Damit folgt Renz seiner
Linie, jedes Jahr ein neues Motto für seine Programme zu wählen.
Treu bleibt des Direktionsteam um Rob Ronday ebenfalls seiner
Maxime, im Kern ein klassisches Circusprogramm auf durchgehend
hohem Niveau zu bieten, mit tollem Orchester und starkem
Lichtdesign.
Überhaupt präsentiert
sich das ganze Unternehmen, so wie man das von einem
europäischen Großcircus wünscht. Das große Chapiteau, der
Wagenpark in den Hausfarben blau-rot, der Holzzaun vor dem
Eingangsbereich und die Tierschau sind auf der weitläufigen
Goffertweide in Nijmegen ideal platziert. Zudem gibt es seit
dieser Saison ein neues, großzügiges Vorzelt, dass neben
Verkaufsständen auch ein Karussell beherbergt. Kurz, das
Ambiente lädt zum Besuch der Show ein.
Und die spielt in diesem Jahr eben weitgehend im Milieu der
Zigeuner. Will heißen Opening, Finale und die Nummern, bei denen
dies sinnvoll umsetzbar ist, sind hinsichtlich Musik, Kostümen
und Choreographie auf dieses Thema ausgerichtet. Gleichwohl
räumt Robert Ronday ein, dass es nicht immer möglich ist, das
zentrale Motiv über alle Nummern beizubehalten. Schon beim
Betreten des Chapiteaus werden die Besucher von jungen Männern
in passenden Westen und weißen Hemdem begrüßt und zum Platz
geleitet. In der Manege stimmt eine angestrahlte klassische
Gitarre auf einem Stuhl auf das Spektakel ein, während in der
Gardine ein alter Wagen aus Holz steht, dessen noch geschlossene
Tür Erwartungen auf die Bewohner weckt. Pünktlich zum Beginn der
Show öffnet sich die Tür, eine Sängerin mit Öllampe in der Hand
erscheint, gefolgt von den restlichen Mitgliedern des Ensembles.
Die Frauen tragen Kleider mit weiten Röcken, die Männer Gewänder
mit breiten Gürteln. Ein stimmungsvolles Bild, in dem
ausgelassen getanzt wird. Im Zentrum agiert Robert Ronday als
Zigeunerkönig.
Frenky, Nicol
Nicols, Tamara Weiser
Nachdem er das Publikum begrüßt hat, übernimmt Hans-Ludwig
Suppmeier mit sechs Andalusiern aus dem Hause Togni. Die
wunderschönen Tiere werden von ihm elegant vorgeführt. Sie
beherrschen ein umfangreiches Repertoire und verabschieden sich
nach variantenreicher Laufarbeit mit verschiedenen Steigern.
Dank ihrer Vielseitigkeit überrascht Tamara Weiser jedes Jahr
aufs Neue. 2009 zeigt sie sich im ersten ihrer beiden Auftritt
in der Renz-Manege als Hula Hoop-Künstlerin. Viel Feuer ist im
Spiel, wenn sie die Reifen um ihre Hüften kreisen lässt. Sie
betritt die Manege mit in einem Kreis angeordneten Fackeln,
während ihres wilden Tanzes schießen Feuersäulen „aus dem Boden“
und natürlich hat sie – trotz wehendem Kleid – Feuerreifen im
Repertoire. Kaninchen, Schwein, Ziege und Hühner sind die
Mitglieder von Frenkys Tierfamilie, die er an bzw. auf einer
Holzkarre mit Küchenutensilien in die Manege bringt. Während die
kleineren Tiere an einem Tisch Platz nehmen, entrollt das
Schwein einen Teppich und springt durch einen Reifen. Originell
auch die drei Hühner auf einer Wippe. Ganz so, wie wir es von
einer Taubenrevue kennen. Während dem Aufbau des Drahtseils
mischt sich ein Hund unter die Requisiteure, um von einem von
ihnen vertrieben zu werden. Natürlich sind in diese Szene
spielerisch kleine Kunststücke eingebaut. Auf dem Seil tanzt
Nicol Nicols als stolzer Matador. Seine Begleiterin ist
ebenfalls in ein prächtiges spanisches Outfit gewandet und
assistiert ihm etwa beim Seilspringen oder dem Sprung durch
einen mit Messern besetzen Reifen. Ferner überzeugt Nicols mit
Rückwärts- und Vorwärtssalto.
