Ein weißer
Viermaster mit passendem Vorzelt sowie ein Kassen- und ein
Transportwagen mit großen, in Italien verbreiteten
Leuchtschriften prägen die Szenerie. Im Chapiteau werden die
Besucher von einer Reihe hübscher Empfangsdamen in einheitlich
blauen Kleidern und eleganten hohen Schuhen zu ihren Plätzen
gebracht – in den Logen, den zurückgesetzten, ebenerdigen
Stuhlreihen dahinter und auf dem Gradin ohne Rückenbretter. An
diesem Premierenabend, offenbar auch durch zahlreiche Frei- und
Sonderkarten gestützt, ist der Zuschauerraum bestens gefüllt.
Donald Niemen |
Das Programm beginnt mit einer der begeisterndsten
Pferdenummern, die wir jemals gesehen haben: Nach dem
Opening mit vier Tänzerinnen in spanischen Flamenco-Kostümen
und einer hohen Schule seiner Partnerin stürmt Donald Niemen
die Manege – ein Mann mit überwältigender Präsenz und
Ausstrahlung, der mit unbändigem Temperament sechs weiße
Hengste in einer Hochgeschwindigkeits-Freiheitsdressur
vorführt, ohne dass dies irgendwie brutal wirken würde. Hier
ist einfach ein Könner am Werk, der bei allem Feuer dennoch
elegant die Peitsche führt und sich bei den abschließenden
Da-Capo-Steigern immer nur ganz knapp unter den Tieren
hinwegduckt, im letzten Moment. Noch zwei weitere Male tritt
dieser tolle Künstler auf: Beim Stehendreiten auf zwei
Pferden schwingt er eine große Fahne, zeigt sich als
Lassodreher und jongliert mit Keulen und Fackeln. Überdies
sehen wir in mit Partnerin in einer „Western-Fantasie“ als
Messerwerfer und Lassodreher. „Enrico Robin, der Barbar“,
ein kräftiger Herrn im Gladiatorenoutfit, überrascht mit
einer anspruchsvollen Jonglierdarbietung, bei der neben
Bällen auch Messer als Requisiten dienen. Recht martialisch
wirkt auch die Reptilienshow, in der Mr. Kevin in einer Art
Indiana-Jones-Kostümierung verschiedene Schlangen
präsentiert und, zum wohligen Entsetzen des Publikums, eine
riesige Spinne mitten auf seinem Gesicht platziert oder
einen Skorpion in seinem Mund verschwinden lässt.
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Mr.
Kevin, Enrico Robin,
Megghy Franchetti
Zuviel des
Guten war in dieser Reihe von „Action-Nummern“ für unseren
Geschmack nur der Auftritt des Kraftmenschen alias „Ray Mysterio“,
der – sein Gesicht unter einer Wrestling-Maske verborgen –
Ziegelsteine mit der Hand zertrümmerte und sich abschließend von
einem Lieferwagen überfahren ließ.
Auf Erotik setzt Hula-Hoop-Künstlerin Megghy Franchetti:
Sie beginnt züchtig im Flamenco-Kleid, bei dem sie sich bald des
Rocks entledigt – nur ein schmaler Rest in „Gürtel-Breite“
bleibt von ihm übrig und verdeckt kaum mehr, als ihr
String-Tanga und die Netzstrumpfhose es auch alleine tun würden.
Später fällt auch noch das Bolero-Jäckchen, unter dem sie einen
paillettenbesetzten Bustier trägt. Die Damen-Riege des
Unternehmens wird komplettiert von Nancy Franchetti alias Miss
Xena in einer Säbelbalance auf der Leiter sowie einer reichlich
unspektakulären Ringtrapez-Arbeit, mit der Valentina
Franchetti
den Käfigabbau überbrückt. Dieser Auftritt wird allerdings
veredelt durch guten Livegesang von Sprechstallmeister Jessy
Franchetti, der die ganze Vorstellung stilvoll moderiert –
durchaus in einem gewissen Gegensatz zu der „krawalligen“
Zusammenstellung von Circusdisziplinen.
Willy
Caveagna, Guido und Jessy Franchetti
Wo von Käfigabbau die Rede ist, gibt es natürlich auch
Raubtiere: Alex Franchetti präsentiert die hauseigene
Tigerdressur mit fünf Tieren, eine ansprechende Arbeit mit
Pyramide, Sprüngen und Fächerlauf. Ebenfalls nicht fehlen darf
in einem italienischen Circus die Parade exotischer Tiere - hier
präsentiert von
Willy
Caveagna, wobei ebenso typischerweise besondere Dressurleistungen
eher rar sind. Die hauseigenen Clowns Orlando und Guido
komplettieren das Spektakel, unter anderem mit ihrer Version von
„Aufladen – Abladen“. |