Die Erwartungen,
die wir beim Besuch eines Circus hegen sind unterschiedlich und
naturgemäß abhängig von der Art und Größe des Unternehmens. Das
Programm “Jubilee”, in der dritten Spielzeit auf Tour, hat uns
bei den Besuchen im vorletzten Jahr sehr angesprochen. Die
inzwischen eingetretenen Veränderungen beeinträchtigen diesen
Eindruck beträchtlich. Oder anders ausgedrückt, der Hochglanz
der ersten Saison hat gelitten und matte Stellen bekommen. Dies
liegt nun weniger an einzelnen, größtenteils guten, Nummern, als
vielmehr an der Programmzusammenstellung (7 Tiernummern incl.
Reiterei, 6 Auftritte der Clowns/Komiker, Kung Fu, 2 Luftnummern
und 2 artistisch/akrobatisch) und Art der Präsentation. Die
Auftritte des Balletts wurden weniger und wohl auch kürzer.
Außer Charivari und Finale gibt es nur noch zwei umfangreiche
(Pferdefreiheit, Hohe Schule) sowie drei kurze (Elefanten,
Shaolin, Crazy Wilson) Auftritte. Es ist nicht so, dass wir
Ballett im Circus -und ganz gewiss nicht im hier gepflegten
Stile des Fernsehballetts der sechziger Jahre- attraktiv finden,
aber es fällt schon auf, dass trotz Ballett und Reprisenclowns
immer noch längere Umbaupausen ohne Überbrückung den Spielfluss
unterbrechen. Auch ist die Ausleuchtung des Programms bei weitem
nicht mehr, als Beispiel hierfür mag Arlette Gruss dienen, on
topp. Oftmals ist die riesige Zelthalle indifferent hell, der
einzelne Akteur vor und während eines Topptricks wird nicht
hervorgehoben, es wird keine Spannung aufgebaut und bei vielen
Zuschauern geht auf Grund der Größe des Raumes manches einfach
unter. Dazu kommt der Verzicht auf Livemusik. So arbeiten die
Artisten und ganz besonders die Tiernummern immer “hinter der
Melodie her”, arbeiten ihre Tricks einfach nacheinander ab. Es
wirkt unakzentuiert, wird nicht richtig verkauft. Es gibt
unendlich viele Beispiele, wie mit topp Licht und Musik selbst
schwache Nummer als gute präsentiert, und starke Akts
hervorragend verkauft werden können. Auch der Verzicht auf viele
klassische, vor allem schnelle spannungsgeladene Genres, wie z.B.
Jonglage, Rola, Ikarier, macht sich gerade im zweiten Teil, in
dem die Spannungskurve und Stimmung nach den Raubtieren deutlich
abfällt, sehr negativ bemerkbar.
