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Bethlehem, 25.
Oktober 2008:
Die Gold Unit, also die goldene Einheit, ist die
kleinste der drei reisenden Ringling Brothers and Barnum and
Bailey Shows und ähnelt wohl am ehesten den klassischen, europäischen
Programmen. Die sogenannte “Hometown Edition” ist eine
Ein-Manegen-Show und bereist, wie es der Spitzname schon
andeutet, vorwiegend kleine bis mittelgroße amerikanische
Städte. Wie alle Ringling Einheiten bespielt auch dieses
Unternehmen ausschließlich Hallen. |
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Am heutigen Abend gastierte das diesjährige
Programm “Boom A Ring” in der Universitätssporthalle der
ehemaligen Stahlarbeiterstadt Bethlehem in Pennsylvania.
Trotz des
nüchternen Ambientes der Betonhalle schafft es Ringling durch
professionelle Beleuchtung und Akustik, den Zauber der Manege in
die Sportstätte zu bringen und das Publikum in Stimmung zu
versetzen. Das junge, internationale Ensemble begrüßt schon eine
Stunde vor dem eigentlichen Vorstellungsbeginn überaus
freundlich das Publikum in der kostenlosen All-Access-Pre-Show.
Hier kann man neben Autogrammen der Artisten auch sein eigenes
Können als Akrobat unter Beweis stellen, was besonders bei dem
jüngeren Publikum großen Anklang findet. Die gesamte Feldfläche
der Halle wird von der runden Manege, sowie vier großen
Stahlträgern und Logenplätzen eingenommen. Links und recht neben
dem in diesem Jahr eher unscheinbar gestalteten Artisteneingang
ist die sechsköpfige Liveband platziert, welche das gesamte
Programm musikalisch begleitet.
Eröffnungsparade,
Stas und Vas
Das diesjährige
Programm verzichtet komplett auf die Rolle des Ringmasters und
wird von den beiden russischen Clowns Stanislav Knyazkov und
Vasily Trofinov oder kurz Stas und Vas eröffnet. Unter
Beteiligung des gesamten Publikums lockert ihre
Trillerpfeifenreprise das etwa zähe Publikum auf und stimmt auf
einen heiteren Abend ein. Zur obligatorischen Nationalhymne
präsentiert eine charmante junge Frau auf einem Elefanten
reitend die amerikanische Flagge, während das Orchester die rein
instrumentale Version der Nationalhymne live spielt. Das
folgende Eröffnungscharivari aller beteiligten Akteure leitet
fließend zum Auftritt des Jongleurtrios um Spaßmacher Stas über.
Neben dem Absolventen der Moskauer Circusschule begeistern auch
seine beiden Partner in dieser temporeichen und humorvollen
Darbietung. Sowie die meisten anderen Artisten hat auch die auf
zwei Mann geschrumpften Truppe Los Scolas mehrere Auftritte im
Programm. In ihrer ersten Nummer des Abends stellen die
Lateinamerikaner ihre artistischen Fähigkeiten am Hochseil unter
Beweis. Mit genretypischen Tricks und südamerikanischem
Temperament verstehen sie es, das Publikum in ihren Bann zu
ziehen.
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Liina Aunola, Diana Vedyashkina, Elefanten
Danach hat der
Komiker Justin Case seinen ersten Auftritt in dem er für eine
“verzögerte” Darbietung improvisieren soll. Während der Nummer
fällt sein Fahrrad langsam auseinander, so dass ihm nur noch
Unterstützung eines “Freiwilligen” aus dem Publikum bleibt, um
die Zeit zu überbrücken. Nach einigen Späßen und dem
Überspringen des am Boden liegenden “Freiwilligen” mit dem
Einrad, oder besser gesagt, dem Überbleibsel eines Fahrrades,
wird der Gast mit Erinnerungsfoto ins Publikum entlassen. Die
drollige Dackelnummer wird am heutigen Abend ersatzweise von der
Allrounderin Vinzenta Pages charmant präsentiert. Obwohl man
erkennt, dass die Nummer erst vor kurzem von ihr übernommen
wurde, läuft diese schon relativ flüssig und erntet wahre
Begeisterungsstürme beim jüngeren Publikum. Vom Manegenrund
wandert der Blick des Zuschauers unter die Hallendecke zur
Schwungseildarbietung der finnischen Artistin Liina Aunola.
