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Budapester Circusbau - Saison 2007
www.maciva.hu ; 24 Showfotos

Budapest, 12. August 2007: Zugegeben, ich hatte schon gewisse Vorstellungen - vielleicht auch Vorurteile - wie Circus "im Osten" so aussehen könnte. Dabei endeten mein eigenen circensischen Erlebnisse in diese Himmelsrichtung bislang beim "Ost-Probst". Umso überraschter war ich, dass diese Erwartungen beim Besuch der aktuelle Show im festen Circusbau der Stadt Budapest weitgehend erfüllt wurden. Das Gebäude selbst, die Show und das ganze Drumherum - so stellte ich mir Circus im ehemaligen Ostblock vor. Positive Überraschungen inklusive.

Die Front des Gebäudes vermittelt den Eindruck eines Zweckbaus, verziert mit bunter Leuchtschrift und zwei überdimensionalen aufblasbaren Clowns. Den Weg in den Zuschauerraum weisen Damen in grellen türkisen Kittelschürzen. Innen riecht es streng, der Boden sieht schon arg verbraucht aus und an den Rückenlehnen der Sitze blättert der orange Lack. Dem an diesem Nachmittag erschienenen Publikum macht das nicht allzu viel aus. Die Budapester sind weitgehend unter sich. Überhaupt scheint man hier auf einheimisches Publikum eingestellt zu sein. In den zahlreichen Touristenbroschüren finden sich zwar Hinweise auf den Circusbau, das aktuelle Programm hingegen wird nicht aktiv vermarktet. Die diversen Hinweiszettel und -schilder im Bau sind ausschließlich in der Landessprache gehalten. An vielen anderen Orten in Budapest sind zumindest Deutsch und Englisch Standard. Erfreulicherweise orientieren sich auch die Preise am  ungarischen Niveau. Ein Platz der teuersten Kategorie kostet umgerechnet 8,40 Euro.

Kommen wir zum Programm selbst. "Illusion und Wunder" heißt es übersetzt und spielt komplett in, über und auf einer Insel innerhalb einer Wassermanege. Es ist weniger ein klassisches Circusprogramm, eher eine Wasserrevue. Was meine erfüllten osteuropäischen Vorstellungen angeht: Ein Grossteil der Darbietungen läuft zu wummernden Technoklängen ab und viele der Kostüme sind quietschbunt. Vielfach wird auch der Kopf mit eingepackt, sodass die Künstler austauschbar erscheinen.  Dies trifft beispielsweise auf das große Schaubild zum Auftakt zu. Hier wird alles gezeigt, was das Haus zu bieten hat. Im Wasser Ballett, auf der großen Bühne im hinteren Drittel der Wassermanege Ballett und darüber Luftartistik an einer einem Schiff nachempfundenen Konstruktion. Ebenso präsentiert sich die folgende Truppe mit ihrer Einradartistik sowie später im Programm die Artistinnen  mit Elementen aus der rhythmischen Sportgymnastik, die Seilsprung-Truppe und die Artistin an einem Netz, an dem sie vom Schwungseil und den Tücherstrapaten bekannte Tricks vorführt. Das Ganze jeweils begleitet von einem großem Ballettaufgebot.

Von diesem lebt ebenfalls die Magicshow, bei der mehr getanzt als gezaubert wird. Was in Ordnung geht, denn die gezeigten Großillusionen sind nicht sonderlich spektakulär. Schön anzusehen die Duo-Kontorsionistik mit Wasserballett, Lasershow und Fontänen. Die Seifenblasen werden wiederum zu stampfender Technomusik präsentiert. Den artistischen Höhepunkt bildet eine kraftvolle, von einem männlichen Duo gezeigte, Hand-auf-Hand-Equilibristik. Ergänzt wird der erste Programmteil leider nur von einer Tierdarbietung. In dieser zeigen Katzen ihre Geschicklichkeiten im Balancieren und Springen. Mehr Tiere gibt es im zweiten Teil zu sehen, bei dem die Bühne auf eine runde Insel in der Manegenmitte verkleinert wird, welche über zwei Bogenbrücken erreichbar ist.

Aus einer geschlossenen Seerose im Wasser erscheint eine Dame, die auf diesem Boot stehend eine - Überraschung! - Taubenrevue zeigt. Richtig Action verbreiten die beiden Seelöwen, die voller Schwung immer wieder zwischen Piste, Bühne sowie Wasser unterwegs sind und teilweise gleichzeitig unterschiedliche Tricks zeigen. Spektakulär aufgemacht ist der Auftritt eines Fakirs. Zunächst spielt er auf der Bühne hinter Fontänen mit dem Feuer, dann nimmt er eine Schlange, schmeißt sie ins Wasser und schwimmt hinterher. Das Tier nähert sich natürlich bedrohlich dem Publikum, wird aber von seinem Herrn zurückgehalten. Gleiches zeigt er mit einem Krokodil. Das alles wirkt aufregender als es tatsächlich ist, sorgt aber beim Publikum für den entsprechenden Nervenkitzel. Artistisch bietet der zweite Teil eine Hula Hoop-Solistin, eine Meerjungfrau als Kontosionistin und ein Luftballett mit Strapaten und Vertikalseil. Alles selbstverständlich begleitet vom Wasserballett. Die Clowns sind farbenfroh gekleidet und nehme jede Gelegenheit wahr, sich ins Wasser zu stürzen. Dabei kommen sie sympathisch rüber und haben viele kreative Ideen im Gepäck. Besonders gelungen fand ich ihre Reprise auf die Seelöwennummer. Wohl auch in die Kategorie Comedy gehört jener Programmpunkt, bei dem ein Moderator drei Herren "aus dem Publikum" auf die Bühne holt. Diese ziehen sich bis auf die Unterhosen aus und versuchen sich unter dem Gejohle des Publikums an verschiedenen überdimensionalen Wasserspielsachen.

Zum großen Finale werden nochmals alle Register gezogen: Das Bassin wird mit kleinen weißen Kugeln gefüllt, darin schwimmen die Damen des Wasserballetts. Auf der Piste erscheinen das Ballett und alle anderen Mitwirkenden, in der Luft wird ebenfalls gewirbelt. Natürlich gibt es ein Feuerwerk. So endet eine Show, die so ganz anders ist als vergleichbare Spektakel im westlichen Europa. Spaß gemacht hat diese Circuserfahrung der östlichen Art aber allemal.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch