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Sassnitz,
5. Juli 2008: Er hat
schon eine besondere Qualität, der Zirkus Probst aus
Ostdeutschland. „Blitzsauber aufgebaut“ wie immer stand das
Unternehmen Anfang Juli zum Start seiner fast vierwöchigen
Rügen-Tour auf einer Wiese in Sassnitz. Dank regelmäßiger
Investitionen – unter anderem 2007 in ein neues
36-Meter-Chapiteau – wirkt das Unternehmen wie aus
dem Ei gepellt. Sechs Städte auf Deutschlands größter Insel
stehen auf dem Tourneeplan. Pressesprecher Patrick Adolph
spricht im Rückblick auf die bisherige Saison von einem deutlich
besseren Publikumszuspruch als 2006, als „Probst“ zum letzten
Mal im Norden gastierte. |
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"Blitzsauber
aufgebaut" in Sassnitz auf Rügen
Die im
zweijährigen Wechsel gewählte Süd-Route durch unter anderem
Thüringen und Sachsen sei allerdings schon wegen der günstigeren
Bevölkerungsstruktur – mehr Einwohner, mehr Großstädte –
traditionell die erfolgreichere. 2008 steht übrigens nur eine
Stadt in Westdeutschland auf dem Tourneeplan.
Rüdiger Probst und Truppe
International, Jessika und Alexandra Probst, Mercedes Probst
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Die größte
Stärke des Zirkus Probst sind freilich die großen,
qualitätvollen Tierdressuren. Mercedes Probst präsentiert gleich
zu Beginn gemeinsam mit ihren Töchtern Jessika und Alexandra die
Pferderevue, bei der sich Alexandra Probst als elegante
Springreiterin auf einem dunklen Pferd präsentiert und der wohl
einmalige 20er Zug Ponys durch die Manege kreist. Wer in dieser
Saison zwei Direktionstöchter in einer schönen Kombination aus
Artistik am Vertikaltuch und Reiterei zu Pferd erleben möchte,
kann entweder zu „Nock“ in die Schweiz reisen – oder zum Zirkus
Probst nach Ostdeutschland. Während Jessika, ausgebildet an der
Berliner Artistenschule, elegant an den roten Tüchern schwebt,
reitet Alexandra unter ihr durch die Manege, zeigt
Schrittkombinationen der Hohen Schule und demonstriert ihr
akrobatisches Talent beim Voltigieren. Zunächst sechs Lamas,
dann jeweils zwei Zebras, seltene Elanantilopen und Kamele und
später sechs zum Teil berittene Kamele bilden den großen
Exotenzug unter der fachkundigen Leitung von Rüdiger Probst. Am
Ende überspringen dann noch einmal Lamas die liegenden Kamele.
Mercedes Probst,
Ensemble, Rüdiger Probst
Ein
witziges Highlight vor der Pause mit zum Teil verblüffenden
Tricks sind die „Tiere vom Bauernhof“, die Alexandra, Jonuts und
Mercedes gemeinsam präsentieren. Esel und Ziegen, Laufenten und
Schweine bevölkern die Manege, und Mercedes Probst reißt mit
ihrer riesigen Ausstrahlung das Publikum mit – eine Frau, die
die Manege liebt und in der offenkundig das Feuer der
Leidenschaft für ihren Beruf lodernd brennt. Hut ab! Vom
Reifensprung über den Balkenlauf bis zum Hochsitzer meistern
sieben sibirische Tiger zum Auftakt des zweiten Programmteils
ein anspruchsvolles Repertoire, routiniert und stilvoll
vorgeführt von Rüdiger Probst. Elemente der Freiheitsdressur,
Reiterei, Tanz, Akrobatik und Folklore vereint
später das temperamentvolle „spanische Bild“ mit Mercedes Probst,
andalusischen Hengsten und sechs Mitgliedern des Probst-Ensembles. Eviva Espana, das ist wundervoll klassischer
Tier-Circus pur! Einer der Hengste springt gar die selten
gezeigte Kapriole. |
Andreas Blessmann |
Das
Clownsduo Gin Tonic tritt derzeit aufgrund einer längeren
Erkrankung des männlichen Partners nicht auf. Als Ersatz wurde
der italienische Clown James engagiert, der bis vor kurzem beim
Circus Fliegenpilz arbeitete. Bis zu seinem Eintreffen war
Andreas Blessmann, Geschäftsführer des Unternehmens und Ehemann
von Mercedes Probst, wieder einmal ins Clownskostüm geschlüpft –
auch in jener Vorstellung, die chapiteau.de besucht hat. Als
Clown Charly scheiterte er liebenswürdig bei dem Versuch, seinen
Clownskollegen nasszumachen, und testete zum besonderen
Vergnügen des Publikums die Trinkfestigkeit eines Zuschauers.
Dieser musste immer neue Alkoholika auf ex trinken, die Clown
Charly herbeizauberte – bis der Trick beim unerfüllbaren Wunsch
nach einem Glas Milch aufflog… |
Emanuel Medini, Duo Medini, Afrikaner-Truppe, Vanessa Medini |
Die
Geschwister Emanuel und Vanessa Medini, Absolventen 2007 der
Circusschule von Verona und echte Vollblut-Artisten, steuern
drei Darbietungen zum Programm bei: zunächst gemeinsam eine
rasante Rollschuhnummer mit Beteiligung eines „Zuschauers“, der
wenig später wieder als Requisiteur seine Dienste tut, später
zwei Soloauftritte. Vanessa schwebt kraftvoll und im Lederoutfit
an langen Ketten, Emanuel präsentiert klassisch-elegant
Handstände. Die Truppe „Flying to the Stars“, die zu
Saisonbeginn eine humorvolle Trampolin-Nummer sowie eine
Kombination aus Reck und Trampolin gezeigt hatte, wurde
mittlerweile ersetzt durch eine vierköpfige Afrikaner-Truppe –
drei Herren, eine Dame – mit einer genreüblichen Darbietung am
Masten.
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Die fröhliche
Nummer sorgt noch einmal für Stimmung und leitet über in das
Finale, in dem die Akteure vom hochzufriedenen Publikum
donnernden Applaus erhalten. Zirkus Probst liegt jegliche
intellektuelle Verbrämung seiner Programme fern – hier darf
Zirkus noch ganz familienfreundliches Spektakel sein, bunt und
ein bisschen schrill, temporeich und fröhlich, im allerbesten
Sinne „volkstümlich“. Und das kommt offenbar an. |
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Text: Markus Moll; Fotos: Markus Moll,
Zirkus Probst
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