Mister Dalmatin,
Val de Fun, Alexis Clowns
Traditionell startet eine
Krone-Vorstellung mit einem großen Charivari. Gleich
anschließend die einzige klassische artistisch-akrobatische
Darbietung in der Manege im ersten Programmteil. Die neun Catana
bieten einige schöne Sprünge, bis hin zum Fünf-Mann-Hoch mit
Doppelsalto, auf dem Schleuderbrett. Die anschließende
Hundekomödie von Mr. Dalmatins reitenden Pudeln und Dalmatinern
stellt sich als eine der publikumswirksamsten Nummern, neben den
Atlantis und Martin Lacey bekommt er den meisten Applaus,
heraus. Unnachahmlich, wie Toni Alexis sein ‘Ahoi’ ins Publikum
ruft und mit seiner ‘Champion-Pose’ Beifall heischend immer
wieder das Publikum animiert. Innerhalb der ‘Toni Alexis Clowns
Family’ wurden Rollen getauscht. Mutter Jeanette agiert nun als
zweiter August während Sohn Toni jun., ganz klassischer
Weißclown, ihren Part übernommen hat. Sie zeigen nun nur noch
ein Entree, ihr zweiter Auftritt - das Spaghettientree - wurde
aus dem Programm genommen. Ebenfalls wurden die Auftritte von
Totti mit seinen hervorragenden und aus der Masse abstechenden
Reprisen, auf nunmehr zwei begrenzt. Dies ist wohl der
Entscheidung geschuldet, die ausgeschiedene Weltklassenummer der
Fratelli Errani nicht mit einer adäquaten artistischen Nummer,
sondern durch einen zusätzlichen Komiker zu ersetzen. Der
Ukrainer Val de Fun war bereits im Februar im festen Haus in
München zu sehen. Kam er dort recht gut mit seinen, zumeist viel
zu langen Reprisen, an, findet er im Chapiteau weit weniger
Publikumsbeachtung. Sein modernes (?), eher abgerissen
wirkendes, Outfit - schwarze Schlabberhose, ebensolches
blau-weißes Ringelshirt, Schiebermütze und moderne, warum auch
immer dazu getragene, Fahrradhandschuhe - will so gar nicht zu
Krone passen. Seine erste Reprise, eine Schleuderbrettparodie,
erreicht das Publikum überhaupt nicht. Zur monotonen Begleitung
einer slawischen Folkloremelodie agiert er viel zu lange und das
Publikum wird deutlich vernehmbar unruhig. Auch die Reaktion am
Ende seines dritten und damit letzten Auftritts, Westernparodie
mit Zeitung und Peitsche, zeugt eher von Erleichterung als
Begeisterung auf dem Gradin. Sein ‘Wasserentree’ im
Zusammenspiel mit einem ‘Krone-Requisiteur’ enthält einige nette
Ideen und kommt insgesamt am besten an.
James Puydebois,
Crazy Wilson, Chy Fu Dey
Die vier
indischen Elefantendamen zeigen ihr Können unter der Anleitung
von James Pudebois in einer sehr ruhig gearbeiteten Trickfolge.
Elefantenbulle Colonel Joe trat in Neuwied, wie auch zuvor schon
z. B. in Limburg, nicht in der Manege in Erscheinung. Die
fernöstliche Kampfkunstdemonstration der ‘Shaolin-Mönche’, die
Internetseite nennt ’zwölf’ - was definitiv nicht mehr der Fall
ist, in Verbindung mit den Topp-Tricks der Chy Fu Dey, hier
wurde an Stelle von Fredy Chy ein neuer Partner integriert,
zeigt gute Leistungen, wirkt auf uns aber auch nach mehrmaligen
Besuchen noch immer als Fremdkörper in einem Circusprogramm. Die
Attraktion in der Kuppel des Krone Chapiteaus ist zweifelsfrei
die Arbeit von Crazy Wilson Dominguez auf dem Todesrad. Er zeigt
waghalsige einmalige Tricks mit einigen neuen Variationen. So
gehört der Salto auf der Außenbahn des rotierenden Rades, mit
mehrfacher Wiederholung, nun zum festen Repertoire seiner
Performance. Leider mangelt es ihm ein wenig an ’Showmanship’,
er wirkt sehr introvertiert, sucht und findet kaum Kontakt zum
Publikum. Auch die Krone-Regie tut nichts dazu diese
leistungsmäßig herausragende Darbietung entsprechend zu
verkaufen.
