CHPITEAU.DE

Circo di Barcellona - Tour 2009
www.circodibarcellona.com

Cornaredo, 20. November 2009: Circus mit Saft und Kraft bot der Circo di Barcellona der Familie Franchetti in Cornaredo bei Mailand: Kein Programm der Poesie und leisen Zwischentöne, sondern ein in weiten Teilen lautes und schrilles Spektakel mit Skorpion- und Spinnenshow, martialischem Kraftmensch, Messerwerfen, wilder Pferdefreiheit sowie einem aufreizend sexy Hula-Hoop-Girl. Was soll man sagen? Dieses Circus-Knallbonbon hat so richtig Spaß gemacht! Inmitten der 20.000-Einwohner-Stadt Cornaredo, unweit von Mailand, stand der Circo di Barcellona der Familie Franchetti.

Ein weißer Viermaster mit passendem Vorzelt sowie ein Kassen- und ein Transportwagen mit großen, in Italien verbreiteten Leuchtschriften prägen die Szenerie. Im Chapiteau werden die Besucher von einer Reihe hübscher Empfangsdamen in einheitlich blauen Kleidern und eleganten hohen Schuhen zu ihren Plätzen gebracht – in den Logen, den zurückgesetzten, ebenerdigen Stuhlreihen dahinter und auf dem Gradin ohne Rückenbretter. An diesem Premierenabend, offenbar auch durch zahlreiche Frei- und Sonderkarten gestützt, ist der Zuschauerraum bestens gefüllt.


Donald Niemen

Das Programm beginnt mit einer der begeisterndsten Pferdenummern, die wir jemals gesehen haben: Nach dem Opening mit vier Tänzerinnen in spanischen Flamenco-Kostümen und einer hohen Schule seiner Partnerin stürmt Donald Niemen die Manege – ein Mann mit überwältigender Präsenz und Ausstrahlung, der mit unbändigem Temperament sechs weiße Hengste in einer Hochgeschwindigkeits-Freiheitsdressur vorführt, ohne dass dies irgendwie brutal wirken würde. Hier ist einfach ein Könner am Werk, der bei allem Feuer dennoch elegant die Peitsche führt und sich bei den abschließenden Da-Capo-Steigern immer nur ganz knapp unter den Tieren hinwegduckt, im letzten Moment. Noch zwei weitere Male tritt dieser tolle Künstler auf: Beim Stehendreiten auf zwei Pferden schwingt er eine große Fahne, zeigt sich als Lassodreher und jongliert mit Keulen und Fackeln. Überdies sehen wir in mit Partnerin in einer „Western-Fantasie“ als Messerwerfer und Lassodreher. „Enrico Robin, der Barbar“, ein kräftiger Herrn im Gladiatorenoutfit, überrascht mit einer anspruchsvollen Jonglierdarbietung, bei der neben Bällen auch Messer als Requisiten dienen. Recht martialisch wirkt auch die Reptilienshow, in der Mr. Kevin in einer Art Indiana-Jones-Kostümierung verschiedene Schlangen präsentiert und, zum wohligen Entsetzen des Publikums, eine riesige Spinne mitten auf seinem Gesicht platziert oder einen Skorpion in seinem Mund verschwinden lässt.


Mr. Kevin, Enrico Robin, Megghy Franchetti

Zuviel des Guten war in dieser Reihe von „Action-Nummern“ für unseren Geschmack nur der Auftritt des Kraftmenschen alias „Ray Mysterio“, der – sein Gesicht unter einer Wrestling-Maske verborgen – Ziegelsteine mit der Hand zertrümmerte und sich abschließend von einem Lieferwagen überfahren ließ. Auf Erotik setzt Hula-Hoop-Künstlerin Megghy Franchetti: Sie beginnt züchtig im Flamenco-Kleid, bei dem sie sich bald des Rocks entledigt – nur ein schmaler Rest in „Gürtel-Breite“ bleibt von ihm übrig und verdeckt kaum mehr, als ihr String-Tanga und die Netzstrumpfhose es auch alleine tun würden. Später fällt auch noch das Bolero-Jäckchen, unter dem sie einen paillettenbesetzten Bustier trägt. Die Damen-Riege des Unternehmens wird komplettiert von Nancy Franchetti alias Miss Xena in einer Säbelbalance auf der Leiter sowie einer reichlich unspektakulären Ringtrapez-Arbeit, mit der Valentina Franchetti den Käfigabbau überbrückt. Dieser Auftritt wird allerdings veredelt durch guten Livegesang von Sprechstallmeister Jessy Franchetti, der die ganze Vorstellung stilvoll moderiert – durchaus in einem gewissen Gegensatz zu der „krawalligen“ Zusammenstellung von Circusdisziplinen.


Willy Caveagna, Guido und Jessy Franchetti

Wo von Käfigabbau die Rede ist, gibt es natürlich auch Raubtiere: Alex Franchetti präsentiert die hauseigene Tigerdressur mit fünf Tieren, eine ansprechende Arbeit mit Pyramide, Sprüngen und Fächerlauf. Ebenfalls nicht fehlen darf in einem italienischen Circus die Parade exotischer Tiere - hier präsentiert von Willy Caveagna, wobei ebenso typischerweise besondere Dressurleistungen eher rar sind. Die hauseigenen Clowns Orlando und Guido komplettieren das Spektakel, unter anderem mit ihrer Version von „Aufladen – Abladen“.

Insgesamt fühlten wir uns von dieser wilden Circus-Mischung bestens unterhalten. Zumal der Circus über eine Internetseite mit stets aktuellen Tourneedaten verfügt, können wir „di Barcellona“ für eine Italien-Circusreise als Station nur wärmstens empfehlen.

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Text: Markus Moll; Fotos: Sven Rindfleisch