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Namur, 22. März
2008: Ein wenig schwierig war sie schon, die Anfahrt nach Namur,
fiel doch am Ostersamstagmorgen noch reichlich Schnee, und die
Autobahn zwischen Aachen und Lüttich wies über eine längere
Strecke eine fast geschlossene Schneedecke auf. Der Circusplatz
liegt hoch über der wallonischen Bezirkshauptstadt auf der
Esplanade der Zitadelle und hatte etwas von einer
Seenlandschaft. Großzügig aufgebaut und mit der neuen Fassade
versehen, präsentierte sich der Circus mit dem im vergangenen
Jahr neu erworbenen modernen rot-weißen Chapiteau. |
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Aufbau
Elefantenstall, Blick von außen
Nachdem man den
Neuschnee der letzten Nacht vom Chapiteau gekehrt hatte, wurde
gegen Mittag der Elefantenstall errichtet. Wegen der Wetter- und
Platzverhältnisse hatte das Tier den vergangenen Tag und die
Nacht in seinem – beheizten – Transportwagen verbracht. Im
Chapiteau fällt auf, dass man nach dem letztjährigen Versuch mit
einem auf Fahrgestellen montierten Gradin nun wieder zu einem
herkömmlichen zurückgekehrt ist. |
Etelle und Francia
Biasini, Vera, Nicolas Bouglione
Nachdem man in den letzten Jahren
stark artistisch geprägte Programme bot, sind in dieser Saison sehr
viele Darbietungen mit Tieren, aber natürlich auch erstklassige
internationale Artisten und namhafte Clowns engagiert worden. So wird
die Spitzenstellung unter den belgischen Circussen eindrucksvoll
untermauert. Traditionell wird die Spielfolge mit der hauseigenen
Raubtierdressur eröffnet. Juniorchef Nicolas Bouglione arbeitet
trickreich, ruhig und vertraut mit den zwei gefleckten und den zwei
schwarzen Panthern sowie den drei Pumas. Im weiteren Verlauf des
Programms präsentiert er souverän die große afrikanische Elefantenkuh
Jenny. Seine Frau Sue Ellen Sforzi reitet auf einem Schimmelhengst
eine Hohe Schule im Zigeunerlook. Die Schwestern Etelle und Francia
Biasini sind mehrfach in der Manege zu erleben. Ihre Säbelbalancen
präsentieren sie stilecht, mit schön gestalteten Requisiten im
Piratenoutfit. Außer der genreüblichen Leiter wird auch eine Art
Schwebebalken eingesetzt. Ebenfalls gemeinsam sind sie mit
Antipodenspielen zu sehen. Rollen und Bälle sind ihre Requisiten.
Kraftvoll agiert Etelle in ihrem Soloauftritt an Strapatentüchern.
Einige tiefe Abfaller verleihen dieser Darbietung die nötige Power.
Eine weitere Darbietung in der Luft zeigt Vera vom vormaligen Duo Vera
& Tomek. Elegant und anmutig sind ihre Evolutionen am Solotrapez
anzusehen. Der Schlusstrick, ein Sprung mit Pirouette in den Kniehang
bei vollem Schwung, gelingt in dieser Vorstellung nicht und endet
durch die Longensicherung ohne weitere Folgen. Nach der unfreiwilligen
„Flugeinlage“ kehrt sie nur zum Kompliment ans Trapez zurück,
wiederholt den Trick nicht, und so findet dieser ansonsten harmonische
Auftritt ein jähes Ende. Direkt nach der Pause arbeitet sie ihre Kür
am Rhönrad. Vera zeigt alle üblichen Tricks an diesem Gerät, jedoch
leidet die Präsentation darunter, dass der ausgelegte Holzboden nur
einen relativ schmalen Streifen längs durch die Manege bedeckt und sie
nur in einer Bahn vor- und rückwärts rollen kann. |
Glen Nicolodi |
Eine wichtige Rolle in
französischen Circussen spielt Monsieur Loyal, wie der
Sprechstallmeister hier heißt. Bei Alexandre Bouglione hat seit
einiger Zeit Pierre Paille diese Position inne. Wortgewaltig und mit
großer Nonchalance füllt er seine Rolle aus. In den Reprisen mit Clown
Ronnie, dessen ehemaliger Partner Kim ist zu José Mitchell gewechselt,
gelingt es ihm auch hervorragend, den Part des überlegenen autoritären
Chefs zu geben. Auf eine Pferdefreiheit wartet man, abgesehen von
einem Pony, welches Ronnie in einer Reprise vorführt, vergeblich.
Stattdessen führt Daliah Laurant fünf Dalmatinerhunde ganz im Stil und
mit der Laufarbeit von Pferden vor. Eingeleitet wird diese „Freiheit“
von einer schwarz-weiß getigerten Dogge, die, am langen Zügel
geführt, den ‚Spanischen Tritt’ zeigt. Die hohe Kunst der
Handstandequilibristik zelebriert Glen Nicolodi im Zusammenspiel mit
einem quicklebendigen Terrier. |
Nery Clowns
In dieser Spielzeit sind bei
Bouglione zweimal Raubtiere in der Vorstellung zu erleben. Die Magic
Nery haben in ihre große Illusionsshow zwei Tiger integriert. Es hat
einen Hauch von Las Vegas, wenn aus den Flammen, die aus einer großen
Spiegelkugel züngeln, zuerst David Nery und danach ein normalfarbener
Tiger erscheinen. Laute ‘ahs’ und ‘ohs’ ertönen im Zuschauerraum, und
in den Logen wird ein wenig die Luft angehalten, wenn der Magier die
große Katze nur an einer Handschlaufe gesichert entlang der Piste
paradieren lässt. Die gängigen Fluchtkisten schließen sich an, und
abschließend erscheint noch ein großer weißer Tiger, der
hochaufgerichtet an seinem Herrn ein imposantes Bild abgibt. Im
Ursprung sind die Brüder Garibaldi und David Nery allerdings bekannte
Clowns, und so sind sie als Finalnummer, dies entspricht langer
Tradition in französischen Circussen, der Höhepunkt der Vorstellung.
Zusammen mit einer Ehefrau bieten sie als Trio einiges an Musik und
das Spukschloss-Entree, dass von den Kindern begeistert angenommen
wird. |
Zum stimmigen
Finale erscheinen nochmals alle Mitwirkenden in der Manege und
werden kurz vorgestellt. Ein geschickt zusammengestelltes
Programm mit einigen Highlights, das gekonnt und charmant in
angenehmen Rahmen präsentiert wird, findet so seinen Abschluss
und weckt die Vorfreude auf den nächsten Besuch in diesem
Circus. |
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Text und Fotos: Friedrich Klawiter
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