CHPITEAU.DE

Cirque Alexandre Bouglione - Tour 2008
www.bouglione.be

Namur, 22. März 2008: Ein wenig schwierig war sie schon, die Anfahrt nach Namur, fiel doch am Ostersamstagmorgen  noch reichlich Schnee, und die Autobahn zwischen Aachen und Lüttich wies über eine längere Strecke eine fast geschlossene Schneedecke auf. Der Circusplatz liegt hoch über der wallonischen Bezirkshauptstadt auf der Esplanade der Zitadelle und hatte etwas von einer Seenlandschaft. Großzügig aufgebaut und mit der neuen Fassade versehen, präsentierte sich der Circus mit dem im vergangenen Jahr neu erworbenen modernen rot-weißen Chapiteau.


Aufbau Elefantenstall, Blick von außen

Nachdem man den Neuschnee der letzten Nacht vom Chapiteau gekehrt hatte, wurde gegen Mittag der Elefantenstall errichtet. Wegen der Wetter- und Platzverhältnisse hatte das Tier den vergangenen Tag und die Nacht in seinem – beheizten – Transportwagen verbracht. Im Chapiteau fällt auf, dass man nach dem letztjährigen Versuch mit einem auf Fahrgestellen montierten Gradin nun wieder zu einem herkömmlichen zurückgekehrt ist.


Etelle und Francia Biasini, Vera, Nicolas Bouglione

Nachdem man in den letzten Jahren stark artistisch geprägte Programme bot, sind in dieser Saison sehr viele Darbietungen mit Tieren, aber natürlich auch erstklassige internationale Artisten und namhafte Clowns engagiert worden. So wird die Spitzenstellung unter den belgischen Circussen eindrucksvoll untermauert. Traditionell wird die Spielfolge mit der hauseigenen Raubtierdressur eröffnet. Juniorchef Nicolas Bouglione arbeitet trickreich, ruhig und vertraut mit den zwei gefleckten und den zwei schwarzen Panthern sowie den drei Pumas. Im weiteren Verlauf des Programms präsentiert er souverän die große afrikanische Elefantenkuh Jenny. Seine Frau Sue Ellen Sforzi reitet auf einem Schimmelhengst eine Hohe Schule im Zigeunerlook. Die Schwestern Etelle und Francia Biasini sind mehrfach in der Manege zu erleben. Ihre Säbelbalancen präsentieren sie stilecht, mit schön gestalteten Requisiten im Piratenoutfit. Außer der genreüblichen Leiter wird auch eine Art Schwebebalken eingesetzt. Ebenfalls gemeinsam sind sie mit Antipodenspielen zu sehen. Rollen und Bälle sind ihre Requisiten. Kraftvoll agiert Etelle in ihrem Soloauftritt an Strapatentüchern. Einige tiefe Abfaller verleihen dieser Darbietung die nötige Power.

Eine weitere Darbietung in der Luft zeigt Vera vom vormaligen Duo Vera & Tomek. Elegant und anmutig sind ihre Evolutionen am Solotrapez anzusehen. Der Schlusstrick, ein Sprung mit Pirouette in den Kniehang bei vollem Schwung, gelingt in dieser Vorstellung nicht und endet durch die Longensicherung ohne weitere Folgen. Nach der unfreiwilligen „Flugeinlage“ kehrt sie nur zum Kompliment ans Trapez zurück, wiederholt den Trick nicht, und so findet dieser ansonsten harmonische Auftritt ein jähes Ende. Direkt nach der Pause arbeitet sie ihre Kür am Rhönrad. Vera zeigt alle üblichen Tricks an diesem Gerät, jedoch leidet die Präsentation darunter, dass der ausgelegte Holzboden nur einen relativ schmalen Streifen längs durch die Manege bedeckt und sie nur in einer Bahn vor- und rückwärts rollen kann.


Glen Nicolodi

Eine wichtige Rolle in französischen Circussen spielt Monsieur Loyal, wie der Sprechstallmeister hier heißt. Bei Alexandre Bouglione hat seit einiger Zeit Pierre Paille diese Position inne. Wortgewaltig und mit großer Nonchalance füllt er seine Rolle aus. In den Reprisen mit Clown Ronnie, dessen ehemaliger Partner Kim ist zu José Mitchell gewechselt, gelingt es ihm auch hervorragend, den Part des überlegenen autoritären Chefs zu geben. Auf eine Pferdefreiheit wartet man, abgesehen von einem Pony, welches Ronnie in einer Reprise vorführt, vergeblich. Stattdessen führt Daliah Laurant fünf Dalmatinerhunde ganz im Stil und mit der Laufarbeit von Pferden vor. Eingeleitet wird diese „Freiheit“ von einer  schwarz-weiß getigerten Dogge, die, am langen Zügel geführt, den ‚Spanischen Tritt’ zeigt. Die hohe Kunst der Handstandequilibristik zelebriert Glen Nicolodi im Zusammenspiel mit einem quicklebendigen Terrier.


Nery Clowns

In dieser Spielzeit sind bei  Bouglione zweimal Raubtiere in der Vorstellung zu erleben. Die Magic Nery haben in ihre große Illusionsshow zwei Tiger integriert. Es hat einen Hauch von Las Vegas, wenn aus den Flammen, die aus einer großen Spiegelkugel züngeln, zuerst David Nery und danach ein normalfarbener Tiger erscheinen. Laute ‘ahs’ und ‘ohs’ ertönen im Zuschauerraum, und in den Logen wird ein wenig die Luft angehalten, wenn der Magier die große Katze nur an einer Handschlaufe gesichert entlang der Piste paradieren lässt. Die gängigen Fluchtkisten schließen sich an, und abschließend erscheint noch ein großer weißer Tiger, der hochaufgerichtet an seinem Herrn ein imposantes Bild abgibt. Im Ursprung sind die Brüder Garibaldi und David Nery allerdings bekannte Clowns, und so sind sie als Finalnummer, dies entspricht langer Tradition in französischen Circussen, der Höhepunkt der Vorstellung. Zusammen mit einer Ehefrau bieten sie als Trio einiges an Musik und das Spukschloss-Entree, dass von den Kindern begeistert angenommen wird.

Zum stimmigen Finale erscheinen nochmals alle Mitwirkenden in der Manege und werden kurz vorgestellt. Ein geschickt zusammengestelltes Programm mit einigen Highlights, das gekonnt und charmant in angenehmen Rahmen präsentiert wird, findet so seinen Abschluss und weckt die Vorfreude auf den nächsten Besuch in diesem Circus.

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Text und Fotos: Friedrich Klawiter