Jana Mandana
Sembach-Krone
Traditionelle Pausennummer, und
damit direkt nach dem Todesrad platziert, ist bei Krone die
große Pferdefreiheit und Jana Mandana Sembach-Krone, wie sie
neuerdings im Programmheft annonciert wird, hat diese seit
einiger Zeit übernommen. Wir hatten überlegt, den freundlichen
Mantel gnädigen Schweigens über diesen Auftritt zu decken, doch
angesichts der immensen Ressourcen an Pferden und Menschen, über
die dieser Circus verfügt, ist diese Freiheitsdressur schlicht
und einfach inakzeptabel. Nachdem das Ballett zu Gershwins
Rhapsody in Blue ausführlich den Auftritt einleitete, folgen der
Vorführerin sieben Friesenhengste in den roten Ring. Nach
einigen wenigen gelaufenen Figuren werden sie alsbald allesamt
von mehreren Helfern an Longen genommen und mit Abstand zur
Piste in Trab gesetzt. Elf Araberschimmel, das Führpferd geht
die beiden ersten Runden ebenfalls an einer Longe, sind
gegenläufig entlang der Piste eingesetzt. Dieses
’Pferdekarrussell’ stoppt nach einigen Runden abrupt, viele
Helfer kommen und führen die meisten Tiere aus der Manege nach
draußen, während die verbleibenden Araber noch ein paar weitere
Runden laufen bevor auch sie aus der Manege geführt werden.
Keinerlei Da Capo, keinerlei Steiger, rein gar Nichts was eine
Pferdefreiheit ausmacht wird hier geboten und der total
ausbleibende Applaus spiegelt sehr deutlich die Publikumsmeinung
wider.
Martin Lacey jr.,
Borzovi, Iriston
Rasant startet der zweite Teil
mit der hinlänglich beschriebenen, hervorragenden
Raubtierdressur von Martin Lacey.
Die beiden Filmeinspieler per aufwendiger Technik hingegen
nutzen nicht die Chance über Raubtiere im Circus zu informieren
sondern transportieren Märchen für Erwachsene. Speziell die
zweite Sequenz die King Tonga ankündigt, zuckersüß und
aufgesetzt, wirkt als äußerst bemühter Versuch die Mensch-(Raub)Tier-heile
Schmusewelt-Story von Siegfried und Roy weiter zu schreiben. An Stelle der schwungvollen Fratelli Errani, sehen wir
den eher verhalten daherkommenden Equilibristik- und
Handvoltigeakt der vier Atlantis. Natürlich findet ihre starke
Leistung entsprechenden Anklang. Sehr kurz gerät die
Präsentation der vier Zebras, die von Jana Mandana vom Pferd aus
dirigiert werden. Nach dem zweiten längeren Ballettauftritt
reitet Jana Mandana eine Hohe Schule und die schlichte
Präsentation ist nicht dazu angetan irgendwelche Reaktionen des
Publikums hervor zu rufen. Die folgende Dschigiten-Reiterei der
Truppe Iriston, seit dem Programmwechsel als Beduinenreiter
verkauft, wurde gegenüber den Vorjahren ausgedünnt. Weniger
Akteure, entgegen der Krone Internetangabe hat sich Anzahl von
neun auf etwa die Hälfte reduziert, bedeuten auch weniger Tricks
und die Tanzszenen der Reiter fehlen gleich ganz. Seit vielen
Jahren sind die Borzovi Krones Finalnummer. Ihre seit drei
Jahren ‘neue’, Darbietung wird weiterhin von höchst dramatisch
klingender Musik untermalt, erreicht allerdings bei weitem nicht
die Trickstärke der ursprünglichen Nummer. Auch hier wurde die
Personenzahl auf fünf reduziert und Truppenchef Borzov erklimmt
nur zum abschließenden Trick, als sechster, das Gerät um die
russische Schaukel in Gang zu setzen. Sie arbeiten nun am
Flugtrapez mit zusätzlicher Schaukel. Vom Fängertrapez werden
zwei Sprünge im Stil einer russischen Schaukel zu einem zweiten
Fänger an einem Fangstuhl über dem Trapez ausgeführt. Je ein
Sprung (Schwan und einfacher Salto) der drei Fliegerinnen am
Trapez und der abschließende Flug von der russischen Schaukel
unter der Trapezbrücke quer durchs Zelt zum Fänger zeigen das
komplette Repertoire der Truppe.
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