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Der Große Russische Staatscircus - Tour 2010
www.staatscircus.com ; 80 Showfotos

Darmstadt, 26. Februar 2010: Der Circusname prangt in Leuchtschrift über der Bühne. Ein grandioser optischer Reiz, der einen nicht vergessen lässt, dass man sich gerade im „Großen Russischen Staatscircus“ befindet. Das allerdings würde man auch nicht, wenn es diese Leuchtschrift nicht gebe. „Typisch russisch“, dieses durchaus nicht negativ gemeinte Prädikat, nämlich beschreibt die gesehene Show – trotz des französischen Ringmasters Thierry Dourin - ziemlich treffend. Nicht nur, dass fast sämtliche Artisten aus dem ehemaligen Sowjetreich stammen – wie im übrigen auch viele Zuschauer. 

Nein auch die strenge Inszenierung, die bisweilen etwas altmodisch wirkenden Kostüme und das ordentliche aber nicht wirklich circustypische Ambiente (Bühne statt Manege, schlicht in schwarz gewandete Platzanweiser), führen zu dieser Einschätzung. Dennoch zeigt der Agenturzirkus der holländischen Familie Smit auch in diesem Jahr eine im wahrsten Sinne des Wortes große, wie aus einem Guss daherkommende Show, an der inklusive Orchester und Ballett rund 35 Artisten beteiligt sind.

 
Trio Kiroushenkov, Fasttrack, Shulga und Kiroushenkov

Neu im Programm sind im Vergleich zum letzten Jahr zwei Darbietungen – jeweils zu Beginn der beiden Programmhälften. Zunächst wirbelt eine fünfköpfige Truppe über ein Fasttrack-Trampolin und zeigt Sprünge bis zum Drei-Mann-Hoch. Nach der Pause präsentiert Heiko Olf dann seine flott ablaufende Löwendressur (drei Löwinnen, ein Löwe). Nicht mehr dabei ist dagegen Equilibristin Alona Jouravel. Keinesfalls neu im Programm des Staatscircus, aber neu inszeniert ist wiederum die trickstarke Hand-auf-Hand-Nummer von Kiroushenkov, die er nun mit neuem, noch etwas unsicherem Partner zu schwungvoller Charleston-Musik unter Einbeziehung des Balletts präsentiert. Wie überhaupt das Ballett immer wieder geschickt eingesetzt wird, um den einzelnen Darbietungen zusätzlichen Drive zu verleihen. So umrahmen die Tänzerinnen die Handvoltigen des Trio Kiroushenkov in winterlich, folkloristischen Kostümen und unterstützen als Flamencotänzerinnen die Antipodenspiele von Ekaterina Tarbeev, die gemeinsam mit ihrem Mann Anton – erist der Hauptakteur - auch in einer Diabolo-Jonglage zu sehen ist.


Rodion und Juliette Girgenov mit Ballett, Zhuravel-Truppe

Ihren Paradeauftritt haben die Damen des Balletts in der Magicshow von Julia und Rodion Girgenov. In wechselnden Kostümen, von rosa bis pechschwarz, assistieren sie bei der ansprechenden Trickfolge von Großillusionen und lassen die Darbietung so zu einem manegenfüllenden Spektakel inklusive abschließendem Funkenregen werden. Übrigens sind auch Julia und Rodion Girgenov gleich mehrfach in der zweieinhalbstündigen Show zu sehen. Neben der Magicshow ist Julia noch in der stimmungsvoll in Szene gesetzten Klischnigg-Nummer von Rodion zu sehen und schwebt in der vielleicht schönsten Nummer des Programms mit ihrem Partner Sergui an den Strapaten durch die Zeltkuppel. Die artistisch stärkste Nummer im Programm präsentiert allerdings die vierköpfige Zhuravel-Truppe am Stufenreck: Ohne eine Miene zu verziehen zeigen die Jungs als muskelbepackte Bauarbeiter kraftvolle und spektakulär weite Schwünge und Sprünge.

 
Yuri Volodchenkov, Igor Markevitch, Gagik Avetisyan und Thierry Dourin

Zugpferd und Werbefigur des „Großen Russischen Staatscircus“ ist dennoch absolut zu Recht die lebende Legende Oleg Popov. Seine poetischen Reprisen sind zwar nicht brüllend komisch, haben dafür aber Herz und Eigenständigkeit. Popov ist und bleibt daher eine echte Manegenpersönlichkeit. Das kann von dem armenischen Clown Gagik Avetisyan leider nicht sagen. Als Charlie-Chaplin-Double ist er zwar wirklich überzeugend und charmant, seine Versionen des Orchesters und der Motorradfahrt mit „Freiwilligen“ aus dem Publikum sind dagegen eindeutig zu derb. Ein erstklassiges Auftreten in der Manege hat dagegen gewöhnlich Teufelsreiter Yuri Volodchenkov, der in der besuchten Vorstellung allerdings nur eine reichlich improvisiert wirkende Hohe Schule am langen Zügel zeigte. Dritte Tiernummer im Programm ist dann die furiose Hundeshow von Igor Markevitch.

Erstmals richtig aus sich raus geht das bis dato höchst reserviert applaudierende Publikum, dann bei der als Schlussnummer platzierten brasilianischen Diorio-Motorradtruppe in ihrem „Splitting Globe of Dead“. Schuld am späten Erwachen des Publikums ist möglicherweise der bisweilen ziemlich regungslose Verkauf der Artisten. Man würde sich jedenfalls an der einen oder anderen Stelle über ein echtes, von Herzen kommendes Lächeln freuen. Denn davon einmal abgesehen macht der „Große Russische Staatscircus“ fast alles richtig: Er leitstet sich ein bemerkenswert umfangreiches Ensemble, das durchweg gute bis sehr gute Darbietungen zeigt, und durch den kreativen Einsatz von Licht, Musik und Ballett zu einem überzeugenden Ganzen zusammengefügt wird. Und so gibt es im Finale doch noch lang anhaltenden und herzlichen Applaus vom Publikum.

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Text und Fotos: Sven Rindfleisch