cirque Nikulin, der im Rahmen des französisch-russischen Jahres mit der Produktion „Davai“ in einigen Städten unseres Nachbarlandes gastierte.

Und zwar in einem fabrikneuen, schneeweißen Viermaster inklusive edlem Schalensitzgradin. Dass die Show uns letztlich nur bedingt gefiel, dafür gab es drei Gründe. Erstens war sie bereits nach etwas mehr als 90 Minuten (inklusive Pause) schon wieder vorbei. Zweitens war die Auswahl der Bandmusik nicht immer überzeugend. Und drittens enttäuschten ausgerechnet die großen Namen.


Flying Garamov, Truppe Kovgar

Nehmen wir etwa die Truppe Kovgar: Überzeugte ihre Seilspring-Nummer zu Beginn des Programms noch durch fröhliches und sympathisches Auftreten, hat ihre als Schlussnummer platzierte Schleuderbrettnummer im Vergleich zu den vergangenen Jahren deutlich an Qualität eingebüßt, zeigt nur noch ein Drei-Mann-Hoch und hat die Perchestangen-Konstruktion ihres Schlusstricks deutlich reduziert. Noch eklatanter war allerdings der Qualitätsabfall bei den Flying Garamov, die uns 2008 beim Cirque de demain noch überzeugten. Spektakulärster Trick ist ein Doppelsalto mit halber Schraube, der nach einem Fehlversuch allerdings nicht wiederholt wurde, was möglicherweise den spärlich besetzten Zuschauerreihen an jenem Samstagabend geschuldet war.


Maria Garamova

Völlig überzeugen konnten von den eingangs erwähnten Starnummern nur die Truppe Boytsov, deren Salti auf dem russischen Barren durch sympathisches Outfit (Stichwort Anglerhütchen) und Seilspringeinlagen zusätzlichen Pep erhält. Von den übrigen Darbietungen gefielen die longengesicherte Schwungtrapezdarbietung der charmanten Maria Garamova und die furiose Pudeldedressur von Assyat Agaeva, die im Kostüm einer rundlichen Babuschka kaum für möglich gehaltenes, mitreißendes Temperament entwickelte. Nett anzusehen waren aber auch die beiden Darbietungen von Tatiana Rojdestvenskaya, die sich als Moulin-Rouge-Diva am Vertikalseil produzierte, und Evgeny Pimonenko, der als Pierrot mit bis zu fünf Stoffringen – auch auf der freistehenden Leiter - jonglierte.


Les Mikos, Evgeny Pimonenko, Assyat Agaeva

Für den roten Faden der Show waren wiederum die monte-carlo-erprobten Mikos-Clowns zuständig. Zu Showbeginn schließen sie ein schweres, mit einem großen Vorhängeschloss versehenes Tor auf, das den Artisteneingang freigibt. Zum Schluss der Show wird das Tor wieder abgeschlossen und die Artistenschar, in der wir die im Programmheft angekündigte Kontorsionistin Maria Efremkina vermissten, quasi dahinter eingesperrt. Zwischendurch sind die Mikos in mehreren Reprisen zu erleben, die oft Bezug auf die vorhergehende Darbietung nehmen. Ihre Kostüme, ihr Auftreten wirken hochwertig, ihre Reprisen sind kreativ. Sinn und Zweck ihres Treibens ist aber kaum zu erschließen und dementsprechend auch nicht sonderlich komisch.

__________________________________________________________________________
Text: Sven Rindfleisch; Fotos: Stefan Gierisch