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Circus Starlight - C comme 2008
www.circus-starlight.ch

Genf, 21. März 2008: Man muss nicht nach Québec reisen, um den modernen kanadischen Theater-Circus zu sehen, es reicht schon ein Ausflug ins Nachbarland Schweiz. Der früher ganz traditionelle Circus Starlight der Familie Gasser präsentiert dort nunmehr im 7. Jahr jede Saison eine ganz neue Show im kanadischen Stil. Die Hälfte der Artisten, der Regisseur, die Choreographin, der Bühnenbilder, der Komponist, die Kostümbildnerin – sie alle kommen aus Québec. Selbst ein Grußwort des kanadischen Botschafters in der Schweiz fehlt im aktuellen Programmheft nicht. Ab Januar wurde nach Circusangaben für die Show „C comme“ geprobt, die Saisonpremiere war dann Anfang März.


Jessica Gasser und Goos, Marie-Andrée Lemaire und Goos mit Ensemble, Joelle Huguenin

Holzklappstühle spielen eine besondere Rolle im Bühnenbild – einer hängt beim Einlass in der Zeltkuppel am Trapez, einer an einem Masten, drei stehen oder liegen auf dem Artisteneingang, und zum Auftakt der Show kommt die elfköpfige Artistencrew in braunen Mänteln auf die viereckige Bühne – im Vorjahr gab’s noch eine runde Manege – und nimmt auf Stuhlreihen Platz wie im Kino. Später sehen wir sieben Artisten in einem Tanz, bei dem sie durch Auf- und Zuklappen der Stühle selbst den Rhythmus setzen. Was das alles bedeutet, mögen andere interpretieren. Von einem Stuhl aus, auf dem sie kurz auf Spitzen tanzt, lässt sich Starlight-Nesthäkchen Jessica Gasser dann auch ans Trapez ziehen, wo sie ihre eindrucksvolle Kür mit kontorsionistischen Tricks, Abfallern und Pirouetten zeigt. Anschließend hat die Jongleuse Joelle Huguenin ihren ersten Auftritt, hier mit bis zu fünf Bällen. Im zweiten Programmteil kehrt sie mit Keulen wieder. Die junge Schweizerin patzt an diesem Abend zwar häufiger, verfügt aber dennoch über eine hervorragende Technik, zeigt ausgefallene Wurfmuster und hält auch eine größere Zahl von Requisiten ausdauernd in der Luft.


Saphorine Petermann, Simon Renaud, Jacques Parlardy-Dion

Ebenfalls Schweizerin ist Saphorine Petermann, die sich kunstvoll auf immer neue Weise in ihr Vertikalseil wickelt und sich mit diversen Abfallern wieder daraus befreit – eine Darbietung, die starken Applaus erntet. Hoch hinaus geht es dann wieder bei der Arbeit des Kandiers Jacques Parlardy-Dion am chinesischen Masten, ehe sein Landsmann Simon Renaud blitzschnelle Wendungen im „Roue Cyr“ zeigt, einem großen Reifen, der ähnlich wie ein Rhönrad eingesetzt wird. Auch seine zweite Disziplin, mit der er in der zweiten Hälfte auftritt, ist eigentlich eher eine weibliche Domäne: das Schwungseil, hier mit Longensicherung.


Stéphanie Bouchard

Mit einer Gruppenjonglage des Ensembles geht es in die Pause. Im zweiten Programmteil tanzt zunächst Stéphanie Bouchard elegant auf dem Drahtseil, zeigt den Spagat und springt ins Sitzen, um sich wiederum in den Stand zu katapultieren. Sie ist Vertreterin einer der traditionsreichsten Circusdisziplinen, während Richard Cameron Morneau (beide Québec) später ein originelles Requisit für seine Luftdarbietung benutzt: zwei Leitern aus Seil-Schlaufen, zwischen denen er im Spagat hängt und von denen er von Sprosse zu Sprosse verschiedene Abfaller zeigt.


Cameron Morneau


Marie-Ève Dicaire, Marie-Andée Lemaire und Ruben, Goos

Dreh- und Angelpunkt des Programms sind aber die hinreißend lustige Komikerin Marie-Andrée Lemaire (Québec), die schon im Vorjahr die Show bereicherte, sowie der niederländische Clown Goos, zuvor beim Cirque du Soleil in Las Vegas engagiert, und der Spanier Ruben. Goos und Ruben waren Ende Januar beide beim „Cirque de Demain“ in Paris aufgetreten und bei dem Festival im Riesenzelt fürchterlich gescheitert – niemand lachte. Erstaunlicherweise ist es nun, im intimeren Ambiente des Cirque Starlight und mit verändertem Repertoire, eine Lust, den beiden zuzusehen. Ob nun Ruben als Insekten-Imitator auftritt, ob Goos in einer Luke im Bühnenboden „badet“ oder auf immer neue Weise die Handstandartistin Marie-Ève Dicaire (Québec) davon abhält, ihre Kunst bei mehreren versuchten Auftritten zu demonstrieren – hier sind die beiden Clowns wirklich lustig und kommen bestens beim Publikum an. Am Ende der Show gelingt es Dicaire natürlich doch noch ihre – bereits im Vojahr gezeigte – Handstanddarbietung vorzuführen, auf einem bogenförmigen Requisit und unter Bravorufen des Publikums.

War die erste Programmhälfte mitunter etwas sperrig präsentiert, auch durch eher minimalistische Musikbegleitung vom Band, so präsentiert sich die Show nach der Pause gefälliger, durch das große Gewicht der drei Clowns auch besonders heiter. Gute täte der Produktion noch ein besonderes artistisches Glanzlicht, eine Truppe – insgesamt ist „C comme“ aber erneut eine gelungene Demonstration von zeitgeistigem Circus.

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Text: Markus Moll; Fotos: Sven Rindfleisch