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Circus Monti - Grand Hotel Monti 2009
www.circus-monti.ch

Widen, 1. Mai 2009: Im 25. Jahr führen die Muntwylers nun ihren Circus Monti, und so steht die Tournee unter dem Motto „25 Jahre aufwärts“. 1985 hat Clown Monti alias Guido Muntwyler das Unternehmen gegründet, das heute von seinem Sohn Johannes geleitet wird und zu den schönsten der Schweiz gehört. Das gilt für die gelb-rote, nostalgische und blitzsaubere Märchenbuch-Optik ebenso wie für die hohe künstlerische Qualität. Seit 1992 produziert man Programme, welche die Brücke zwischen Circus und Theater schlagen – bei jährlich rund 50 Gastspielen, zumeist in kleinen Orten und fast durchweg im deutschsprachigen Teil der Schweiz.

Es ist nun das vierte Monti-Programm, das wir seit unserem ersten Besuch 2006 gesehen haben – und bisher mit Sicherheit das, welches am wenigsten Circus und am meisten Theater war. Nicht nur, weil in diesem Jahr die Haustiere des Circus im Stall bleiben und gar keine Vierbeiner mehr im Programm zu sehen sind. Nein, vor allem ist die Geschichte rund um das „Grand Hotel Monti“ im Grunde ein richtiges Theaterstück mit einer durchgehenden Handlung. Jeder Mitwirkende spielt eine bestimmte Rolle – vom Koch über die Hausdame bis zum Hotelgast –, und zwar nicht pantomimisch, sondern mit einer Sprechrolle und vielen Dialogen. Zudem wurde anstelle eines Artisteneingangs eine richtige Theaterkulisse geschaffen – eine Hotellobby mit Rezeptionstresen, Freitreppe zu den Gästezimmern und zwei Schwingtüren in die Küche. Dieses Grand Hotel Monti ist nun ziemlich heruntergekommen, das Personal pflegt einen eher rustikalen Umgang mit den Gästen. Als eines Tages die Hotel-Inspektorin kommt, gespielt von Armelle Fouqueray, findet diese eine tote Maus und andere Untragbarkeiten und nimmt von den fünf Sternen des Hauses vier gleich mit. Welch eine Katastrophe, zumal auch noch der Hoteldirektor bei der Hausdame anruft und einen seiner sporadischen Besuche für den nächsten Tag ankündigt. Dies ist die Ausgangslage, und nun dreht sich zwei Stunden lang alles auf vergnügliche Weise um die Bemühungen der Hotelbediensteten, die Sterne zurückzubekommen – zusätzliche Komplikationen, wenn sich zum Beispiel Fernsehstar Isabella ins Hotel einmietet, und Happy End selbstredend inklusive.

Dass Monti 2009 noch stärker in Richtung Theater geht und ganz ohne Tiere auskommt, sieht Monti-Pressesprecher Stefan Gfeller noch nicht als unumkehrbare Entwicklung – vielmehr hänge dies von Jahr zu Jahr von der Frage ab, wer mit der Regie betraut werde. Gut möglich also, dass in der nächsten Saison schon wieder ein circensischeres Programm gezeigt werden wird. Für die Regie des „Grand Hotel Monti“ zeichnet Didi Sommer verantwortlich, ein Schauspieler, Musiker und Artist, der an der Theaterschule Dimitri ausgebildet worden ist und mit seiner Formation „Comedy Zap“ aus Varietés und von Festivals bekannt ist. Er hat bereits das Programm 2006, Piazza Monti, geschaffen. Ihm zur Seite steht als künstlerische Leiterin Cécile Steck (ebenfalls Comedia Zap); beide wirken in komischen Rollen (Kellner, Hausdame) im Programm mit. Zu ihnen gesellen sich weitere Kreative: der Co-Regisseur und Dramaturg, der Endregisseur, die Kostümbildnerin, der Lichtdesigner, der Komponist, die Choreographin – dies allein gibt schon einen Hinweis darauf, welch unerhörter Aufwand Jahr für Jahr betrieben wird, um ein komplett neues Programm in Szene zu setzen, das dann neun Wochen lang (!) im Wohlener Winterquartier mit allen Beteiligten, inklusive sämtlicher Artisten, einstudiert wird. Erwähnenswert ist auch das wunderschöne Programmheft im Querformat; die großformatigen und farbenfrohen Artistenbilder hat Felix Wey – seit 25 Jahren Monti-Hausfotograf – in einem mehrtägigen Fotoshooting in einem echten Grand Hotel gemacht. Der ganze Aufwand lohnt sich. So sprüht das Programm (oder soll man sagen: das Stück) 2009 vor kleinen Gags und witzigen Ideen, und alle artistischen Darbietungen sind konsequent in die Handlung eingebunden. Allzu häufig verlieren sich ja andernorts rote Fäden bis spätestens zur Pause, werden allenfalls im Finale wieder aufgenommen – bei Monti bleibt man 2009 von der ersten bis zur letzten Minute mit einer Konsequenz beim Thema, die wir so noch kaum erlebt haben.


