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Circus Barum - Tour 2008
www.circus-barum.de

Wunstorf, 14. März: Nur das Podium zwischen den beiden Artisteneingängen ist beleuchtet, das Orchester spielt die bekannte Fellini-Melodie und steigert Lautstärke sowie Tempo von Strophe zu Strophe. Bei der letzten erstrahlen die Lichter am Artisteneingang, aus dem Publikum sind vielstimmige „Ah’s“ zu hören. Es folgt die Begrüßung durch ein Mitglied der Direktionsfamilie - Barum as usual. Doch dann wird im Programm 2008 Einiges anders als gewohnt. Im Vergleich zum Vorgänger gibt es nicht nur viele neue Gesichter, sondern auch Umstellungen in der Abfolge. So geht es nach der Begrüßung durch Maximilian Siemoneit-Barum und Petit Gougou nicht mit den Pferden, sondern den Exoten weiter.


Ignat Ignatov, Max Siemoneit-Barum, Anatoli Zhukov

Eingeleitet werden diese durch eine Gruppe von fröhlichen Menschen in orientalischen Kostümen. Kein langatmiger Umzug wie im vergangenen Jahr, sondern ein kurzer, schwungvoller Reigen. Ignat Ignatov zeigt sodann vier Zebras, gefolgt von vier Lamas und einer Gruppe Kamelen. Letztere werden nach einer Laufarbeit von einem Guanako übersprungen. Bis danach Tsavo aus seinem geräumigen Freigehege in die Manege gebracht wird, dauert es erfahrungsgemäß etwas. Diese Zeit nutzen Petit Gogou und Maximilian Siemoneit-Barum für die Beschwörung einer kessen Schlange. Vertrieben werden sie schließlich vom herantrabenden Nashornbullen. Als „Wasserspeier, Entfesselungs- und Feuerkünstler“ bezeichnet ihn das bereits zum Saisonstart vorliegende aktuelle Programmheft. Anatoli Zhukov hat in der Tat viele faszinierende Talente. Ob er nun Unmengen von Wasser spuckt oder mit dem Feuer spielt, sich Messer auf den Bauch fallen lässt oder sich der angelegten Fesseln entledigt, der Russe bringt seine Zuschauer zum Staunen. Effektvoll sind ebenfalls seine ausdauernden Künste als Feuerspucker nachdem er literweise Spiritus zu sich genommen hat.


Pierre Bauer

Auf Safari begibt sich anschließend Petit Gougou im Tropenlook. In einem offenen Geländewagen mit Zebra-Muster fährt er in die Manege, wo er prompt auf einen Affen trifft. Nachdem sich beide ein Duell mit immer größer werdenden Keulen geliefert haben, erklimmt der Affe die flugs aufgestellte Palme. Bei dieser handelt es sich um einen schwankenden Masten und bei dem „Affen“ natürlich um Pierre Bauer, der seine bekannte Mastennummer effektvoll neu verpackt hat. Zum Abschluss wirft er von oben herab zielgenau eine Kokosnuss auf den Tropenhelm von Petit Gougou. Kompletter Stimmungswechsel. Flamenco ist jetzt angesagt. Jongleur Yves Nicols und seine Partnerin Ambra nehmen das Publikum zunächst tanzend mit nach Spanien. Daraufhin arbeitet sie an roten Tüchern, während er dazu singt. Dann nimmt Ambra ihren Partner mit in die Luft. In der nächsten Sequenz zeigt er Auf- und Abschwünge bevor beide nebeneinander an jeweils einem Tuch fliegen. Es ist eine dieser durchdachten und perfekt umgesetzten Circusnummern, die unter die Haut gehen – einfach schön. Den beiden Spaniern gehört völlig zu recht der stärkste Applaus des Abends. Eine Begleitung durch Livemusik wird hoffentlich in Kürze die Wirkung noch verstärken.


Ignat Ignatov, Dieter Dittmann, Rebecca Siemoneit Barum

Wer wie ich eine große Pferdegruppe erwartet, kommt in diesem Jahr nicht auf seine Kosten. Lediglich vier braune Araberhengste bringt „Gaucho“ Ignat Ignatov in die Manege. Auf einem davon reitet er selbst. Er präsentiert nichtsdestotrotz eine schöne Laufarbeit zu mitreißenden südamerikanischen Klängen. Ebenfalls im Gaucho-Look führt Rebecca Siemoneit-Barum die sechs Classic-Ponys des Unternehmens vor, immer mit einem sympathischen Augenzwinkern. Als da capi zeigt Ignat Ignatov verschiedenen Steiger und neu die Kapriole eines Pferdes am langen Zügel. Als Pausennummer vorgesehen ist das Flugtrapez der Flying Costa, vier junge Artisten aus Brasilien. An diesem Abend, dem der Saison-Premiere, sehen wird sie aber nur in Zivil. Der Versuch, das Fangnetz während des Einlasses probeweise aufzubauen misslingt. Und so erleben wir, wie bereits die Gäste der Nachmittagsvorstellung, an diesem Abend keine fliegenden Menschen unter der Circuskuppel. Inzwischen arbeitet das Flugtrapez in jeder Vorstellung.

