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Big Apple Circus  - Celebrate
www.bigapplecircus.org

New York, 1. Januar 2008: "Celebrate!" - Zum Feiern animiert der Big Apple Circus das Publikum mit dem Titel zu seiner aktuellen Show. Und das völlig zu Recht. Schließlich ist diese Spielzeit 2007/08 die 30. eines Unternehmens, dass sich so gar nicht als amerikanischer Circus gibt. Gespielt wird in nur einer Manege, Sensationsnummern sucht man, ebenso wie schrill-bunte Clowns, vergeblich. Dafür erlebt der Besucher in der laufenden Produktion Stars aus dem "alten Europa" wie Kris Kremo, Yasmine Smart und Fumagalli. Von den Plakaten aber lacht Grandma, seit vielen Jahren das "Gesicht" von Big Apple.


Huesca Brothers, Fumagalli

In New York steht der blaue Viermaster direkt neben der Metropolitan Oper, unweit von Central Park und Broadway, also in bester Lage mitten in der City. Im Inneren nimmt der Besucher auf den komfortablen Klappsitzen des Gradins Platz. Der Artisteneingang ist im viktorianischen Stil gestaltet und beinhaltet ebenfalls das Podium für das achtköpfige Orchester. Den ersten Kontakt mit den Zuschauern nimmt Fumagalli auf. Die "offizielle" Begrüßung allerdings gehört Direktor Paul Binder. Gemeinsam mit der charmanten Moderatorin der Show Carrie Harvey weist er dabei auch auf das Jubiläum von Big Apple hin. Das Opening aller Mitwirkenden gerät zu einem Karneval in Venedig. Farbenfroh und in ausgelassener Atmosphäre zeigen die Artisten erste Kostproben ihres Könnens. Besonders erwähnenswert hier die schwungvolle  Trapez-Performance von Regina Dobrovitskaya aus der Haustruppe. Zwei junge Männer aus dieser Gesellschaft demaskieren sich und der eine jongliert den anderen mit den Füßen durch die Luft. Die Huesca Brothers knüpfen bei ihren ikarischen Spielen nahtlos an die schwungvolle Stimmung aus dem Opening an. Die Dame vor mir springt ob der Show der beiden Fumagalli-Söhne gleich mehrfach ganz verzückt von ihrem Sitz auf.

Während Carrie Harvey singt, macht sich eine verspätetet "Besucherin" auf der Suche nach ihrem Platz. Es ist "Grandma" Barry Lubin, die wir nach ihrem Gastspiel 2007 im Krone-Bau nun quasi in ihrem eigenen "Wohnzimmer" erleben dürfen. Natürlich darf Grandma trotz der falschen Eintrittskarte bleiben. Sie revanchiert sich mit einem Playback-Song.Hula Hoop-Nummern können für mich nicht fetzig genug sein. Am liebsten ein quietschbuntes knappes Kostüm, wummernde Discomusik und die wildesten Lichteffekte. Ausnahme: Yelena Larkina. Ihre zurückhaltende Reifenkür zur Musik "Fata Morgana" ist eine ganz untypische Darbietung dieses Genres, aber immer wieder ein Genuss. Wunderschön, wenn sie ihre Requisiten auf faszinierende Weise um die verschiedensten Körperteile – Gesäß eingeschlossen - kreisen lässt. In einer anderen akrobatischen Liga hingegen spielen Fumagalli und sein Bruder Daris bei ihrer komischen Kaskadeurnummer. Hier steht die Komik im Vordergrund.


Yelena Larkina


Irina Markova

Für jede Menge Spaß sorgen Irina Markova und ihre weihnachtlich kostümierte Hundemeute, die einem Schaufenster der Kaufhauskette "Macy's" (einer der zahlreichen Sponsoren) entspringen. Sie zeigen nicht nur ihre ausgefallenen Tricks, sondern transportieren ihre Requisiten selbst. Einer der Hunde führt als Frau verkleidet eine Katze an der Leine spazieren. Nachdem die Truppe Kovgar Seilspringen in den verschiedensten Varianten gezeigt hat, steht wieder Grandma im roten Ring. Sie dirigiert Orchesterchef Rob Slowik mit seiner Trompete, bis dieser im wahrsten Sinne "in die Luft geht". Eingeleitet von einem Charleston-Ballett, beschließt der Gentleman unter den Jongleuren, Kris Kremo, den ersten Teil. Er ist eine der großen Artistenpersönlichkeiten, ein Showman erster Güte, dem es nicht schwer fällt, das Publikum für sich einzunehmen. Eine Pausennummer im besten Sinne eben.