Johannes Muntwyler, Martin Laliberté und Céline Jean, Laura Tikka

Klar ist auch, und dies zu bewerten ist jedermanns eigene Sache, dass bei Monti die Gesamtinszenierung der Star ist und nicht so sehr die einzelne artistische Leistung zählt. Wie in jedem Jahr stehen die Muntwylers selbst in der Manege: Vater Johannes und seine Lebensgefährtin Armelle Fouqueray beim klassischen Tellerdrehen, der ältere Sohn Tobias mit Diaboli (nun gemeinsam mit Jonas Egli, bekannt mit bisherigem Partner Konrad Utzinger vom Schweizer Circus Starlight und vom European Youth Circus 2008). Der jüngere Sohn Mario hatte über den Winter gemeinsam mit Stefan Wepfer eine Jonglagedarbietung mit akrobatischen Elementen einstudiert; nun ist Wepfer leider verletzt und fällt die komplette Saison aus. Kurzfristig sprang Martin Laliberté als Jonglierpartner ein. Neben der Familie ist bei Monti stets eine Riege junger Artisten engagiert, die in aller Regel aus keiner Circusfamilie kommen, sondern an einer Artistenschule ausgebildet wurden. Sie bringen weniger eine fertige Nummer ein, sondern stellen eher ihr Können für eine oder auch mehrere Saisons zur Verfügung. Stefan Wepfer, der Verletzte also, hatte sich nach seinem Auftritt am chinesischen Mast 2008 nun für die neue Saison eigentlich eine neue Variante am schwankenden Masten erarbeitet – für ihn kam Martin Benedikt Schepers, Absolvent der Berliner Artistenschule, mit einer Strapatennummer. Ein bekanntes Monti-Gesicht ist auch Laura Tikka, die zuletzt an Bungeebändern zu sehen war und im Grand Hotel Monti nun – als Schlussnummer – mit herzlicher Ausstrahlung am Schwungseil arbeitet. Hinzu kommen die Disziplinen Hand-auf-Hand (Céline Jean und Martin Laliberté zu berührend schöner Musik des siebenköpfigen Orchesters), Schlappseil (Christian Pettersen, Norwegen – unter anderem mit Schulterstand und Schaukeln auf einem Bein, stets mit einem Goldfischglas in der Hand) und Vertikalseil (kunstvoll: Saphorine Pétermann). Artistisches Highlight ist eindeutig die Kontorsionsarbeit der beiden bildhübschen schwedischen Zwillingsschwestern Jenny und Sara Haglund („Duo Vilja“) mit vielen Partnertricks „aufeinander“.


Duo Vilja, Christian Pettersen, Mario Muntwyler

Monti 2009 – das ist in jedem Fall hochqualitative Unterhaltung, mit ganz viel Liebe gemacht, auch wenn es für meinen persönlichen Geschmack ein bisschen zu wenig Circus ist und das Programm eher langsam in Fahrt gerät. Hervorheben muss man, dass die Muntwylers ihre ganz eigene Art gefunden haben, Circus zu machen – poetisch, witzig und verträumt, keine bestimmte Schule oder Mode aufgreifend (wie die kanadische à la Soleil etwa), sondern eigenständig und unverwechselbar. Sich abheben, etwas komplett anderes bieten – bestimmt nicht die schlechteste Strategie, um in der kleinen Schweiz neben dem großen Knie erfolgreich zu sein.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber, Sven Rindfleisch