Temporeich und kraftvoll präsentiert die junge Artistin ihre
Nummer und krönt diese mit mehreren Abfallern. Weniger
nervenaufreibend geht es mit der, für Ringling-Verhältnisse eher
unscheinbaren, Elefantendarbietung weiter. Die als Ersatz für
die leider ausgeschiedene, auch in Deutschland bekannte
Tierlehrerin Patricia Zerbini eingesetzten drei indischen
Elefantendamen zeigen ruhig ihr Trickrepertoir und leiten in die
Pause ein. |
Vincenta Pages,
Dinov und
Borislava Vaneva
Nach der Pause
erwartet das Publikum Vincenta Pages mit ihren weißen Tigern.
Die erst 22-jährige Vincenta stammt aus der
kubanisch/amerikanischen Circusfamile Pages und präsentiert
elegant und souverän ihre sechs Tiere. Kaum den Zentralkäfig
verlassend, streift sie stilvoll ihren Mantel ab und begibt sich
zu ihrer Darbietung an den Ringen in luftige Höhen. Gekonnt
zeigt die junge Dame, dass sie neben ihrem Talent als
Tierlehrerin auch über eine solide artistische Ausbildung
verfügt. Im Manegenrund geht es mit der Perche Darbietung von
Valentin Dinov und Borislava Vaneva weiter. Seine Partnerin auf
einer Stange auf dem Kopf balancierend überquert der Bulgare
eine Leiter. Unterbrochen wird die Nummer von den beiden
Spaßmachern Stas und Vas, die sich ebenfalls mit einer
Stangenbalance versuchen wollen. Das einfallsreiche Entrée sorgt
für einige Lacher und leitet in den zweiten Teil der
Perchedarbietung über. Die dabei verwendete Stange besitzt auf
der Spitze eine Apparatur, die es der Partnerin ermöglicht, mit
einem Fahrrad Überschläge zu machen, während Valentin kraftvoll
die Stange auf seinem Kopf balanciert.
Los Scolas, Justin Case, Negrey
Truppe
Der australische
Komiker Justin Case folgt mit seiner Fahrradkomik bei der neben
seinem Sinn für Humor auch sein artistisches Können voll und
ganz zur Geltung kommt. Ob im Handstand auf dem Fahrrad, auf dem
Einrad oder mit dem kleinsten Fahrrad der Welt durch den
Feuerreif fahrend, versetzt er das Publikum in Staunen und
Gelächter. Eine äußerst ruhige Hand beweist der junge Finne
Martti Pettonen mit seiner Armbrust. Gekonnt schießt er seiner
Partnerin allerhand Gegenstände, wie zum Beispiel eine Rose aus
der Hand, bevor er sich als Höhepunkt selbst den Apfel vom Kopf
schießt. Spektakulär geht es mit dem Duo Cruzado/Los Scolas auf
dem Todesrad weiter. Hier wird dem Publikum noch einmal richtig
eingeheizt, bevor es temporeich mit der Turndarbietung der
Negrey Truppe weitergeht. Sprünge, Salti und Flic Flacs
begeistern das Publikum bevor es fließend ins Finale übergeht.
Noch einmal zeigen sich alle Artisten und holen sich ihren
verdienten Applaus ab. Mit den Worten “May all your days be
Ringling Brothers and Barnum and Bailey Days” wird das zahlreich
erschienene Publikum in die kalte Nacht entlassen. |
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Text: Marco Kristen; Fotos: Marco Kristen,
RBBB
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