Zusätzlich liegen in den
Geschäften der Gastspielorte Freikarten für Kinder aus. Kleiner
Haken an der Sache: Kinder unter 16 Jahren dürfen die
Vorstellung nur in Begleitung eines zahlenden Erwachsenen
betreten.
Das in einem blau-roten
Viermaster ablaufende Programm vereint dann den circensischen
Dreiklang Tiere, Clowns und Akrobaten auf durchweg gutem Niveau.
So sind auch alle drei klassischen Großtierarten (Pferde,
Elefanten, Raubtiere) zu sehen. Omnipräsent, wie in jedem
französischen Circus, ist auch der Sprechstallmeister, bei
Medrano von Marco Mariani gegeben. Der blendend aussehende
Sonnyboy ist ohne Frage das sympathische Gesicht der Show.
Kleiner Wermutstropfen: Ab und an übertreibt es Mariani mit der
Animation des Publikums. So fordert er die Zuschauer unzählige
Mal dazu auf, sein gerufenes „He“ mit einem „Ho“ zu erwidern.
Rita Labahn, Carlos Savadra
Die Show selbst beginnt mit
einer fünfköpfigen Tigergruppe, vorgeführt von Rita Labahn. Sie
leitet die Tiere unter anderem zu einer Pyramide, vierfachem
Hochsitzen sowie einem Rückwärtssteiger an. Als Schlusstrick
balanciert ein Tiger über zwei parallel laufende Metallstreben.
Auf diese eher gemütliche Nummer folgt mit Natalie Chen am
Luftring - sie arbeitet zu verträumter Musik - eine weitere
ruhige Nummer, bis dann Szebastian Richter mit Jonglage zu
Swing-Musik erstmals für mitreißende Stimmung im Chapiteau
sorgt. Doch bereits anschließend wird es wieder elegisch: Zwei
Chinesen zeigen ihre trickstarke und kraftvolle Strapatenarbeit
zu Soleils „Stella“. Und so fehlt es dem Beginn der Show
eindeutig an Tempo, das in manchen Vorstellungen sogar noch
durch diverse Clowns-Reprisen gebremst wird, im Verlauf des
Programms aber dennoch stetig gesteigert wird. Auf die
Strapatennummer etwa folgt die flotte Präsentation zweier
indischer und eines afrikanischen Elefanten. Für die Vorführung
der Dickhäuter ist offiziell Rita Labahn zuständig, eigentlich
aber ist es Ahmed Loyal, der in der Nummer die Fäden zieht.
Labahns vornehmliche Aufgabe ist es dagegen gut auszusehen. Und
das tut sie zweifelsohne in ihrem roten Kleid. Geradezu furios
ist die direkt anschließende Pferdefreiheit von Carlos Savadra.
In irrwitzigem Tempo und mit überschäumenden Temperament
dirigiert „Wirbelwind“ Savadra fast ohne Peitscheneinsatz drei
braune und zwei weiße Araber. Dem als „Flying Sandros“
angekündigten brasilianischen Flugtrapez obliegt dann der
Schluss der ersten Hälfte: Zwar misslingt der dreifache Salto
auch im zweiten Versuch, zu fetziger Latino-Musik fällt es den
vier Herren aber dennoch nicht schwer, das Publikum mitzureißen.
Szebastian Richter,
Cardinali Clowns
Ähnlich mitreißend geht es
auch in Hälfte zwei weiter, die Szebastian und Kriztyna Richter
mit ihrer Hundekomödie am Vertikalseil gleich temporeich
eröffnen. Den Nerv des Publikums treffen auch die
portugiesischen Cardinali Clowns. In geschmackvollen Kostümen
geben Sie das Bienchen mit Äpfeln. Da sie nur sich selbst
bespucken, kommt das überdreht alberne Entree sogar bei den
Erwachsenen im Publikum an. Die Kids quieken und kreischen
sowieso vor Vergnügen. Nach so viel Humor ist es an der
chinesischen Shaolin-Truppe für Nervenkitzel im Chapiteau zu
sorgen. Mindestens zwei ihrer Tricks sind nichts für schwache
Nerven. So lässt sich einer der jungen Artisten auf vier
Speerspitzen ablegen, zwei andere klemmen einen auf beiden
Seiten mit einer Spitze versehenen Speer zwischen ihre Hälse und
verbiegen ihn, indem sie sich mit Macht aufeinander zu bewegen.
Man hofft wirklich inständig, dass sich die beiden Jungs nicht
gegenseitig aufspießen. Vermeintlich harmlos dagegen die
Motorradshow der Diorios. Die Brasilianer rasen als
Schlussnummer zu viert durch eine Stahlkugel.
Marco Mariani
Beschlossen wird
das kurzweilige Programm dann mit einem begeisternden Finale,
inklusive Flaggenparade, kleinen Zugaben und einer witzigen
Tanzeinlage des gesamten Ensembles zu Michael-Jackson-Musik. Als
Fazit bleibt festzuhalten, dass Medrano, ähnlich wie Pinder, der
andere große klassische Circus in Frankreich, ein knallbuntes
Spektakel für die ganze Familie zeigt. Im Vergleich zu Pinder,
der zweifelsfrei das stärkere Programm präsentiert - wenngleich
auch das von Medrano hohen Ansprüchen genügt -, fällt allerdings
auf, dass Medrano etwas mehr Wert auf eine stimmige Inszenierung
legt. Das beginnt schon damit, dass das Ambiente im Zelt
aufgeräumter und die Livreen des Platzierpersonals edler wirken
und zeigt sich auch darin, dass es zwar hier wie dort keine
Livemusik gibt, die Bandmusik bei Medrano aber immerhin von
gleich bleibender Qualität ist und auch besser auf die einzelnen
Nummern abgestimmt wurde. Schade nur, dass auch bei Medrano
offenbar während der Eintagesplätze keine Zeit bleibt, eine
zweite Gardine einzuziehen. Und so fällt der Blick der Zuschauer
ein jedes Mal, wenn der Vorhang aufgeht, auf eine von Tageslicht
hellt erleuchtete, direkt hinter dem Platz liegende Wiese. Was
aus praktischen Gründen sicher einleuchtet, ist der Atmosphäre
im Zelt nicht wirklich zuträglich. |