Gerd Siemoneit-Barum, Tom Dieck, Alexander Lacey, Daniel Raffo – diese Namen stehen für hochkarätige Raubtiernummern. In diese Riege darf sich seit diesem Jahr auch Dieter Dittmann einreihen, ohne dabei allerdings zu seinen Vorgängern aufschließen zu können. Die Barum-Manege ist, zumindest im Moment noch, eine Nummer zu groß für ihn. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn seine wenigen Requisiten wirken recht verloren im großen Rund, das vom Zentralkäfig umschlossen wird, in dem vor vielen Jahren noch die weißen Tiger von Gerd Siemoneit-Barum gearbeitet haben. Keine Frage, Dittmann ist ein guter Tierlehrer. Was ihm aber fehlt ist das Showmanship seiner Vorgänger. Seine Tiere, an diesem Abend sind es fünf schöne Exemplare, zeigen ein anspruchsvolles Repertoire: Hochsitzer, Roll over, Sprünge über Artgenossen und durch einen Papierreifen sowie das Laufen auf den Hinterbeinen gehören dazu. Dittmann, im orientalischen Kostüm mit Turban, wünscht man, dass er diese tollen Leistungen besser verkauft. Bei Barum hat man dies wohl erkannt und schickt deswegen eine kleine Episode voran: Rebecca Siemoneit-Barum verkündet, dass der Raubtierdompteur nicht da sei und bittet Petit Gougou einzuspringen. Als dieser dankend ablehnt, kommen beide auf „den Dieter“, der gerade im blauen Kittel die Postamente in Ordnung bringt. Im Hause Siemoneit-Barum dürfte Dittmann aber gute Möglichkeiten haben, den Verkauf seiner Darbietung auszubauen. Ein perfekter „Verkäufer“ ist Yves Nicols bereits. Der Jongleur reißt das Publikum mit. Er startet mit Bällen, schickt seine Bumerangs auf die Reise über die Köpfe des Publikums und räumt mit seinen Keulen ab, deren Jonglage er mit akrobatischen Sprüngen kombiniert. Begleitet wird er von seiner klassischen Assistentin, die ebenso wie er im spanischen Outfit auftritt. Nicht nur ein Outfit, sondern jede Menge davon hat das Duo Monastyrsky dabei. Dieses wechseln sie in rasanter Geschwindigkeit von hell zu dunkel und lang zu kurz. Dazu zeigen sie elegante Tanzschritte, effektvoll unterstützt von der Musik des großen Orchesters. Quick Change par elegance.


Petit Gougou, Duo Monastyrsky

Sympathischer Begleiter durch das Programm ist der bereits erwähnte Petit Gougou. Schon vor der Show spielt er sich als Gast, der seinen Platz sucht, durch das Publikum. Gemeinsam mit seinem „Gegenspieler“ Maximilian Siemoneit-Barum erklärt er bei der Begrüßung auf originelle Art was im Chapiteau erlaubt ist und was nicht. In weiteren Reprisen erleben wir ihn mit seinem Steckenpferd, einer Drehorgel, einem Gummiband und dem zersägten Baustamm. Nach dem Finale werden aus den Gegenspielern Partner, wenn Maximilian Siemoneit-Barum den vermeintlichen Querulanten in die große Artistenfamilie aufnimmt. Das Finale selbst wird singend von Rebecca Siemoneit-Barum eingeleitet. Tanzend verabschiedet sich das gesamte Ensemble und nimmt den begeisterten Applaus entgegen. Abschiedsworte sowie eine Vorstellung der Artisten gibt es leider nicht mehr.

Das Barum-Programm 2008 merzt die Schwächen der letztjährigen Show im artistischen Bereich konsequent aus, erlaubt sich aber dort Schwächen, wo bislang die große Stärke des Einbecker Unternehmens lag, bei den Tierdressuren. Beibehalten wurde die von Barum gewohnte stimmige Regie, die dem Spektakel ein hohes Tempo gibt. Durch den Verzicht auf das doch recht langatmige Orient-Schaubild im zweiten Teil hat auch dieser jetzt den richtigen Schwung. Das große Orchester trägt einen gewichtigen Part zur Gesamtwirkung bei. Kurz: Bei Barum wird der Zuschauer in diesem Jahr wieder bestens unterhalten.   

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Text und Fotos: Stefan Gierisch