Carrie Harvey & Grandma, Haustruppe, Yasmine Smart

Mit Show(wo)manship allererster Güte beginnt auch der zweite Part der Show. Yasmine Smart und ihre Pferdedressuren sind immer wieder ein circensischer Hochgenuss. Was sie hier mit sechs Schimmel zeigt ist einfach phantastisch. Sie lenkt die Tiere mit leichter Hand und gewinnender Ausstrahlung zu schwierigen Figuren, die reibungslos laufen. Schön zu wissen, dass wir sie bald wieder in Europa erleben dürfen. Ergänzt werden diese Vorführungen von Fumagalli und seinem Pony. Grandma kommt ein weiteres Mal. Nun um Popcorn zu verspeisen. Herrlich wie sie dabei einzelne Stückchen auf die Zunge wirft und dann genüsslich in den Mund zieht. Nach der Jonglage ihrer Perlenkette um den Hals versucht sie sich - wenig ladylike - mit einem Furzkissen. Alsdann füllt sich die Manege zu einer Vernissage. Die kunstinteressierten Gäste dürfen sich an lebenden Statuen in Gold erfreuen. Schön in Szene gesetzt zeigen drei Mitglieder der Haustruppe Hebefiguren, die in ihrer Wirkung durch die passende Beleuchtung optimal unterstützt werden. "Little bee, little bee, give me your honey!" - Wer einen Fumagalli im Programm hat, der hat ebenfalls das Bienchen dabei. Komplettiert wird das Trio von seinem Bruder Daris, der den seriösen Part übernimmt, und Valdis Yanovskis. Mit Rücksicht auf das Familienpublikum, wie es seitens Big Apple heißt, wird hierbei aber auf Alkoholkonsum in der Manege verzichtet. Dieses "alkoholfreie" Bienchen entwickelt so auch bei weitem nicht die Wirkung, die wir hierzulande von Fumagallis Auftritten mit diesem Entree kennen. Sein herrliches Minenspiel als "vollgetankte" Honigbiene nämlich entfällt dadurch.

Einen unglaublichen Gleichgewichtssinn beweist Cong Tian bei seiner Arbeit auf dem Schlappseil. Wieder so eine Darbietung bei der Alles stimmt: Großes Können, ein Artist mit herzlicher Ausstrahlung und tolle Livemusik, wie man sie bei asiatischen Darbietungen leider selten erlebt. Der Höhepunkt ist erreicht, wenn Cong Tian Kopf über mit dem Einrad auf dem Seil balanciert. Voller Höhepunkte ist ebenfalls die Schleuderbrettshow der Truppe Kovgar, die wir hier in phantasievoller Gesellschaftskleidung erleben. Ihre Sprünge mit und ohne Stelzen sind schlichtweg sensationell. Ebenso die verschiedenen Varianten der Landung. Sei es auf den Schultern des Untermannes oder auf dem Stuhl, er wiederum von einem auf einem russischen Barren stehenden Truppenmitglied mittels einer Perche balanciert wird. Ein kurzes Finale aller Mitwirkenden beschließt die Show zum 30-jährigen Jubiläum des Big Apple Circus.


Cong Tian

Was macht nun den Charme dieses für den amerikanischen Circus so untypischen Unternehmens aus? Es sind die ausgewählten Darbietungen erstklassiger Artisten, die originellen Szenen mit dem ganzen Ensemble, ein geschmackvolles dezentes Licht und ein Orchester, das fulminant musiziert. Ein bisschen Knie aus der Schweiz, ein bisschen Roncalli, aber auf jeden Fall sehr viel Big Apple. Herzlichen Glückwunsch zum 30. und auf viele weitere Produktionen!

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Text: Stefan Gierisch; Fotos: Stefan Gierisch, Big Apple