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Leuven, 3. Oktober
2008, und Arlon, 8.
November 2008:
Viele
Jahre bereiste Franz Burkhart mit seinem ‘Gran Circo Universal’
Spanien. Nun war man per Schiff von Bilbao nach Zeebrugge gereist
und begann die Tournee durch Belgien im rund 140 Kilometer
entfernten Leuven. Der Circusplatz an der Brabant Hal, am Rande der
Stadt, liegt bestens sicht- und erreichbar an einer vierspurigen
Ausfallstraße in einem belebten Gewerbe- und Einkaufsgebiet nahe der
Autobahn. Ein großer Circus mit umfangreichem modernen Material ist
auf dem recht engen Gelände aufgefahren und am Vormittag des
Premierentages wird fertig aufgebaut.
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Der
große Fuhrpark, komplett in weiß mit roter Schrift, wirkt modern,
gepflegt und jeder Transport verfügt über sein eigenes Zugfahrzeug.
Einige Fahrerkabinen der modernen, zumeist Renault und Scania,
Zugmaschinen sind in Airbrushtechnik mit dekorativen Motiven
versehen. Im Gegensatz dazu ist die Menagerie bescheiden. Rund
zwanzig Pferde und ein paar Kamele sind in Einzelboxen
untergebracht. Ein kleiner Auslauf wurde neben dem Stall
eingerichtet. Das Chapiteau, ein großer ovaler Sechsmaster, ist
ebenso außen weiß mit roten Applikationen, wie der Stall. Es sieht
ziemlich neu aus, bietet zwei Manegen Platz und ist mit einem
kompletten Schalensitzgradin ausgestattet. Das Innere, mitsamt dem
riesigen Artisteneingang, wurde einheitlich in blau gehalten. Auf
Logen wird verzichtet, so dass die erhöht angebrachten Sitzreihen
gleich im Anschluss an die wuchtigen, beleuchteten, roten
Pistenkästen beginnen. |
Circo Universal in
Leuven
Ein großer
kombinierter Fassaden-, Kassen- und Durchgangswagen, davor der
weiße Stakettzaun mit Lichterbögen und die Parade der
Zugmaschinen vermitteln das Bild eines großen Circus. Das rote,
geräumige, karg ausgestattete Vorzelt ist per Tunnel mit dem
Chapiteau verbunden. Während des Einlasses wird sowohl im
Vorzelt als auch im Chapiteau eine Lasershow geboten. Die
Lichtanlage umfasst eine Vielzahl an Scannern und supermodernen
LED-Leuchten. Eine Tonanlage dieser Dimensionen ist uns bisher
noch in keinem Circus je begegnet, während des ‘Einlasses‘
konnten wir uns zur Genüge von ihrer außerordentlichen
Leistungsfähigkeit überzeugen. Die Plakatwerbung in der Stadt
war umfangreich, allein an jenem Abend bleibt das Publikum fast
vollständig aus. Außer den vier deutschen Circusenthusiasten
findet niemand den Weg zu dieser Veranstaltung, die dann auch
folgerichtig nicht stattfindet. |
Circo Universal in Arlon
Nun ist die Freude am
und der Zug hin zum Circus groß und die Neugier auf Neues und
Unbekanntes ausgeprägt. Folglich war es also das Normalste der Welt
aufs Neue nach Belgien, dieses Mal ins wesentlich näher gelegene Arlon,
aufzubrechen, auf dass wir die Vorstellung doch noch zu sehen bekämen.
Der leicht geneigte, von Baumreihen gesäumte, Wiesenplatz liegt
inmitten der Stadt, direkt am Justizgebäude. Dicht an dicht stehen die
zahlreichen Transporte im Carre am Rande des Platzes aufgefahren. Die
Front, ergänzt mit Generator- und Salonwagen wirkt größer und
beeindruckender als auf dem ersten Platz. Gegen Mittag macht sich ein
halbes Dutzend Requisiteure, in Livree und ausgestattet mit dicken
Packen Ermäßigungskarten, auf, diese in der Fußgängerzone unter das
Volk zu bringen. Ansonsten ist keine Bewegung, kein Mensch zu sehen.
