Es ist nun
das vierte Monti-Programm, das wir seit unserem ersten Besuch
2006 gesehen haben – und bisher mit Sicherheit das, welches am
wenigsten Circus und am meisten Theater war. Nicht nur, weil in
diesem Jahr die Haustiere des Circus im Stall bleiben und gar
keine Vierbeiner mehr im Programm zu sehen sind. Nein, vor allem
ist die Geschichte rund um das „Grand Hotel Monti“ im Grunde ein
richtiges Theaterstück mit einer durchgehenden Handlung. Jeder
Mitwirkende spielt eine bestimmte Rolle – vom Koch über die
Hausdame bis zum Hotelgast –, und zwar nicht pantomimisch,
sondern mit einer Sprechrolle und vielen Dialogen. Zudem wurde
anstelle eines Artisteneingangs eine richtige Theaterkulisse
geschaffen – eine Hotellobby mit Rezeptionstresen, Freitreppe zu
den Gästezimmern und zwei Schwingtüren in die Küche. Dieses
Grand Hotel Monti ist nun ziemlich heruntergekommen, das
Personal pflegt einen eher rustikalen Umgang mit den Gästen. Als
eines Tages die Hotel-Inspektorin kommt, gespielt von Armelle
Fouqueray, findet diese eine tote Maus und andere
Untragbarkeiten und nimmt von den fünf Sternen des Hauses vier
gleich mit. Welch eine Katastrophe, zumal auch noch der
Hoteldirektor bei der Hausdame anruft und einen seiner
sporadischen Besuche für den nächsten Tag ankündigt. Dies ist
die Ausgangslage, und nun dreht sich zwei Stunden lang alles auf
vergnügliche Weise um die Bemühungen der Hotelbediensteten, die
Sterne zurückzubekommen – zusätzliche Komplikationen, wenn sich
zum Beispiel Fernsehstar Isabella ins Hotel einmietet, und Happy
End selbstredend inklusive.
Dass Monti
2009 noch stärker in Richtung Theater geht und ganz ohne Tiere
auskommt, sieht Monti-Pressesprecher Stefan Gfeller noch nicht
als unumkehrbare Entwicklung – vielmehr hänge dies von Jahr zu
Jahr von der Frage ab, wer mit der Regie betraut werde. Gut
möglich also, dass in der nächsten Saison schon wieder ein
circensischeres Programm gezeigt werden wird. Für die Regie des
„Grand Hotel Monti“ zeichnet Didi Sommer verantwortlich, ein
Schauspieler, Musiker und Artist, der an der Theaterschule
Dimitri ausgebildet worden ist und mit seiner Formation „Comedy
Zap“ aus Varietés und von Festivals bekannt ist. Er hat bereits
das Programm 2006, Piazza Monti, geschaffen. Ihm zur Seite
steht als künstlerische Leiterin Cécile Steck (ebenfalls Comedia
Zap); beide wirken in komischen Rollen (Kellner, Hausdame) im
Programm mit. Zu ihnen gesellen sich weitere Kreative: der
Co-Regisseur und Dramaturg, der Endregisseur, die
Kostümbildnerin, der Lichtdesigner, der Komponist, die
Choreographin – dies allein gibt schon einen Hinweis darauf,
welch unerhörter Aufwand Jahr für Jahr betrieben wird, um ein
komplett neues Programm in Szene zu setzen, das dann neun Wochen
lang (!) im Wohlener Winterquartier mit allen Beteiligten,
inklusive sämtlicher Artisten, einstudiert wird. Erwähnenswert
ist auch das wunderschöne Programmheft im Querformat; die
großformatigen und farbenfrohen Artistenbilder hat Felix Wey –
seit 25 Jahren Monti-Hausfotograf – in einem mehrtägigen
Fotoshooting in einem echten Grand Hotel gemacht. Der ganze
Aufwand lohnt sich. So sprüht das Programm (oder soll man sagen:
das Stück) 2009 vor kleinen Gags und witzigen Ideen, und alle
artistischen Darbietungen sind konsequent in die Handlung
eingebunden. Allzu häufig verlieren sich ja andernorts rote
Fäden bis spätestens zur Pause, werden allenfalls im Finale
wieder aufgenommen – bei Monti bleibt man 2009 von der ersten
bis zur letzten Minute mit einer Konsequenz beim Thema, die wir
so noch kaum erlebt haben.
Johannes Muntwyler, Martin Laliberté und Céline Jean,
Laura Tikka
Klar ist
auch, und dies zu bewerten ist jedermanns eigene Sache, dass bei
Monti die Gesamtinszenierung der Star ist und nicht so sehr die
einzelne artistische Leistung zählt. Wie in jedem Jahr stehen
die Muntwylers selbst in der Manege: Vater Johannes und seine
Lebensgefährtin Armelle Fouqueray beim klassischen Tellerdrehen,
der ältere Sohn Tobias mit Diaboli (nun gemeinsam mit Jonas Egli,
bekannt mit bisherigem Partner Konrad Utzinger vom Schweizer
Circus Starlight und vom European Youth Circus 2008). Der
jüngere Sohn Mario hatte über den Winter gemeinsam mit Stefan
Wepfer eine Jonglagedarbietung mit akrobatischen Elementen
einstudiert; nun ist Wepfer leider verletzt und fällt die
komplette Saison aus. Kurzfristig sprang Martin Laliberté als
Jonglierpartner ein. Neben der Familie ist bei Monti stets eine
Riege junger Artisten engagiert, die in aller Regel aus keiner
Circusfamilie kommen, sondern an einer Artistenschule
ausgebildet wurden. Sie bringen weniger eine fertige Nummer ein,
sondern stellen eher ihr Können für eine oder auch mehrere
Saisons zur Verfügung. Stefan Wepfer, der Verletzte also, hatte
sich nach seinem Auftritt am chinesischen Mast 2008 nun für die
neue Saison eigentlich eine neue Variante am schwankenden Masten
erarbeitet – für ihn kam Martin Benedikt Schepers, Absolvent der
Berliner Artistenschule, mit einer Strapatennummer. Ein
bekanntes Monti-Gesicht ist auch Laura Tikka, die zuletzt an
Bungeebändern zu sehen war und im Grand Hotel Monti nun – als
Schlussnummer – mit herzlicher Ausstrahlung am Schwungseil
arbeitet. Hinzu kommen die Disziplinen Hand-auf-Hand (Céline
Jean und Martin Laliberté zu berührend schöner Musik des
siebenköpfigen Orchesters), Schlappseil (Christian Pettersen,
Norwegen – unter anderem mit Schulterstand und Schaukeln auf
einem Bein, stets mit einem Goldfischglas in der Hand) und
Vertikalseil (kunstvoll: Saphorine Pétermann). Artistisches
Highlight ist eindeutig die Kontorsionsarbeit der beiden
bildhübschen schwedischen Zwillingsschwestern Jenny und Sara
Haglund („Duo Vilja“) mit vielen Partnertricks „aufeinander“.
Duo Vilja, Christian Pettersen,
Mario Muntwyler |