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Circus Roncalli - Tour 2007
www.roncalli.de

Düsseldorf, 17. April 2007: Die Jubiläums Tournee geht weiter - so lässt sich das zweite Jahr des 30-jährigen Roncalli Jubiläums treffend überschreiben. Folgerichtig wurde das Programm nur partiell verändert. Wunderschön anzuschauen ist der Circus auf einer Rasenfläche des Rheinparks. Direkt an Düsseldorfs Cecilienallee großzügig aufgebaut, umsäumt von großen alten Bäumen, verbreitet er eine romantische Atmosphäre voller Poesie.

Prächtiger und romantischer wohl, als je eine der historischen Wanderschauen, deren Ambiance er wieder aufleben lassen will, aus der Belle Epoque war. Stimmungsvoll kontrastieren die Zelte und Wagen in ihren hellen und sauberen Farben im Sonnenschein zu dem frischen Frühlingsgrün der Natur. Die alte Circusorgel schmettert, verführerischer Duft verbreitet sich aus der im antiken Wagen untergebrachten Wurstbraterei, während  die Schlange der Wartenden sich vor dem Einlass bildet. Dann das “Roncalli Ritual” des Einlasses. Live-Musik im Vorzelt, Artisten zeigen kleine Kostproben ihres Könnens und viele der Besucher bekommen ein kleines rotes Herzchen oder eine rote Nasenspitze geschminkt, derweil Popkornduft die Szene durchdringt. Die Programmverkäuferinnen in ihren chiquen Kostümen am Zelteingang, die Rufe der Platzanweiser, und dann empfängt einen die warme anheimelnde plüschige Atmosphäre des Roncalli-Chapiteaus genauso wie in den vergangenen 30 Jahren. Vieles ist gleich geblieben, ist Tradition geworden. Doch hat es auch, gerade in den letzten beiden Jahren, sichtbare Veränderungen gegeben. Der pompöse Artisteneingang mit Türmchen und hydraulisch absenkbarer Orchesterbühne wurde wieder durch das, kaum weniger prachtvolle, Vorgängermodell ersetzt, auf ein Ballett wird inzwischen verzichtet. Die um Poesie bemühte, dadurch den Schwung hemmende und Längen erzeugende Inszenierung wurde stark reduziert. Die für Roncalli typischen Intermezzi wurden reduziert. Geblieben ist ein Ensemble hochkarätiger Artisten mit hervorragenden Darbietungen auf höchstem Niveau.


David Larible

Auch in dieser Saison spinnt David Larible den roten Faden im Programm. Als Requisiteur, der zum Clown gemacht wird, erobert er mit Können und Charisma die Sympathien des Publikums im Sturm. Ist die Idee auch nicht neu, wird sie hier doch besonders gekonnt und liebevoll in Szene gesetzt. In mehreren Reprisen und zwei Entrees, Orchester und Oper, ist Clown David  zu erleben. Obwohl ansonsten kein Freund von Mitmach-Clownerie ist es für mich immer wieder faszinierend David Larible zu erleben. Ihm gelingt es immer wieder, die Amateur-Akteure in den Mittelpunkt zu stellen, für herzhaftes Lachen des Publikums zu sorgen und dass, ohne seine Mitstreiter bloß zu stellen. Eher für die leisen Töne, die poetischen Momente, ist Weißclown Gensi auch in dieser Spielzeit wieder zuständig. Als Hommage an 30 Jahre Roncalli werden die Araberhengste mit Prunkdecken, bestickt mit den vergangenen Programmmotto, zur festlichen Begrüßung um die Manege geführt. 


Konstantin Mouraviev, Sorellas

Clown Gensi mit seinem Kostümpferd leitet dann zur Freiheitsdressur von Sarah Houcke über. Einen ersten Beifallssturm und viele erstaunte “ah’s” und “oh’s” produzieren Maryna und Svetlana Tsodikovi. Die Zwillingsschwestern wissen immer wieder mit ihren  “fliegenden Tüchern”, wie die Progammillustrierte ihre Antipodenspiele bezeichnet, zu begeistern. Konstantin Mouraviev mit seinem, inzwischen als humorvolle Geschichte verkauften, Rhönrad ist ebenso, wie Juri mit Partnerin Ludmilla, er zeigt eine außergewöhnliche Reiterleistung bei seiner Hohen Schule ohne Zügel, prolongiert worden. Spitzenjongleur Picaso jun. und das Duo Sorellas, mit seiner außerordentlich leistungsstarken und ungesichert vorgetragenen Trapezakrobatik, waren ebenfalls bereits im Vorjahr in der Roncalli Manege zu sehen.


Trio Bellisimo, Encho Keryazov, Duo Minasov

Neu in die Produktion integriert wurde das Duo Minasov. Im zweiten Programmteil präsentieren sie sympathisch schwungvoll ihr Quick Change, nachdem Victor im ersten Teil als Solist mit und in einem überdimensionalen Ballon für Stimmung gesorgt hat. Aus der Ukraine kommen die drei jungen Frauen des Trio Bellisimo. Sie gehören zum Ensemble von “Bingo”. Mit ihrer Hand zu Hand Arbeit, die auch viele Kontorsionistik Elemente enthält, erwecken sie Bewunderung und wissen ihr Publikum zu begeistern. Sie wirken wie ein weiblicher Gegenpart zu den Pellegrini Brothers. Den Schlusspunkt, oder besser gesagt ein Ausrufezeichen setzt Encho Keryazov. Er zelebriert Handstandkunst, die ihm in diesem Jahr in Monte Carlo einen “Silbernen Clown” einbrachte, auf allerhöchstem Niveau. Wunderbar, diese Demonstration von Kraft und Eleganz in der relativen Enge des Roncalli Chapiteaus einmal ganz aus der Nähe bewundern zu können.

Das Finale, ganz Roncalli Tradition, über all die Jahre nur marginal verändert, inzwischen von vielen anderen Circussen adaptiert, vereint das gesamte Ensemble in der Manege, der traditionelle Walzer mit Zuschauern, sprühende Lebens- und Spielfreude, einige kleine Zugaben. Clown David verwandelt sich wieder in David Larible, die Manege leert sich und zurück bleibt das am sprichwörtlichen Haken hängende Clownkostüm. Die Musik verklingt und wieder einmal ist die Zeit viel zu schnell vergangen, ist die Show vorbei. Die Show, der man noch Stunden hätte beiwohnen mögen. Nun heißt es aufwachen aus dem Traum vom perfekten nostalgischen Circus nach historischen Motiven mit dem zeitgemäßen Programm und Abschied nehmen bis zum nächsten Besuch , möglichst bald und irgendwo.

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Text und Fotos: Friedrich Klawiter