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Flic Flac - Underground 2009
www.flicflac.de


Heidelberg, 6. Juni 2009: Feuer-Opening und Wasserfinale sind bei Flic Flac Vergangenheit – nun hat man sich in der Show „Underground“ das nächste Element vorgenommen, den Wind. Kurz in der Eröffnungsszene, aber vor allem im Finale kommen Windmaschinen zum Einsatz, die einen Sturm im brandneu angeschafften 45-Meter-Chapiteau entfachen und das Publikum einem Flitter- und Papierrollen-Regen aussetzen. Eine schöne Idee, derer es ruhig noch mehr geben dürfte – die Übergänge zwischen den Darbietungen waren in früheren Produktionen flüssiger und einfallsreicher gestaltet, das Ensemble besser in das Gesamtkonzept eingebunden.

Allerdings wird an den Flic Flac-Shows ja permanent gefeilt – gut möglich, dass der Eindruck in wenigen Wochen schon wieder ein ganz anderer sein könnte. Nicht recht überzeugend ist aktuell jedenfalls der etwas langatmige Auftakt der Show, bei dem sich die Artisten auf dem Bühnenboden liegend versammeln und eine Erzählerstimme aus dem Off eine Geschichte in „Matrix“-Manier erzählt – von Individuen, die nach einem Ausbruch aus der Masse zurück ins Kollektiv drängen. Und dabei zeigen müssen, was sie in der Freiheit gelernt haben. Dieser Erzählstrang wird nur zum Auftakt des zweiten Programmteils noch einmal aufgenommen, spinnt sich aber nicht bis zum Finale fort.

Ganz und gar nicht Untergrund- und Matrix-düster ist dagegen Komiker Steve Eleky, Bruder der bekannten Antipodistin und Zirkus-Pressesprecherin Maria Eleky (2007/2008 Charles Knie, aktuell Reinhard Probst). Eine Stimme aus dem Off verkündet, dass der beste Jongleur der Welt leider nicht auftreten könne und man daher Ersatz beim Künstlernotdienst gebucht habe – das Stichwort für Elekys Auftritt, der das Publikum mit umwerfender Präsenz vom ersten Augenblick an voll im Griff hat. Im Schottenrock, dauer-redend und irr in-sich-rein-kichernd nimmt er die Zuschauer in den Humor-Schraubstock und lässt sie nicht mehr los. Lachsalven von den Rängen bei seiner Comedy-Jonglage im ersten Teil genau wie bei der Zauberparodie vor der Schlussnummer. Eleky ist der Hit im aktuellen Programm - ein echter Publikumsliebling. Überflüssig und zu lang dagegen der Auftritt von Mario Sandoval Navarro als Braut und Bräutigam in einem. Vorjahres-Komiker „Davidoof“ ist nicht mehr dabei.


Steve Eleky


Nicolay Dobrovolov und Miroslav Toskov, Frank Fabry, Eddy Carello,

Die Zahl der artistischen Darbietungen wurde gegenüber dem Vorjahr reduziert: von 18 (Stand: Ende Gastspiel Koblenz) auf 13 in der besuchten Vorstellung in Heidelberg. Ausgeschieden sind Direktionstochter Larissa Kastein (damals als „Wassernixe“, zuletzt mit „Pole Dance“ im Programm, aktuell im G.O.P. Hannover engagiert), BMX-Fahrer Dave Blundell, Jongleuse Ira Rizaeva, Mario Sandoval Navarros Schrägseil-Motorradfahrt, das Hand-auf-Hand-Duo Serjo, das Trapezduo Navaku, Hula-Hoop-Künstlerin Alla Domokos sowie der abgefahrene Klischnigger. Neu für uns waren in der besuchten Vorstellung, neben einer sehr kurzen Luftring-Einlage zum Auftakt des Flugtrapezes, lediglich zwei Darbietungen – beide hervorragend. Das war zum einen Eddy Carello, der unter anderem mit seinen Balljonglagen auf einem Schlagzeug fasziniert, zum andere der kraftvoll-sinnlich-leistungsstarke Strapatenakt von Nicolay Dobrovolov und Miroslav Toskov. Letzterer war übrigens die menschliche Kanonenkugel in der Flic-Flac-Show „No Limits“. Im Laufe des Heidelberg-Gastspiels kamen noch Roma Hervida und Sven Rauhe mit ihrer Rollschuhnummer unter dem Motto „Barbie und Ken“ hinzu. Außerdem gibt es nun einen Live-Sänger, Frank Fabry, der für die Songs im Rammstein-Sound zuständig ist, von denen es aber nur noch wenige im Programm gibt.


Tatjana Kastein, Truppe Simonenko 

Bekannt sind die kraftvollen Darbietungen von Roman Konanchuk an der Vertikalkette und Julia Galenchyk an den Netzstrapaten, die Höchstleistungen der Truppe Simonenko am Reck und auf dem Trampolin, die mitreißende Diabolo-Jonglage Alexander Xelos, die rasend schnell wirbelnden Bolas der Diablos del Fuego, der dreifache Salto der Baetas am Flugtrapez und die Motorradkugel mit aktuell sieben Fahrern. Tatjana Kasteins makellose Handstandkür auf einem schräg gestellten Spiegel bleibt ein berührend schönes Glanzstück. Konkurrenz macht das Flic Flac-Todesrad nun Krone-Star Crazy Wilson – einer der beiden Akteure hat nun auch den Salto auf der Außenseite des Rades im Repertoire, wobei hier mit Netz gearbeitet wird.


Flying Baeta

Underground bietet auch derzeit ausschließlich starke artistische Darbietungen (und tolle Comedy dazu), die in ihrer Wirkung von hervorragender Licht- und Tontechnik bestens unterstützt werden. Typisch „Flic Flac“ eben – quasi traditionell mit Todesrad vor der Pause und Motorradkugel zum Abschluss. Und da liegt der Knackpunkt: Flic Flac ist nach der spektakulären „No Limits“-Show im Riesen-Zelt wieder zum vorherigen Status Quo zurückgekehrt. An einem Punkt, an dem das Showkonzept droht, ausgereizt zu sein und auf eine durchschlagende Idee wartet, wie man das Stammpublikum wieder einmal komplett überraschen, wie man durch Innovation auftrumpfen könnte – was ja der Zweck von „No Limits“ war. Stetigen Wandel – das ist genau das, was man in der allerersten Liga, in der „Flic Flac“ nun einmal spielt, gerade von diesen etwas anderen Circus erwarten darf. Das spürt man offenbar auch bei Flic Flac. Schließlich bestätigt die Pressesprecherin, Iris Vollmann, dass man derzeit prüfe, ob nicht auch im Rundzelt Motorradstunts möglich sein könnten. Und schließlich taucht immer wieder das Gerücht auf, Benno Kastein bemühe sich nach Kräften um ein Engagement von Alex Lacey mit seinen Raubtieren. Löwen und Tiger in der Artistikshow? – Das wäre so eine Überraschung, auf die wir gespannt warten.

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Text: Markus Moll; Fotos: Flic Flac, Tobias Erber, Sven Rindfleisch