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Nidau 29. März 2008:
Circusinvasion in Biel. An dem bewussten Wochenende standen die
schweizerischen Traditionscircusse Nock in Biel und Royal in
Nidau nur etwa 2,5 Kilometer Luftlinie voneinander entfernt.
Hierzulande wäre Nidau ein Stadtteil oder eingemeindeter Vorort
von Biel, in der Schweiz aber handelt es sich um zwei
eigenständige Ortsgemeinden. So war dieses „Doppelgastspiel“
möglich, da zwei Ämter die Bewilligungen erteilten.
Auf dem
unmittelbar am Bieler See gelegenen Platz wählte man bei Royal
eine eigenwillige Aufstellung. Ziemlich versteckt, hinter einem
Abstellgelände für Boote, war die schlichte Front mit Kasse und
Eingangsbereich errichtet. |
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Zwischen den auf Trailern
ruhenden Segelschiffen hindurch und über ein kaum begehbares
Schottergeläuf hatte man sich den Weg zum Ort des Geschehens zu
suchen. An der unmittelbar an der „Rückseite“ des Platzes
entlanglaufenden Nebenstraße waren dagegen Stall und Abteilwagen
platziert. Ein Großteil des Materials wurde über Winter mit viel
neuer Farbe in einen ansehnlichen Zustand versetzt. Das
cremefarben-blaue Chapiteau sieht dagegen schon ziemlich
fadenscheinig und verbraucht aus.
Der Circus Royal arbeitet stark mit einem
Freikartensystem. Die Karten, natürlich nur für
Abendvorstellungen gültig, werden in großer Anzahl direkt an
alle Haushalte verschickt und müssen dann an der Kasse in
Billettes eingetauscht werden. Allerdings steht der gewaltigen
Menge der Freikarten bzw. dem großen Rücklauf nur eine sehr
beschränkte Anzahl an nicht zuzahlungspflichtigen Sitzplätzen
gegenüber. |
Im Vorzelt
empfängt die Besucher neben dem Caféwagen und Verkaufsständen
der permanente Versuch, Circusstimmung zu erzeugen. Roy Black,
Rita Pavone und Freddy Quinn trällern ihre Uralt-Schlager zum
Thema Circus aus den Boxen.
Das neunköpfige Royal-Orchester
hat seinen Platz über dem Artisteneingang und darf die Show auch
fast komplett begleiten. Nach der ein wenig lang geratenen
musikalischen Eröffnung ist es soweit, zum ersten von etlichen
Malen erscheint er – Direktor Oliver Skreinig. Begrüßung,
Ansagen, Finale – gerne nutzt er den Catwalk, die extrem hohe
Piste der Royalmanege, in wechselnden Outfits zur
Selbstdarstellung. Des Weiteren ist er dreimal mit den
hauseigenen Dressurnummern präsent. Drei Kamele und als
Pausennummer eine Ziegendressur sowie später die restlichen
Tiere des Exotenzuges, einige Rinder und Lamas, folgen seinen
Anweisungen und denen seiner Assistenten. |
Oliver Skreinig |
André, Natalia
Herz, Enrica Stauberti
Zu Programmbeginn sehen wir die
Geschwister Stauberti. Dimitr arbeitet auf der freistehenden
Leiter. Kurz darauf staunt das Publikum über die ausgefeilte
Perchedarbietung mit dem einmaligen Spitzentrick. Auf einem
hohen Einrad fahrend, balanciert Dimitr die Stirnperche mit
seiner Schwester Enrica in der Handstandwaage an der Spitze und
jongliert so ganz nebenbei noch fünf Keulen. Ihre Zopfhangkünste
darf Enrica Stauberti im zweiten Programmteil präsentieren.
Nicht nachvollziehbar, welcher Regieidee Rechnung getragen wird,
die artistisch stärkste Nummer des Programms, die Perchenummer,
irgendwo mitten im ersten Programmteil zu „verschenken“. Auch
Natalia Herz arbeitet ihre immer noch attraktiv anzusehende
Trapeznummer am Beginn der Show, während ihre Zweitnummer, eine
Hula Hoop-Präsentation, im Stil sehr an Yelena Larkina
erinnernd, den zweiten Programmteil eröffnet. Die meisten seiner
Reprisen sind seit Jahren bewährt und kommen auch hier gut an –
Clown André lässt unter anderem seinen Teddy mit dem Fallschirm
springen und badet mit einem Hai. Den meisten Zuspruch erzielt
er mit seinem letzten Auftritt, in dem er alleine ein Duett
„singt“. Als Julia Sascha & Sascha werden drei russische
Artisten avisiert, die Handvoltigen im Rahmen einer modernen
Choreographie demonstrieren. Schlusspunkt und nach Dafürhalten
der Direktion wohl auch der Höhepunkt sind Dubskys Fußballhunde.
Sie sind Plakatmotiv bei Royal in diesem Jahr und sollen wohl
bei den EM-Mitgastgebern die Lust auf Circus wecken. Die Hunde
tollen temperamentvoll herum, die Nummer ist amüsant, kommt
insbesondere bei den kleinen Zuschauern sehr gut an, taugt aber
nicht als Finalnummer.
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Zu Beginn des Finales deklamiert
Oliver Skreinig, auf der Piste herumstolzierend, langatmig und
musikalisch unterlegt sämtliche Strophen von Freddy Quinns „Ja,
wir sind Artisten“. Das Finale offenbart, wie wenig Mitwirkende
zu diesem durchaus unterhaltsamen Programm beigetragen haben,
das man sich nur in weiten Teilen besser, mit mehr Licht auf dem
agierenden Artisten, ausgeleuchtet gewünscht hätte. |
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Text: Friedrich Klawiter; Fotos: Friedrich
Klawiter, Tobias
Erber, Sven Rindfleisch
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