Wie verlassen wirkt das Circusgelände. Erst zu Einlassbeginn wird der
Rollladen am Kassenschalter hochgezogen. Die Absperrgitter des
Frontzauns allerdings, die den größten Teil des Fassadendurchgangs
versperren, geben diesen auch dann nicht frei. Die Lichterketten über
dem Chapiteau und am Frontzaun blinken, aber die umfangreiche
Beleuchtung des Fassadenwagens wird auch nach Einbruch der Dunkelheit,
zur Abendvorstellung, nicht eingeschaltet und so wirkt der Eingang
sehr düster zwischen den hell erleuchteten Generator- und Salonwagen.
Das Vorzelt wurde nicht
errichtet und der Restaurations-Auflieger, seine Theke wird
hauptsächlich von den Circusmitarbeitern umlagert und scheint in
erster Linie das Kommunikationszentrum des Circus zu sein, steht
seitlich im Freien. Nur ein kleines Zeltdach überspannt den matschigen
Grund zwischen Eingang und Chapiteau auf dem wir warten, während ganz
allmählich einige wenige weitere potenzielle Besucher eintreffen. Kurz
vor 14:30, der angesetzten Zeit zum Beginn der Vorstellung, erkundigt
sich ein Mitarbeiter beim Direktor, was zu geschehen habe und nach
einem kurzen “Si - vamos” bei seiner Rückkehr beginnt der Einlass und
die knapp drei Dutzend Gäste strömen ins Chapiteau. Hier erwartet uns
eine kleine Überraschung - die Ausstattung ist gegenüber Leuven enorm
vereinfacht. Das Gradin wurde nur noch zentral vor den beiden Manegen
errichtet, die Kurven bleiben leer. Lasershow, LED-Lampen und Scanner
hat man nicht ausgepackt - eine dürftige konventionelle Lichtanlage
blieb übrig und auch die Beschallung wurde von einer wesentlich
abgespeckten Version der Anlage übernommen. Die beiden modernen neuen
sauberen Pisten waren ersetzt durch zwei uralte, unterschiedlich
gebaute aber gleichermaßen vergammelte und verschlissene Exemplare und
die Stoffverkleidungen der Masten wurden ebenfalls geschont. |
Ivan Desforges |
Nach kurzer Zeit trat
Direktor Franz Burkhart ins Halbdunkel vor den Vorhang zwischen den
beiden Manegen. An diesem Platz verharrte er bis die Show beendet war.
Ohne Begrüßung oder sonst in irgendeiner Form die Aufmerksamkeit des
Publikums zu fordern, kündigte er über die weiterlaufende Musik hinweg
die erste Darbietung an. In diesem Stil ‘moderierte’ er das gesamte
Programm, ergänzend dazu beinahe jeden Trick mit “formidable” oder
“merveilleuse” kommentierend. Während der kompletten Vorstellung
werden die beiden Manegen in stetem, nach jeder Nummer, Wechsel
genutzt. Die Tiernummern finden dabei ausschließlich in der rechten
statt. Ivan Desforges eröffnet mit einem Sechserzug Araberpferde das
Programm. Der Ablauf dieser Dressur wird von permanentem Rutschen und
häufigem Straucheln der Tiere auf dem nicht aufbereiteten Untergrund
beeinträchtigt.
Auf die unebene, nasse und rutschige Wiese wurde nur äußerst spärlich
Sägemehl gestreut und die Pferde finden einfach viel zu wenig Halt.
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Eine kurze, so gut wie
trickfreie, Hohe Schule sieht ebenfalls Herrn Desforges als Akteur,
genauso wie die abschließende Präsentation von zehn Friesen. Bei all
diesen Pferden treten die Rippen deutlich hervor und ihr Fell ist
schmutzig, wirkt struppig - wurde länger nicht gepflegt.
Franz Burkhart junior, Miss
Loredana
Vor den Vorhang hinter
‘Manege zwei’ ward ein Hexenhäuschen aus Kunststoff geschoben und
Schneewittchen und die sechs Zwerge, nein - kein Schreibfehler und der
Chronist kennt auch die richtige Zahl aus dem Märchentitel,
erschienen daraus in der Manege. Zur bekannten Melodie aus dem Walt
Disney Film hüpfen sie in der Manege umher und der geneigte Zuschauer
versteht dies als Rahmenhandlung und Einleitung einer Nummer. Dem ist
auch so, nur - deren Akteur arbeitet sinnigerweise in der anderen
Manege. Franz Burkhart jun. versucht sich als Jongleur mit kleinen
Bällen, Keulen und Ringen. Sein Auftritt wirkt hektisch und fahrig und
viele seiner Routinen finden ein jähes Ende auf dem Manegenteppich.
