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Cirque Medrano - Tour 2009
www.cirque-medrano.fr ; 45 Showfotos

Forbach, 12. Juli 2009: Wie im vergangenen Jahr bereist Raoul Gibaults Cirque Medrano auch 2009 ohne Ausfalltage und fast ausschließlich mit Eintagesplätzen die Region Elsass/Lothringen. So gab der französische Circus auch in der unweit von Saarbrücken gelegenen 23.000-Einwohner-Stadt Forbach nur zwei Vorstellungen. Diese waren allerdings beide überaus gut besucht. Wie heutzutage fast jeder Circus setzt auch Medrano dabei auf ein ausgeklügeltes System von Ermäßigungskarten. So gibt es "3 für 2"-Karten, die drei Erwachsenen zum Preis von zwei Einlass gewähren und somit die eigentlich sündhaft teuren Eintrittspreise (Loge: 40 Euro) auf Normalmaß herunterschrauben.

Zusätzlich liegen in den Geschäften der Gastspielorte Freikarten für Kinder aus. Kleiner Haken an der Sache: Kinder unter 16 Jahren dürfen die Vorstellung nur in Begleitung eines zahlenden Erwachsenen betreten. Das in einem blau-roten Viermaster ablaufende Programm vereint dann den circensischen Dreiklang Tiere, Clowns und Akrobaten auf durchweg gutem Niveau. So sind auch alle drei klassischen Großtierarten (Pferde, Elefanten, Raubtiere) zu sehen. Omnipräsent, wie in jedem französischen Circus, ist auch der Sprechstallmeister, bei Medrano von Marco Mariani gegeben. Der blendend aussehende Sonnyboy ist ohne Frage das sympathische Gesicht der Show. Kleiner Wermutstropfen: Ab und an übertreibt es Mariani mit der Animation des Publikums. So fordert er die Zuschauer unzählige Mal dazu auf, sein gerufenes „He“ mit einem „Ho“ zu erwidern.


Rita Labahn, Carlos Savadra

Die Show selbst beginnt mit einer fünfköpfigen Tigergruppe, vorgeführt von Rita Labahn. Sie leitet die Tiere unter anderem zu einer Pyramide, vierfachem Hochsitzen sowie einem Rückwärtssteiger an. Als Schlusstrick balanciert ein Tiger über zwei parallel laufende  Metallstreben. Auf diese eher gemütliche Nummer folgt mit Natalie Chen am Luftring - sie arbeitet zu verträumter Musik - eine weitere ruhige Nummer, bis dann Szebastian Richter mit Jonglage zu Swing-Musik erstmals für mitreißende Stimmung im Chapiteau sorgt. Doch bereits anschließend wird es wieder elegisch: Zwei Chinesen zeigen ihre trickstarke und kraftvolle Strapatenarbeit zu Soleils „Stella“. Und so fehlt es dem Beginn der Show eindeutig an Tempo, das in manchen Vorstellungen sogar noch durch diverse Clowns-Reprisen gebremst wird, im Verlauf des Programms aber dennoch stetig gesteigert wird. Auf die Strapatennummer etwa folgt die flotte Präsentation zweier indischer und eines afrikanischen Elefanten. Für die Vorführung der Dickhäuter ist offiziell Rita Labahn zuständig, eigentlich aber ist es Ahmed Loyal, der in der Nummer die Fäden zieht. Labahns vornehmliche Aufgabe ist es dagegen gut auszusehen. Und das tut sie zweifelsohne in ihrem roten Kleid. Geradezu furios ist die direkt anschließende Pferdefreiheit von Carlos Savadra. In irrwitzigem Tempo und mit überschäumenden Temperament dirigiert „Wirbelwind“ Savadra fast ohne Peitscheneinsatz drei braune und zwei weiße Araber. Dem als „Flying Sandros“ angekündigten brasilianischen Flugtrapez obliegt dann der Schluss der ersten Hälfte: Zwar misslingt der dreifache Salto auch im zweiten Versuch, zu fetziger Latino-Musik fällt es den  vier Herren aber dennoch nicht schwer, das Publikum mitzureißen.


Szebastian Richter, Cardinali Clowns

Ähnlich mitreißend geht es auch in Hälfte zwei weiter, die Szebastian und Kriztyna Richter mit ihrer Hundekomödie am Vertikalseil gleich temporeich eröffnen. Den Nerv des Publikums treffen auch die portugiesischen Cardinali Clowns. In geschmackvollen Kostümen geben Sie das Bienchen mit Äpfeln. Da sie nur sich selbst bespucken, kommt das überdreht alberne Entree sogar bei den Erwachsenen im Publikum an. Die Kids quieken und kreischen sowieso vor Vergnügen. Nach so viel Humor ist es an der chinesischen Shaolin-Truppe für Nervenkitzel im Chapiteau zu sorgen. Mindestens zwei ihrer Tricks sind nichts für schwache Nerven. So lässt sich einer der jungen Artisten auf vier Speerspitzen ablegen, zwei andere klemmen einen auf beiden Seiten mit einer Spitze versehenen Speer zwischen ihre Hälse und verbiegen ihn, indem sie sich mit Macht aufeinander zu bewegen. Man hofft wirklich inständig, dass sich die beiden Jungs nicht gegenseitig aufspießen. Vermeintlich harmlos dagegen die Motorradshow der Diorios. Die Brasilianer rasen als Schlussnummer zu viert durch eine Stahlkugel.


Marco Mariani

Beschlossen wird das kurzweilige Programm dann mit einem begeisternden Finale, inklusive Flaggenparade, kleinen Zugaben und einer witzigen Tanzeinlage des gesamten Ensembles zu Michael-Jackson-Musik. Als Fazit bleibt festzuhalten, dass Medrano, ähnlich wie Pinder, der andere große klassische Circus in Frankreich, ein knallbuntes Spektakel für die ganze Familie zeigt. Im Vergleich zu Pinder, der zweifelsfrei das stärkere Programm präsentiert - wenngleich auch das von Medrano hohen Ansprüchen genügt -, fällt allerdings auf, dass Medrano etwas mehr Wert auf eine stimmige Inszenierung legt. Das beginnt schon damit, dass das Ambiente im Zelt aufgeräumter und die Livreen des Platzierpersonals edler wirken und zeigt sich auch darin, dass es zwar hier wie dort keine Livemusik gibt, die Bandmusik bei Medrano aber immerhin von gleich bleibender Qualität ist und auch besser auf die einzelnen Nummern abgestimmt wurde. Schade nur, dass auch bei Medrano offenbar während der Eintagesplätze keine Zeit bleibt, eine zweite Gardine einzuziehen. Und so fällt der Blick der Zuschauer ein jedes Mal, wenn der Vorhang aufgeht, auf eine von Tageslicht hellt erleuchtete, direkt hinter dem Platz liegende Wiese. Was aus praktischen Gründen sicher einleuchtet, ist der Atmosphäre im Zelt nicht wirklich zuträglich.

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Text: Sven Rindfleisch, Fotos: Stefan Gierisch