Michel Jarz,
Flying Michaels, Trio Laruss
Unter großen Anstrengungen zieht Milko, er gehört ebenfalls
zum Direktionsteam, an einem dicken Tau, das hinter der Gardine
endet. Zum Vorschein kommt erwartungsgemäß ein kleiner Hund. In
diesem Fall einer mit Löwenmähne. Das Grundmotiv ist bekannt,
die Umsetzung aber weitgehend eigenständig. Zum echten Hund
gesellt sich einer aus Stoff, der auf einem riesigen Podest
Platz nimmt und dort unter fachkundiger Anleitung von Milko sein
Kunststück zeigt. Das Podest dient dann als Bühne für das Trio
Laruss, welches anspruchsvolle Figuren der Partnerequilibristik
zeigt. Für mich sind die drei Ungarn der artistische Höhepunkt
im Programm, zumal sie die Wirkung ihrer Artistik durch die
Aufmachung als Goldmenschen enorm steigern. Schade, dass sie
keine prominentere Platzierung im Programmablauf erhalten haben.
Die komische Schleuderbrettnummer „Anno 1900“ gibt es hier mal
nicht im Stil der „Alten Kameraden“. Stattdessen kommen die
Akteure in 3/4-Hosen und mit Fransen behangenen Westen in die
Manege. Ein wenig wie eine arabische Springertruppe. Um alle
Zweifel an der nicht vorhandenen Ernsthaftigkeit ihrer
Darbietung zu beseitigen, tragen die Akrobaten um Milko, Frenky
sowie die beiden Fänger des Trio Bokafi, ausgefallene Perücken.
Dank der Schleuderbrett-Profis im Team gibt es sogar ein paar
„echte“ Sprünge zu sehen. Wie bei Milkos Hundedressur wird auch
hier ein bekanntes Thema eigenständig kreativ umgesetzt. So muss
beispielsweise der Herr aus dem Publikum kein Schleuderbrett zum
Auseinanderbrechen bringen, sondern darf mit Hilfe eine Longe
ein bisschen durch die Luft schweben. Die Hohe Schule von
Adriana Folco und Michel Jarz ist in ein größeres Schaubild mit
Ballett, Bahnen von Tüchern, die aus der Kuppel herunterhängen
und einer Luftartistin eingebunden. Das alles in prächtigen
Kostümen im Stil der Zigeuner und passender Musik. Ein Bild zum
Genießen. Dass die gebotene Leistung stimmt, ist fast schon
Nebensache. Nicht zum ersten Mal bei Herman Renz sind die Flying
Neves, die ihre Kostüme heuer auf das Motto des Programms
abgestimmt haben. Ihr Repertoire umfasst alle Tricks, die man
von einer solchen Darbietung erwartet – Passage und Dreifacher
inklusive. Die folgende Pause wird von „Waschfrau“ Frenky
eingeleitet, der mit Publikumshilfe eine Leine behängt.
Milko,
Adriana Folco, Michael Olivares
Einen weißen Tiger und zwei Golden Tabby von Flavio Togni
bringt Hans-Ludwig Suppmeier nach der Pause in den Zentralkäfig.
Die Vorführung setzt auf die Schönheit der Tiere und endet mit
einem Hochsitzer des weißen Tigers auf der sich drehenden
Spiegelkugel. In ihrem zweiten Auftritt erleben wir Tamara
Weiser an einem mit Blumen verzierten Luftring. Effektvoll ist
der Abgang an roten Tüchern. Die Damen des Zigeuner-Balletts
assistieren Milko, diesmal ganz klassischer Circusdirektor in
rotem Frack und Zylinder, bei der Vorführung eines Ponys. Dieses
lässt er durch Reifen laufen bzw. darüber springen. Eine nette
Reprise auf eine „richtige“ Freiheitsdressur, die dank der
Gesamtpräsentation herrlich anzusehen ist. Bälle, Bumerangs und
Keulen sind die Requisiten von Michael Olivares. Dass in seinen
Adern spanisches Blut fliesst, verhehlt dieser junge Artist
nicht, würzt er doch seine Jonglagen mit jeder Menge
südländischem Temperament. Besonders faszinierend ist die
gleichzeitige Jonglage von großen Bällen mit den Händen und Ping
Pong-Bällen mit dem Mund. Nachdem Frenky seine an einer Mütze
aufgereihte Luftballon-Cavallerie durch die Manege gejagt hat,
hat das nunmehr rein männliche Trio Bokafi seinen Auftritt. Neu
ist ein noch recht junger Flieger, der die bisherige Frau im
Team ersetzt und sicherlich bald noch routinierter wird.
Geblieben ist hingegen die ganz spezielle Art der Präsentation
ihrer Schleuderbrettshow. Mit einem Lichterfest der indischen
Tempeltänzerinnen werden Adriana Folco und ihre indische
Elefantendame Baby eingeleitet. In einem wunderschönen indischen
Gewand mit goldenem Kopfschmuck und einem Stoffschirm in der
Hand dirigiert Folco ihre vierbeinige Partnerin. Und
Partnerinnen sind die beiden ungleichen Damen im besten Sinne.
Das wird in der sehr auf Nähe angelegten Vorführung jederzeit
sichtbar. |