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Mellingen, 9.
April 2007: Monti, das ist doch kein Circus
mehr, die machen Theater, sagen manche. Stimmt aber nicht, und
ganz bestimmt nicht in dieser Saison: Regisseurin Masha Dimitri
entwirft im Programm 2007 vielmehr das Bild eines nostalgischen
Circus, wie er früher einmal war oder gewesen sein könnte. Es
treten auf: ein blasierter Circusdirektor in Frack und Zylinder,
der die Lage nicht recht im Griff hat, ein Nummerngirl, das an
seiner Aufgabe auf urkomische Weise immer wieder scheitert, und
ein sympathisches, junges Artistenensemble. |
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Tobias, Mario und
Johannes Muntwyler, Laura Tikka |
Die einzige Tiernummer in dem
Schweizer Circus ist die Dressur mit sechs Ziegen und einem
Zwergesel der beiden Direktionssöhne Mario und Tobias Muntwyler,
gleich zu Beginn platziert. Die Kinder im Publikum haben
sicherlich Spaß an der Nummer, aus unserer Sicht fügt sie sich
aber nicht so ganz ins Monti-Konzept. Es folgt ein buntes
Opening im Samba-Rhythmus mit akrobatischen Elementen, und
anschließend hat Tobias Muntwyler bereits seinen zweiten
Auftritt: nun mit seiner Diabolo-Nummer, für die er Ende 2006
beim renommierten „European Youth Circus“ in Wiesbaden mit dem
Spezialpreis der Jury ausgezeichnet worden ist. Bereits zum
dritten Mal in einem Monti-Programm vertreten ist Laura Tikka,
Absolventin der Berliner Artistenschule und der
Anni-Fratellini-Schule in Paris, nun zum ersten Mal auf dem
Schlappseil. Die Finnin geht auf Spitzen übers Seil und drückt
darauf einen einarmigen Handstand. Nun kommt der jüngere der
beiden Muntwyler-Söhne zu seinem großen Auftritt: Auch er
jongliert, allerdings mit Keulen und überdies auf erstaunlichem
Niveau. Die Nummer wird eröffnet als Gruppenjonglage gemeinsam
mit Vater (und Circusdirektor) Johannes Muntwyler und drei
Artisten aus dem Ensemble, und sie geht über in ein
anspruchsvolles Jonglier-Duell zwischen Vater und Sohn. Mario
steht beim Jonglieren auf den Schultern des Vaters oder beide
tauschen jonglierend die Plätze. |
Sportstunde,
Sabine Jean |
Besonders interessant sind das
Requisit und die ganze Darbietung von Martin Frenette: Am
doppelten Schwungseil schwebt er im Spagat und im Genickhang,
schlägt Salti und fängt sich wieder, lässt sich in den Fershang
fallen. Etwas kurz, mehr im Stil einer Reprise, dann die
Jonglage mit einem Hut des Deutschen Max Haverkamp, der auch in
der Jonglierszene zuvor mitgewirkt hat. Die dunkelhäutige Sabine
Jean aus Kanada präsentiert sich dann im Roue Cyr: Dieses
Requisit ähnelt einem Rhönrad, besteht aber nur aus einem
Reifen, ohne jegliche Vorkehrung, um Hände oder Füße zu
befestigen. In diesem einfachen Rad dreht Sabine Jean ihre
Runden und zaubert, unterstützt von stimmungsvoller Musik,
wundervoll Schönes. Vor der Pause folgt eine der monti-typischen
Ensemblenummern, wiederum speziell für diese Saison einstudiert:
eine Art fröhliche Sportstunde, mit Sprüngen und Salti über
einen Kasten. |
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Was der ersten Hälfte des
Programms aber ihren erfrischenden Witz und unwiderstehlichen
Charme verleiht, das sind die köstlichen Auftritte des
Circusdirektors (Gerardo Daniel Tetilla) und des Nummerngirls
(Armelle Fouqueray): Der Chef erweist sich als zu allem fähig
und zu nichts zu gebrauchen, das Nummerngirl vermasselt jeden
Auftritt: macht aus der sechs eine neun und umgekehrt, lässt
sich von einem gespannten Seil aufhalten oder von einer anderen
Artistin die Show stehlen. Und vor der Pause endet das Chaos in
der versehentlichen Demontage des Artisteneingangs. |
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Elodie Beccu & Benjamin
Kahan, Bambustanz
In der zweiten Hälfte des
Programms wird der rote Faden nicht in der Konsequenz
aufgegriffen, die man erwarten könnte, das Programm kommt nicht
mehr so sehr in Fahrt wie vor der Pause. Benoit Vis eröffnet
diesen Teil mit Salti, Schrauben, tänzerischen Posen und
Sprungkombinationen auf einem großen Trampolin, gefolgt von
einer Hand-auf-Hand-und Kopf-auf-Kopf-Nummer (Elodie Beccu/Benjamin
Kahan) und einer Restaurantszene des Ensembles mit
Tellerjonglage. Diese geht nahtlos über in die Antipodennummer
von Orlene Marie Gentile: Die Artistin jongliert das
„Restaurant-Inventar“ mit den Füßen: die Tischdecke, die
Servietten, schließlich den Tisch selbst. Tanztrapez nennt
Francois Gravel sein Requisit, spektakulär ist die Eröffnung
seiner Darbietung: Der junge Kanadier springt vom Boden aus in
den Kniehang ans Trapez, das rundherum frei drehbar ist, und
lässt sich daran unter die Zeltkuppel ziehen. Seine
tänzerisch-akrobatische Kür gehört zu den Höhepunkten des
zweiten Programmteils. Fünf Ensemblemitglieder sind außerdem
noch in einer Handstand-Darbietung zu sehen, das gesamte
Ensemble zeigt dann als Schlussnummer einen Tanz durch
rhythmisch gegeneinander schlagende Bambusstangen, der noch
einmal für Stimmung sorgt, Lebensfreude vermittelt. |
Monti 2007 hat uns in der ersten
Hälfte wahrhaft begeistert, mehr noch als das Programm vor einem
Jahr, und in der zweiten Hälfte gefallen. Die Melange aus nie
oder selten gesehenen, ganz modernen Elementen – Roue Cyr,
Doppelschwungseil, Tanztrapez –, nostalgischer Illusion samt
herrlicher Nummerngirl-Komödie und frischen Ensemblenummern
macht den (nun gut: Theater-)Circus so oder so zum
Pflichtprogramm einer jeden Circusreise in die Schweiz. |
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Text: Markus Moll; Fotos: Sven Rindfleisch
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