Reprisenclown Carlos traktiert das Publikum mit Popcorn und
seilspringen. Miss Loredana zeigt an Tüchern, die in ein
umfunktioniertes Mond-Requisit gebunden sind, einige recht statische
Tricks, besser sollte man von Posen sprechen, unter der Kuppel. Es
folgt die bereits erwähnte Hohe Schule, die nahtlos in die
Voltigereiterei von Franz Burkhart jun. übergeht. Etliche der üblichen
Reitertricks werden in schneller Folge kurz gezeigt, allein diesem
Auftritt fehlt jegliche Form von Verkauf. Die “Fantasios Magic Show”,
drei Frauen bilden diese Compagnie, zeigen drei Illusionstricks.
Recht ansprechend verkauft, endet der erste Programmteil, nach knapp
vierzig Minuten Dauer, doch noch mit einem kleinen Höhepunkt.
Ivan und Natalie Desforges, Duo Zarzon, Vera Hummel, Clown Carlos
Nachdem in der
Pause ein paar Säcke Sägemehl mehr in die Manege ausgekippt und von
den Requisiteuren mit den Füssen verteilt wurden, eröffnet Ivan Desforges mit seiner Partnerin Natalie den zweiten Teil mit einem Pas de
deux. Auf einem sehr schönen Schimmelgespann arbeiten sie die erste
Darbietung, die einem großen Circus gerecht wird und über das nötige
Flair verfügt. Der Spitzentrick, der Stand auf den Schultern des
Untermannes, wird longengesichert gearbeitet. Beim ‘Taxi loco’, dem
verrückten Taxi, des Duo Zarzon überzeugt lediglich das Motorgeräusch
des zum ‘Cabrio’ mutierten Fiat 126. Ohne größere Umstände werden die
wenigen dürftigen, oftmals andernorts zuvor gesehenen Gags abgespult
und mit einem ‘Knalleffekt’ ist diese Clownerie überstanden. In einem
zweiten Auftritt agiert Miss Loredana am Ringtrapez mit einer
ähnlichen, aber umfangreicheren, Trickfolge wie an den Tüchern.
Direkt anschließend
sehen wir das artistische Highlight des Tages - Vera Hummel vom
ehemaligen Duo Vera & Tomek. Elegant und kraftvoll arbeitet sie ihre
Kür am Trapez. Nun kommt Clown Carlos zu seinem großen Entree und
beweist mit seinen ‘freiwilligen’ Mitspielern, dass er die
Orchesterszene von David Larible perfekt studiert hat.
Die bereits erwähnte
Freiheitsdressur mit zehn Friesen schließt noch an, dann wird das
Finale eingeleitet. Zu einer Melodie aus dem Musical “Die Schöne und
das Biest”, der Gesang aus den Boxen erfolgt in spanisch, agieren drei
kostümierte Personen ein paar Minuten in den Manegen. Dann tritt die
Nebelmaschine erstmals in Aktion und acht Paare, auch einige
Requisiteure wurden in entsprechende Kostüme gesteckt, drehen sich zu
Wiener Walzer Klängen im Kreis. Nach nicht ganz eindreiviertel
Stunden, inklusive Pause, endet diese Veranstaltung, die im Verlauf
des zweiten Teils durchaus ansehnlichen Circus bot. Mit den kompletten
technischen Möglichkeiten dieses Unternehmens dargeboten, ein wenig
‘Regie’, ein wenig Verkauf, hätte dieses Programm durchaus ansprechend
gewirkt und einen besseren Unterhaltungswert vermittelt. Allein der
viel zu große Rahmen des Zwei-Manegen-Chapiteaus nimmt diesen, wenig
den Raum füllenden Darbietungen viel von ihrer Wirkung und nicht nur
das an mehreren Stellen geöffnete Zelt, der alte Heizungswagen scheint
nur dekorative Zwecke zu erfüllen, sorgen für eine unterkühlte
Atmosphäre. |
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Text und Fotos: Friedrich Klawiter
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